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# taz.de -- Butch-Closet im Sommer: Die Kleiderwächter austricksen
> Unserer Autorin fällt es schwer, auf Kleidungsuche nicht komplett
> durchzudrehen. Letzten Endes hilft wohl nur, sich das Nähen selbst
> beizubringen.
Bild: Ein kleines Stückchen Hemdsärmel reicht im Sommer schon, um die Leute a…
„Ist dir nicht waaaaaaarm!?“ Auch im verlängerten Sommer lässt die Frage
nicht ab. Ein kleines Stückchen Hemdsärmel reicht schon, um die Leute auf
die Palme zu bringen. Ich persönlich finde ein Hemd mit hochgekrempelten
Ärmeln nicht nur viel hübscher, sondern auch viel luftiger und angenehmer
als irgendwelche eng anliegenden Oberteile, in die mensch so reinschwitzen
soll.
Abgesehen von praktischen Unwägbarkeiten fällt allerdings auf, dass Männer
so etwas nicht gefragt werden. Ihre Hemdsärmel bleiben in der Regel
unbehelligt und im Zweifelsfall dürfen sie bei wichtigen Anlässen auch noch
ein Sommerjackett mit drauflegen. Ganz ohne Intervention.
Interessanterweise richten auch immer nur Frauen diese Frage an mich. Es
muss also eine Art verinnerlichter
Du-sollst-dich-gefälligst-ausziehen-Sexismus am Werk sein, der so clever
funktioniert, dass das Policing freiwillig selbst übernommen wird.
Dabei liebe ich Textilien und ihre Texturen. Vielleicht weil meine eine Oma
Schneiderin war und sich auch meine andere Omi das Nähen selbst beigebracht
hat, um sich die schicken Outfits, die sie im Ausverkauf ergattert hatte,
anzupassen.
„Dein Schneider ist dein bester Freund“, sagt Tan, der respektvolle
Modeberater aus der [1][Make over-Sendung „Queer Eye“,] immer. Darum habe
ich kürzlich auch eine Schlafanzughose, die 17 Euro gekostet hatte, für 17
Euro reparieren lassen.
## Vielleicht mal selbst Nähen lernen
Jetzt, wo ich selbst einen Sommeranzug suche, scheint es aber wirklich Zeit
zu sein, dass auch ich mir das Nähen beibringe. Und vor allem mein eigener
bester Freund bleibe. Ich kenne es zwar seit 20 Jahren, ein unheimliches
Maß an Geduld erfordert es aber trotzdem, um beim Kleidungsuchen nicht
komplett durchzudrehen.
Tatsächlich gibt es heute ein paar mehr Fachverkäufer_innen, die mir nicht
sofort hinterherlaufen, um mir fünfmal mitzuteilen, dass ich jetzt gerade
in diesem Moment den roten Grenzübergang in die Männerabteilung
überschritten habe. Dank dem Universum für die schwulen Verkäufer, die mich
kurz angucken und dann komplizenhaft die Regale mit mir durchstreifen.
Geblieben ist das Phänomen, dass in der Männerabteilung die Qualität der
Stoffe 10-mal hochwertiger ist als die Materialien in der Frauenabteilung.
Im Gegensatz zu vor 20 Jahren habe ich inzwischen auch ein kleines
Bäuchlein. Unter der Behauptung der Männerschnitte, Körper verliefen in
geraden Linien, reduzieren sich meine Auswahlmöglichkeiten also noch mal.
Männern mit bisschen Hüfte geht es übrigens ähnlich. Zurück durch die rote
Schranke ist es immer das Gleiche: Je größer die Größen, desto girlier die
Kleidung.
Die New York Times berichtete zwar groß darüber, wie sehr [2][Butch-Lesben
und Studs die Mode geprägt haben]. Der Versuch, eine Ästhetik zu
entcodieren, die Femme-Augen und queere Herzen schon immer lesen konnten,
übersetzt sich aber bei Weitem nicht in eine Transformation der
Kleiderindustrie.
Seit meiner neuesten Shopping-Meditationschallenge muss ich an Mr Bean
denken. Ein Schrank voll identischer Sakkos und Hosen, der individuelle
Touch über die Krawatte, der beste Freund ein Bear. Eigentlich mein
Traumcloset, ich muss nur noch das richtige Jackett finden.Falls das bis
Herbst dauert, hält es dann bestimmt auch ganz, ganz warm.
15 Sep 2023
## LINKS
[1] /Realityshow-Queer-Eye/!5612852
[2] https://www.nytimes.com/interactive/2020/04/13/t-magazine/butch-stud-lesbia…
## AUTOREN
Noemi Molitor
## TAGS
Kolumne Subtext
Kleidung
Feminismus
Mode
Frauen
Schwerpunkt LGBTQIA
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Bildungschancen
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