# taz.de -- Wunder Parking gegen Wunderflats: Wundersame Geschäftemacherei | |
> Zwei Aktionskünstler besetzen Parkraum und machen ihn zu Profit. Sie | |
> persiflieren einen skrupellosen Profiteur der Wohnungskrise. | |
Bild: Dinner zwischen Autos | |
Berlin taz | Wir nehmen uns Raum, der uns nicht gehört, vermieten ihn und | |
schlagen daraus Kapital.“ [1][Jakob Wirth], Typ Sonnyboy mit buntem Hemd | |
und Sonnenbrille in den Haaren, sagt diesen Satz ohne jede Scham, dafür mit | |
einem verschmitzten Lächeln im Gesicht. Raum besetzen er und sein Kollege | |
Alexander Zakharov, der seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen | |
will, schon die ganze Woche, mit einer [2][zusammensteckbaren Holzplattform | |
in Größe eines SUVs]. | |
Am Mittwoch sind die beiden Aktionskünstler mit dieser vom Mariannenplatz | |
auf einen Parkplatz am Neuköllner Herrfurthplatz umgezogen. Dort steht das | |
Podest nun eingekeilt zwischen zwei Autos. Es gibt Sitzbänke und einen | |
Tisch, Croissants und Kaffee. | |
Für Interessierte ist der modulare Freiluftraum noch bis einschließlich | |
Freitag mietbar. Für fünf Euro darf man auf der Parkplatz-Plattform Kaffee | |
trinken, Spiele spielen oder dinieren. In der Nacht auf Donnerstag ist sie | |
gar an eine Person vermietet, die hier schlafen will. Die Holzpaletten | |
können dafür gedreht werden; dann ploppt eine Matratze auf. | |
Das Prinzip der Unternehmung, etwas anzubieten „was quasi niemand möchte“, | |
aber damit Geld zu machen, mussten sich die beiden Künstler nicht | |
ausdenken, sie haben es adaptiert. | |
## Profit mit Wohnungskrise | |
Vorbild für ihr Projekt ist das [3][Berliner Start-up Wunderflats]. Dessen | |
Geschäftsmodell besteht aus einer befristeten Vermietung von möblierten | |
Wohnungen zu Preisen von 25 bis 40 Euro pro Quadratmeter, wie Zakharov | |
sagt. | |
Wunderflats, das bis zu 1.000 Wohnungen in Berlin vermietet, die ihnen | |
ebenso wenig gehören wie den Künstlern die Parkflächen, nutze die | |
„Regelungslücke“ bei möbliertem und befristetem Wohnen aus – und umgehe… | |
die Mietpreisbremse. Wohnungen mit Ikea-Mobiliar zu Mondpreisen ist der | |
„neue Megatrend“, so Zakharov. Dabei zeigten Studien, dass die überwiegende | |
Mehrheit nur aus Mangel an Alternativen in diese Wohnungen zieht. | |
Es sei eine „perverse Logik“, wie Start-ups aus der Krise des | |
Wohnungsmarktes Profit schlagen und das auch noch als weltverbessernde Idee | |
anpreisen, heißt es in einer Mitteilung zur Aktion, die sich [4][Wunder | |
Parking] nennt. Für Passant:innen, die förmlich angezogen werden, geht es | |
vor allem um diesen offensichtlichen Aspekt: die Rückeroberung von | |
Auto-Raum. | |
Quittiert wird dieses mit Dank und Lachen oder aber auch mit einem Vortrag | |
über das „falsche Narrativ des Klimawandels“, wie an diesem Mittag von | |
einer älteren Anwohnerin. Wirth wirkt unbeeindruckt, strahlt die Ruhe eines | |
professionellen Unruhestifters aus. Die Start-up-Adaption soll verwirren, | |
Menschen im Unklaren lassen. Das Ziel: Raus aus Aktivist:innenblasen, rein | |
in Start-up-Magazine. | |
14 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Auf-Neukoellner-Daechern/!5596869 | |
[2] /Aneignung-Berlins-von-unten/!5933589 | |
[3] /Berliner-Wohnungsmarkt/!5574369 | |
[4] https://wunderparking.com/ | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
Parkplatz | |
Aktionskunst | |
Berlin-Lichtenberg | |
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
Aktionskunst | |
Gentrifizierung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Aneignung Berlins von unten: Noch Parken oder schon besetzen? | |
Der Künstler Jakob Wirth bespielt noch bis zum Wochenende verschiedene | |
Parkplätze in Berlin: „Parasite Parking“ will sich die Stadt von unten | |
aneignen | |
Freiräume auf Flachdächern: Aufs Dach gestiegen | |
Das Berliner Projekt „Operation Himmelblick“ will Dächer als Freiräume f�… | |
die Nachbarschaft erschließen. Die Idee könnte Vorbildcharakter haben. | |
Künstler protestiert gegen Wohnungsnot: Dem Kapital aufs Dach steigen | |
Kunst und Protest: Jakob Wirth zeigte auf Dächern die bewohnbare | |
Installation „Penthaus à la Parasit“. Nun plant er die „Operation | |
Himmelblick“. | |
Auf Neuköllner Dächern: Von Penthäusern und Parasiten | |
Mit einem Haus auf einem Haus blicken zwei Künstler und Aktivisten in | |
Neukölln von oben auf stadtentwicklungspolitische Fragen. |