Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Europäisches Urteil zu Transferregeln: Es ist noch kein Bosman-zwo
> Der Europäische Gerichtshof beanstandet Sanktionen für vertragsbrüchige
> Fußball-Profis als unverhältnismäßig. Doch kippen wird das System wohl
> nicht.
Bild: Lassana Diarra im Jahr 2018 im Dress von Paris Saint-Germain
Manche sprechen schon von einem [1][Bosman]-2-Urteil, doch das ist noch
verfrüht. Die neue Entscheidung des [2][Europäischen Gerichtshofs] (EuGH)
ist zwar geeignet, den internationalen Transfermarkt im Profifußball
durcheinanderzurütteln, das Ausmaß wird sich aber erst in den kommenden
Monaten oder gar Jahren zeigen.
Das Bosman-Urteil: 1995 entschied der EuGH im [3][Fall] des belgischen
Fußballers Jean-Marc Bosman, dass bei einem Vereinswechsel nach
Vertragsende keine Ablöse verlangt werden darf. Seitdem schließen die
Vereine gerne besonders lang laufende Verträge ab, sodass ein Wechsel meist
während der Vertragslaufzeit stattfindet und Ablösesummen verlangt werden
können. Im neuen EuGH-Fall ging es um die Frage, ob die Fifa-Transferregeln
einen Wechsel während der Vertragslaufzeit unnötig erschweren.
Der Fall: Der französische Nationalspieler [4][Lassane Diarra] schloss 2013
einen 4-Jahres-Vertrag mit Lok Moskau. Nach einem Streit mit dem Trainer
kürzte der Verein sein Gehalt, Diarra erschien nicht mehr zum Training. Lok
Moskau warf ihm vor, dass er vertragsbrüchig geworden sei. Diarra suchte
und bekam ein Angebot vom belgischen Erstligisten Sporting Charleroi, der
dann aber wegen drohender Fifa-Sanktionen auf die Verpflichtung
verzichtete. Erst ein Jahr später fand Diarra mit Olympique Marseille einen
neuen Verein.
Die Fifa-Regeln: Erstens muss ein Spieler, der ohne triftigen Grund seinen
Vertrag bricht, dem alten Verein eine Entschädigung bezahlen. Für diese
Entschädigung haftet auch der neue Verein. Zweitens kann der nationale
Fußballverband des alten Vereins bei einem vertragsbrüchigen Spieler die
internationale Freigabe verweigern. Und drittens kann der neue Verein ein
Jahr lang keine neuen Spieler verpflichten, wenn er nicht die Vermutung
widerlegen kann, er habe Spieler zum Vertragsbruch angestiftet.
Das Urteil: Der Europäische Gerichtshof entschied, dass diese Fifa-Regeln
für vertragsbrüchige Spieler in ihrer Gesamtheit gegen EU-Recht verstoßen.
Sie verletzen das Recht auf internationale Freizügigkeit (Artikel 45
EU-Arbeitsvertrag) und das EU-Kartellrecht (Artikel 101 EU-Arbeitsvertrag.
Der EuGH erkannte zwar an, dass bei Profisportwettbewerben ein „gewisser
Grad an Beständigkeit“ der Mannschaften sichergestellt werden muss, doch
die Fifa-Transferregeln seien darüber hinausgegangen und daher
unverhältnismäßig. Sie belasteten die wechselwilligen Spieler und die
aufnahmebereiten Vereine mit zu großen Risiken.
Wie weiter: Das Berufungsgericht im belgischen Mons, das dem EuGH den Fall
zur Klärung der EU-rechtlichen Fragen vorgelegt hatte, muss nun
entscheiden, ob Diarra von der Fifa Schadenersatz bekommt, weil der Wechsel
zu Sporting Charleroi wegen der rechtswidrigen Fifa-Transferregeln nicht
zustande kam. Und wenn die Fifa nicht ständig verklagt werden will, muss
sie ihre Regeln entschärfen. Der EuGH machte aber keine konkreten Vorgaben,
wie die neuen Regeln aussehen sollen.
Die Ablösesummen: Wenn ein Spieler während der Vertragslaufzeit ohne große
sportliche und finanzielle Sanktionen zu einem Verein wechseln kann, der
ihm ein besseres Gehalt zahlt, dann hat der neue Verein keine Veranlassung,
dem alten Verein eine Ablösesumme zu bezahlen, die höher ist als die
fällige Entschädigung. Das wäre vor allem für kleine Vereine schlecht, die
beim Verlust ihrer besten Spieler bisher wenigstens mit der Ablösesumme
viel Geld einnehmen konnten. Um das zu vermeiden, wird die Fifa wohl
versuchen, in ihren Regeln die Sanktionen für vertragsbrüchige Spieler
möglichst wenig einzuschränken, etwa indem sie nur die Berechnung der
Entschädigung transparenter macht. Nur wenn der EuGH die
Fifa-Transferregeln dann immer noch beanstandet, dürfte es größere
Änderungen im Fußball-Transfermarkt geben.
7 Oct 2024
## LINKS
[1] /20-Jahre-Bosman-Urteil/!5257278
[2] /Europaeischer-Gerichtshof/!t5009204
[3] /Durchgelesen-und-abgelegt/!1377473/
[4] /!6034932/
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Transfer
Fifa
Europäischer Gerichtshof
Fußball
Kolumne Press-Schlag
Fußballvereine
Fußball
## ARTIKEL ZUM THEMA
Streik für den Vereinswechsel: Grauzone der Entmündigung
Die moralische Ächtung von Fußballern, die sich aus ihrem Vertrag streiken
wollen, nimmt ab. Das ist gut so!
Kolumne Über Ball und die Welt: Premier League bald ohne Bosmans?
Der Brexit könnte auch die Zukunft des britischen Fußballs ändern. Fast die
Hälfte der Premier-League-Spieler kommt aus dem Ausland.
20 Jahre Bosman-Urteil: Opfer der Maschinerie
Das Bosman-Urteil, das vor 20 Jahren erging, hat den Profifußball radikal
verändert. Der Belgier Jean-Marc Bosman konnte davon kaum profitieren.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.