# taz.de -- Parteitag der NRW-SPD: Die neue Doppelspitze | |
> Sarah Philipp und Achim Post sind die neuen Vorsitzenden der SPD in | |
> Nordrhein-Westfalen. Sie sollen den kriselnden Landesverband einen. | |
Bild: Sollen die SPD in Nordrhein-Westfalen auf Vordermensch bringen: Achim Pos… | |
Münster taz | Es dauerte ein wenig, aber dann standen sie doch noch auf, | |
die 459 Delegierten auf dem Parteitag [1][der nordrhein-westfälischen SPD] | |
in Münster. Gerade hatte Sarah Philipp, 40-jährige Landtagsabgeordnete aus | |
Duisburg, ihre Bewerbungsrede gehalten. Kurz darauf wurde sie mit 87,5 | |
Prozent der Stimmen zur Vorsitzenden gewählt. Ihr zur Seite steht Achim | |
Post, 64-jähriger Bundestagsabgeordneter aus Ost-Westfalen, gewählt mit | |
91,9 Prozent der Stimmen. Zum ersten Mal in seiner Geschichte hat der | |
größte Landesverband der SPD eine Doppelspitze. | |
Es ist die größte Neuerung, die die Landesführung den sozial konservativen | |
Genoss:innen in Nordrhein-Westfalen zugemutet hat. Ihre neuen | |
Vorsitzenden bedienten in ihren Reden die große, klassische Erzählung der | |
SPD: Aufstieg durch Bildung, Sicherung des Sozialstaats, gute Arbeit, | |
gesellschaftlicher Zusammenhalt. | |
Sarah Philipp schilderte ihren eigenen Weg aus einer Familie, die eine | |
Lottoannahmestelle betrieb, ans Gymnasium und dann an die Uni. „Man sollte | |
im Leben nicht erwarten, dass alles einfacher ist“, sagt sie und meint | |
damit auch den „Wiederaufstieg“ ihrer Partei nach zwei nacheinander | |
verlorengegangenen Landtagswahlen. Schließlich begrüßt sie Gäste: drei | |
Betriebsräte, eine Pflegerin, eine Grundschullehrerin und eine Schülerin, | |
die sich bei „Fridays for Future“ engagiert. „Für sie lohnt es sich zu | |
kämpfen“, sagt Philipp: „Wer soll das machen, wenn nicht wir?“ Applaus. | |
Auch Achim Post, Mitglied im wirtschaftsfreundlichen Seeheimer Kreis, | |
appellierte an die Gefühle der Genoss:innen: „Wir sind das Bollwerk gegen | |
Faschisten und Rassisten“, sagt er zu Beginn seines Vorstellungsfilms. Dann | |
spricht er technokratisch über die Sicherung des Sozialstaats, die | |
Einnahmeseite im Haushalt und fordert mehr Geld für Gesundheit. Sein | |
Schlusswort: „Für wen machen wir Politik? Für die Millionen oder die | |
Millionäre? Ich bin für die Millionen, Glück auf!“ Standing Ovations. | |
## Die neue SPD möchte wieder die Alte sein | |
„Das tut gut“, sagte SPD-Bundeschef Lars Klingbeil nach der Wahl von | |
Philipp und Post. Warme Worte für die Genoss:innen, die diese Worte nötig | |
haben. Der größte SPD-Landesverband in Deutschland [2][steckt mitten in | |
seiner größten Krise]. Zum ersten Mal seit 1966 ist er länger als eine | |
Legislaturperiode nicht an der Landesregierung beteiligt. | |
2022 ging die Landtagswahl gegen die CDU mit 26,7 Prozent der Stimmen | |
verloren – das schlechteste Ergebnis aller Zeiten. Die NRW-SPD stellt das | |
vor Probleme, die den meisten Genoss:innen bislang fremd waren – | |
finanzielle wie personelle. Im März trat überraschend Landes- und | |
Fraktionschef Thomas Kutschaty zurück, nachdem er seine Kandidatin für das | |
Amt der Landesgeneralsekretärin nicht durchsetzen konnte. Von einem Tag auf | |
den anderen mussten sich Landespartei und Landtagsfraktion neu aufstellen. | |
Nach der verlorenen Landtagswahl hätte in der NRW-Partei keine Einigkeit | |
geherrscht, erzählt Jochen Ott, der Kutschaty im Mai bereits als Chef der | |
Landtagsfraktion beerbt hatte. Zwischen Landtags-, Bundestagsabgeordneten | |
und Kommunalpolitiker:innen gab es zu selten eine gemeinsame Linie. | |
„Da waren viele Ich-AGs unterwegs“, so Ott. | |
Von der Wahl der Landtagsabgeordneten Philipp und des | |
Bundestagsabgeordneten Post erwartet er, dass dies in Zukunft anders wird. | |
Ein gemeinsamer Gegner ist schon ausgemacht: die schwarz-grüne | |
Landesregierung von CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst. „Handwerklich | |
gesehen ist es die schlechteste Regierung in der Geschichte NRWs“, sagt | |
Ott. „Wir werden jetzt den Angriff starten.“ | |
Dabei helfen soll ein Grundsatzpapier: „Die neue SPD im Westen“. Es wurde | |
auf dem Parteitag debattiert. Als Zielgruppe für ihre Politik macht die | |
NRW-SPD die „arbeitende Mitte“ aus, deren Themen am „Abendbrottisch“ sie | |
bedienen will. Der Inhalt ist wenig überraschend: NRW bleibt Industrieland; | |
die Klimawende muss kommen, aber sozial sein, Schulen und Infrastruktur | |
müssen erneuert werden. Ein großer Wurf ist das nicht, eher eine | |
Selbstvergewisserung. Die „neue SPD im Westen“, sie möchte schon auch gerne | |
wieder die Alte sein. | |
26 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Christian Werthschulte | |
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