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# taz.de -- Gerichtsverfahren gegen Donald Trump: Die völlige Verblödung
> Die juristischen Probleme schaden dem Ex-Präsidenten bisher nicht, in
> Umfragen liegt er weit vorn. Auch andere Kandidaten sehen Fakten eher
> locker.
Bild: Er ist nicht allein: Polizeibilder von Trump und mit ihm angeklagten Poli…
Wenn es Wochen gibt, die eine Vorahnung darauf geben, was in den
darauffolgenden Monaten in den USA zu erwarten ist, dann war das so eine.
Knapp 15 Monate vor der nächsten Präsidentschaftswahl musste [1][der
führende Kandidat für die republikanische Nominierung im Gefängnis
vorstellig werden] und 200.000 Dollar Kaution hinterlegen, um nicht da
bleiben zu müssen.
[2][Und nur wenige Stunden zuvor zankten sich acht weitere
Kandidat*innen – sieben Männer und eine Frau – vor den Kameras des
konservativen Senders Fox News in einem Event, das fälschlich „Debatte“
genannt wurde], mit einer politischen Diskussion unter kenntnisreichen
Erwachsenen aber wenig zu tun hatte.
Unter einigermaßen normalen Umständen hätten die US-Republikaner*innen so
innerhalb von nur 24 Stunden aller Welt gezeigt, dass sie vollkommen
unwählbar sind.
Aber die Umstände sind andere. Donald Trump, der inzwischen [3][mit vier
Strafverfahren kämpfende Ex-Präsident], liegt in allen Umfragen unter
republikanischen Wähler*innen haushoch in Führung. Die Anklagen haben
ihm nicht geschadet. Im Gegenteil.
Und selbst die meisten jener, die so tun, als wollten sie statt seiner für
die Republikaner*innen im November 2024 gegen Joe Biden antreten,
bekräftigen Trumps absurde Behauptung, all die Strafverfahren seien
lediglich der Versuch der Biden-Regierung, mit der Waffe der Justiz einen
politischen Widersacher zur Strecke zu bringen.
Es ist eine absurde Situation: Die USA demonstrieren gleichzeitig, dass ein
Rechtssystem funktioniert und niemand über dem Gesetz steht – und das
exakte Gegenteil. Wenn die Mehrheit der politischen Führung und der
Anhänger*innen einer der zwei national relevanten Parteien die
Legitimität unabhängiger Justiz in Frage stellen, dann ist das mehr, als
ein System vertragen kann.
Auf der Diskursebene haben Trump – und seine Nachahmer*innen weltweit –
die ewige Rolle des Opfers für sich gepachtet. Ein „Deep State“, so die
Erzählung, also ein nicht demokratisch kontrollierter, nicht näher
definierten „Elite“-Interessen dienender Apparat, verhindere jede
Veränderung zugunsten eines angenommenen Volkswillens. Dazu seien dem
System alle Mittel recht, insbesondere die Kontrolle der Medien und eben
der Justiz.
Dieses Framing bringt die größte Errungenschaft gefestigter
parlamentarischer Demokratien ins Wanken: Das Vertrauen in den Rechtsstaat
– also einen Staat, der sich an das Recht hält. Ist das aber erst einmal
eingerissen, ist es mit der Demokratie nicht mehr weit her, ihrer
Zerstörung von innen sind dann kaum noch Grenzen gesetzt.
## Aufmerksamkeit um jeden Preis
Aber das ist nur eines der Dinge, die aus den medialen Ereignissen dieser
frappierenden Woche in den USA zu lernen sind. Die sogenannte Debatte jener
acht Kandidat*innen, der Trump selbst lieber fern blieb, zeigte noch etwas
anderes: Der Infantilisierung und Verschrillung des öffentlichen
politischen Diskurses scheinen keine Grenzen mehr gesetzt zu sein.
Donald Trump hat in seinen vier Jahren im Weißen Haus gezeigt, dass es
möglich ist, Präsident zu sein, ohne auch nur in einem einzigen Moment
staatsmännisch aufzutreten. Zuvor hatte er vollkommen unerwartet die
republikanischen Vorwahlen mit einem einzigen Trick gewonnen:
Aufmerksamkeit erzeugen um jeden Preis. So sehr Trump die Medien angriff,
so sehr hatte er doch verstanden, wie sie funktionieren. Und sich das
zunutze gemacht.
## Klimawandel gibt es nicht
Und so ist es nicht verwunderlich, dass auf der Bühne bei der
republikanischen Kandidat*innendebatte in Milwaukee am vergangenen
Mittwoch ausgerechnet jener von den meisten Kommentatoren zum
Debattensieger erklärt wurde, der diese Methode am perfektesten kopierte:
Der 38-jährige Unternehmer Vivek Ramaswamy erklärte, er sei der einzige
nicht von fremden Interessen bezahlte Kandidat, Klimawandel sei ein „Hoax“,
ein Schwindel.
Es würden mehr Menschen an der Anti-Karbonisierungspolitik sterben als an
den Folgen der Erderwärmung, die Militärhilfe für die Ukraine müsse
gestoppt und das Militär stattdessen zur Migrantenabwehr an die
US-Südgrenze geschickt werden. Außerdem: Man kenne bis heute nicht die
Wahrheit über die Hintergründe der Anschläge vom 11. September 2001 und die
USA sollten aufhören, Israel zu unterstützen.
