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# taz.de -- Streik für den Vereinswechsel: Grauzone der Entmündigung
> Die moralische Ächtung von Fußballern, die sich aus ihrem Vertrag
> streiken wollen, nimmt ab. Das ist gut so!
Bild: Will nicht mehr: Randal Kolo Muani ist bei Eintracht Frankfurt in den Str…
Im Fußball gleitet die Moral, welche die Mächtigen für sich gern in
Anspruch nehmen, schnell ins Groteske ab. Eine WM-Vergabe in ein
menschenrechtsverachtendes Land wird letztlich zur guten Tat umetikettiert,
weil sie ja globale Teilhabe stärkt.
Oder jüngstes Beispiel: [1][die Mutter des spanischen Fußballpräsidenten]
flüchtet für einen Hungerstreik in ein Gotteshaus und bekundet ihre
Bereitschaft zu sterben, weil ihr so anständiger Sohnemann für einen
aufgedrückten Kuss so hart kritisiert wird und sein Amt zu verlieren droht.
Angesichts dieser absurden Ausschläge wurden die Eigenwilligkeiten, welche
dieser Tage die letzten Verhandlungen vor Schließung des Transferfensters
in den europäischen Topligen begleiteten, erstaunlich unaufgeregt
diskutiert.
Der französische Stürmer Randal Kolo Muani von Eintracht Frankfurt trat in
Trainingsstreik, weil er unbedingt zu Paris St.-Germain wechseln wollte –
letztlich mit Erfolg. Gut fanden das die Eintracht-Verantwortlichen
natürlich nicht, aber sie versicherten, dass Muani trotzdem ein guter Junge
sei, mit gutem Charakter. Und Eintracht-Spieler Mario Götze gab zu
bedenken, dass so etwas mittlerweile dazugehöre.
Ousmane Dembélé musste sich 2017 noch ganz anderes anhören, als er seine
Arbeit bei Borussia Dortmund einstellte, um seinen Transfer zum FC
Barcelona zu erzwingen. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke bilanzierte
hernach: „Unter charakterlichen und ethischen Gesichtspunkten war der Fall
Dembele katastrophal.“
## Tradition des individuellen Streiks
Offenbar hat es einen schleichenden Prozess der Gewöhnung gegeben. Dembele
war bei weitem nicht der Erste, der auf die Idee der Arbeitsverweigerung
kam, um persönliche Interessen zu unterstreichen. Dortmund etwa profitierte
1995 davon, als Heiko Herrlich sich zu den Borussen streikte. Und auch nach
Dembele wurde gestreikt. Pierre-Emerick Aubameyang und Filip Kostić
bedienten sich dieses Mittels ebenso wie Neymar, Coutinho oder Antoine
Griezmann.
[2][Es hat immer etwas Anrüchiges, wenn Millionäre streiken.] Aber auf der
anderen Seite sitzen ja keine Wohlfahrtsunternehmen. Das
Fußballtransfergeschäft musste sich nach dem Bosman-Urteil reformieren.
Denn der Europäische Gerichtshof beendete ein System der Entmündigung, in
dem Vereine den Wechsel von Spielern mutwillig verhindern konnten. Weil die
Klubs für Spieler, deren Verträge ausgelaufen sind, keine Ablösesummen mehr
einstreichen dürfen, versuchen sie nun über langfristige Verträge Gewinne
zu erzielen. Der unausgesprochene Deal zwischen Vereinen und Spielern ist,
dass man sie für angemessene Ablösesummen schon vorzeitig ziehen lässt. Was
angemessen ist, bestimmt der Verein.
[3][Das Bosman-Urteil] schuf zu Ungunsten der Vereinen einen Raum für die
Freiheit der Arbeitsplatzwahl der Spieler. Mit der Entwicklung zu den
langfristigen Verträgen wurde den Vereinen das Wirtschaften wieder leichter
gemacht, die Spieler ließen sich dafür erneut auf eine Grauzone der
Entmündigung ein.
In dieser ist nur juristisch klar, wer im Recht und wer im Unrecht ist. Wer
die Guten und wer die Bösen sind, ist dagegen keineswegs ausgemacht.
Zwischen allen Beteiligten findet ein Aushandlungsprozess statt, zu dem
mittlerweile auch das Mittel des individuellen Streiks zählt. Der abgebende
Verein darf sich mal als Geschädigter, mal als Profiteur fühlen.
Nur Vorteile hat ein solcher Streik für die Spieler selbst auch nicht. Das
sieht man allein daran, dass vergleichsweise doch selten zu diesem Mittel
gegriffen wird. Mit moralischer Entrüstung kommt man im
De-luxe-Menschenhandel nicht weit. Diese Erkenntnis drängt sich wohl immer
mehr auf.
3 Sep 2023
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## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Kolumne Press-Schlag
Transfer
Streik
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Oliver Kahn
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