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# taz.de -- Afrikanischer Ölstaat Gabun: Wahlfarce eines Autokraten
> Ali Bongo lässt sich am Samstag wiederwählen, seine Familie hat Gabun
> fest im Griff. Wahlplakate für die Konkurrenz gibt es nicht.
Bild: Ali Bongo bei den Vereinten Nationen im September 2022
Berlin taz | Kaum ein Land in Afrika symbolisiert die Verkommenheit des aus
der französischen Kolonialzeit übernommenen Staatswesens [1][so perfekt wie
Gabun]. Der zentralafrikanische Ölstaat mit knapp 2,4 Millionen Einwohnern
ist vom Pro-Kopf-Einkommen her einer der reichsten Afrikas, aber seine
Bevölkerung ist eine der ärmsten.
Die Elite verprasst das Geld im Nahen Osten, Europa oder Nordamerika.
[2][Präsident Ali Bongo] ist der Sohn des Diktators Omar Bongo, der von
1967 bis zu seinem Tod 2009 regierte und dessen über 50 Kinder und deren
Familien bis heute zentrale Machtpositionen bekleiden. Jetzt geht Ali
Bongos zweite siebenjährige gewählte Amtszeit zu Ende, und am Samstag wird
neugewählt. Eine Beschränkung der Anzahl erlaubter Amtszeiten kennt Gabun
nicht, Ali Bongo kann also weitermachen.
Dass ihm das gelingt, ist keine gewagte Vorhersage. Gabuns Staat ist nicht
zimperlich, wenn es darum geht, das gewünschte Wahlergebnis herzustellen.
Bei der letzten Wahl 2016 lag Oppositionsführer Jean Ping bei der
Auszählung erst konstant vorn, zuletzt mit 59 Prozent der Stimmen vor
Amtsinhaber Ali Bongo, der bei 37 Prozent lag – bis die Stimmen aus Bongos
Heimatprovinz Haut-Ogooué dran kamen.
Bei einer offiziellen Wahlbeteiligung in der Provinz von 99,93 Prozent,
davon 95,46 Prozent für Bongo, wurde damit aus Ali Bongos Rückstand ein
wundersamer Vorsprung von 5.500 Stimmen, und der Präsident bezwang den
Oppositionschef mit 49,8 zu 48,2 Prozent. Es folgten schwere Unruhen mit je
nach Quelle 5 bis 300 Toten, Ping erklärte sich vergeblich zum legitimen
Präsidenten, und Bongo blieb an der Macht.
## Opposition stellt früheren Uni-Professor auf
Diesmal bietet die Opposition einen neuen Einheitskandidaten auf, den
ehemaligen Universitätsprofessor Albert Ondo Ossa, unterstützt von
Freunden Jean Pings. Aber das geschah erst Ende vorherige Woche, viel zu
spät für die Wahlen. Es gibt also weder Wahlplakate für Ondo Ossa, noch
hat sein Wahlbündnis Kandidaten zur gleichzeitig angesetzten Parlamentswahl
aufgestellt. Und Gabuns Wahlkommission hat sich diesmal etwas Neues
ausgedacht: ein einziger Stimmzettel für Präsidentschafts- und
Parlamentswahl.
Man kann also nur für Kandidaten derselben Partei bei beiden Wahlen stimmen
– wer bei der einen Wahl jemanden ankreuzt, wählt automatisch auch bei der
anderen Wahl für dessen Partei. Ondo Ossa kandidiert aber offiziell für das
Präsidentenamt als Unabhängiger und hat keine Parlamentskandidaten.
Wer ihn zum Präsidenten wählen will, darf also für das Parlament keine
Oppositionspartei ankreuzen, auch wenn die eigentlich zur Wahl Ossas
aufruft. Das dürfte nicht nur bei der Lektüre solcher Erklärungen schwer
verständlich sein, sondern auch im Wahllokal. Und auf den Wahlzetteln
stehen trotz der Einheitskandidatur der Opposition 13
Präsidentschaftskandidaten.
Dass Ali Bongo eigentlich abgewählt gehört, wissen aber alle. Der Präsident
erlitt am 24. Oktober 2018 in Saudi-Arabien einen schweren Schlaganfall.
Der blieb geheim, bis nach zehn Tagen die Regierung freudig verkündete, der
Präsident werde nicht mehr künstlich beatmet. Bongo verbrachte danach zehn
Monate auf Kur im Ausland, zumeist in Marokko, mit nur kurzen Besuchen zu
Hause im Rollstuhl.
Seine Macht delegierte das Verfassungsgericht zwar pro forma an den
Vizepräsidenten, aber der Premierminister flog trotzdem regelmäßig in das
fünf Flugstunden entfernte Marokko, wenn er eine präsidiale Unterschrift
brauchte, und der Vizepräsident wurde nach einigen Monaten im Zuge einer
Affäre um 353 verschwundene Container voller geschützter seltener
Tropenhölzer entlassen.
Ali Bongo kann seit seiner Heimkehr 2019 kaum noch laufen und lebt
zurückgezogen. Aber das macht ihn erst recht zum unnahbaren Autokraten. Er
ist die Spinne in einem Netz von Vertrauten und Verwandten im Hintergrund,
so wie früher sein Vater. Und solange seine Gegner, statt sich mit den
Missständen Gabuns zu befassen, lieber mit Märchen hausieren gehen wie dem,
Ali Bongo sei gar nicht Omar Bongos Sohn, sondern ein adoptiertes
nigerianisches Waisenkind aus dem Biafrakrieg, wird sich daran auch nichts
ändern.
26 Aug 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Dominic Johnson
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Schwerpunkt Klimawandel
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