Das war noch ein bisschen verrückter als Trumps Versprechen von 2016, er
werde eine Mauer bauen, für die Mexiko bezahlen würde, Muslime nicht mehr
ins Land lassen und dafür sorgen, dass Hillary Clinton im Gefängnis lande,
aber es funktionierte.
Vollkommen erwartbar zog Ramaswamy wütende Angriffe aller anderen
Kandidat*innen auf sich, was wiederum gut für ihn war: Nach den Regeln
der Debatte darf sich verteidigen, wer angegriffen wird, und so bekam er
mehr Sendezeit. Wer vor der Debatte noch nie von ihm gehört hatte, hat ihn
jetzt auf dem Schirm. Dass er außerdem erklärte, Donald Trump unmittelbar
zu begnadigen, brachte ihm auch noch einen freundlichen Kommentar des
Frontrunners ein.
[4][Der liegt indes auch nach der Debatte mit rund 54 Prozent Zustimmung
unter der republikanischen Wähler*innenschaft so weit vorn], dass
niemand das Gefühl hatte, in Milwaukee werde ernsthaft um die Kandidatur
gestritten. Stattdessen waren sich die meisten Analysten einig in der
Einschätzung, es ginge eher um die Möglichkeit einer Berufung zum „Running
Mate“, also der Vizepräsidentschaftskandidatur, beim Kandidaten Trump.
Lediglich Chris Christie, Ex-Gouverneur von New Jersey, Mike Pence, Trumps
früherer Vize, und Asa Hutchinson, Ex-Gouverneur von Arkansas, grenzten
sich so klar von Trump ab, dass sie dafür nicht in Frage kommen – aber ihre
Chancen auf einen Sieg in den Vorwahlen gehen gegen Null.
Im Ergebnis heißt das aber: Bis beim sogenannten Super Tuesday am 5. März
2024, an dem republikanische Vorwahlen in 15 Bundesstaaten gleichzeitig
stattfinden, die Kandidatur endgültig entschieden sein dürfte, wird der
öffentliche Diskurs auf allen Kanälen geflutet mit politischen Forderungen
und „alternativen Fakten“, die sich samt und sonders im Rahmen des
Trumpismus bewegen oder gar noch schriller sind als das Original.
## Verblödung politischer Debatten
Was da auf die Welt zurollt, ist eine neue Welle der Verflachung und
Verblödung der politischen Debatte. Das wiederum hat selbst dann Folgen,
wenn Joe Biden im November 2024 klar wiedergewählt werden sollte. Denn die
multiplen Krisen, allen voran die Klimakrise, verlangen überall auf der
Welt komplizierte gesellschaftliche Aushandlungsprozesse und offene
Debatten.
Notwendige Transformationen sind aber nicht zu bewerkstelligen, wenn
wesentliche Akteur*innen sich von ernsthafter Diskussion verabschieden
und ihre Anhänger*innen gleich mit in die Parallelwelt der alternativen
Fakten ziehen. Der Schaden ist größer als womöglich das Wahlergebnis.
Dazu kommt: Die USA sind nicht irgendein Land. Irrsinnige Wahlkämpfe mit
befremdlichen Forderungen gibt es in vielen Teilen der Welt – aber kaum
irgendwo können sie eine solche internationale Strahlkraft entwickeln. Was
in den USA politisch geschieht, kommt auch in Europa an – zum Teil dank
digitaler Vernetzung auch in umgekehrter Richtung. Das heißt: Wenn in den
USA Grenzen des Sag- und Denkbaren eingerissen werden, werden sie auch in
Europas Demokratien brüchig.
Das ist zum Teil gezielt und gewollt: Nicht umsonst taten sowohl Trumps
einstiger Chefstratege Steve Bannon als auch sein zeitweiliger Botschafter
in Deutschland, Richard Grenell, viel dafür, rechtsnationalistische
Bewegungen und Parteien in Europa zu vernetzen. Nicht umsonst gleichen sich
die Diskurse und die Verschwörungserzählungen an, von der Warnung vor dem
„Great Reset“ bis zum angeblich geplanten „Bevölkerungsaustausch“.
Bemerkenswert ist in den USA, dass die Republikaner*innen laut nahezu
aller Umfragen am allerwenigsten mit dem punkten können, was zumindest
etliche von ihnen in den Mittelpunkt ihrer Politik gestellt haben:
Anti-Abtreibung, verstaubte Familienbilder, „Anti-Wokeness“. Im Mittelpunkt
der Sorgen stehen Inflation und Wirtschaft, gefolgt tatsächlich von
Migration.
Das kann die Biden-Regierung ernstnehmen und schlicht versuchen, durch
möglichst gute Regierungspolitik Abhilfe zu schaffen. Nur: Das mag eine
notwendige Bedingung dafür sein, den grassierenden Irrsinn einzudämmen. Ob
es reicht, Menschen aus dem Rabbit Hole der Parallelwelt zu reintegrieren,
ist keineswegs gesichert.
25 Aug 2023
## LINKS
[1] /Trump-stellt-sich-Behoerden-in-Georgia/!5955975
[2] /US-Republikaner-im-Vorwahlkampf/!5951199
[3] /Donald-Trump-in-Georgia-angeklagt/!5954114
[4] https://www.spiegel.de/ausland/us-wahl-2024-aktuelle-umfragen-kandidaten-bi…
## AUTOREN
Bernd Pickert
## TAGS
USA
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US-Präsidentschaftswahl 2024
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Donald Trump
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US-Wahl 2024
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