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# taz.de -- Nutzung von Mobilitätsdaten im Nahverkehr: Wann kommt denn der Bus?
> Die Bundesregierung will Mobilitätsdaten stärker nutzen, um den
> öffentlichen Nahverkehr zu verbessern. Werden wir nun zu gläsernen
> Reisenden?
Bild: Noch kommt der Bus oft, wann er halt kommt
Was sind Mobilitätsdaten?
Wie viel Verspätung hat der Bus? Und wie voll ist er? Gibt es alternativ
einen E-Roller zum Ausleihen in der Gegend? Und wenn es doch das Auto sein
soll – wer hat eigentlich Zugriff auf [1][Daten zu Sitzeinstellungen oder
zum Fahrverhalten]? All das fällt unter Mobilitätsdaten.
Wo liegen diese Daten?
Manche Daten gehören zu konkreten Personen, zum Beispiel Daten zum
Fahrverhalten. Andere haben keinen Personenbezug, etwa Daten aus Fahrplänen
oder zu Verbindungen. Es gibt auch Daten, die ursprünglich mit
Personenbezug anfallen, doch sind sie vor allem in der Masse und
anonymisiert für die Öffentlichkeit interessant – zum Beispiel Daten zur
Verkehrssituation, die aus Navigationsdiensten gewonnen werden.
Manche Daten liegen bei Privatunternehmen – zum Beispiel bei Anbietern von
Carsharing-Fahrzeugen, E-Rollern oder Leihrädern. Andere liegen vorwiegend
bei öffentlichen Unternehmen, etwa Daten vom öffentlichen Nahverkehr.
Wieder andere befinden sich in der Hand von Behörden, etwa Informationen
über Baustellen. Unter das neue Gesetz sollen jedoch nicht alle diese Daten
fallen – für Fahrzeugdaten etwa soll es nicht gelten.
Warum braucht es ein Gesetz?
Die grundsätzliche Idee eines Mobilitätsdatengesetzes ist es, zu regeln,
wer welche Daten unter welchen Bedingungen bereitstellen muss und wer sie
nutzen kann. [2][Verkehrsminister Volker Wissing] (FDP) nannte zum Start
des Beteiligungsverfahrens im vergangenen Herbst zwei Beispiele:
„Mobilitätsdaten helfen etwa Kommunen, ihr ÖPNV-Angebot zu verbessern.
Und sie helfen Pendlern dabei, einfach per App den für sie besten
Verkehrsmittelmix für den Weg von der Haustür bis zur Arbeit zu finden“. Es
gibt aber auch eine Reihe von EU-Vorschriften, die die Bundesregierung
umsetzen muss, zum Beispiel was die Rahmenbedingungen für die
Datenbereitstellung angeht oder die Schnittstellen zu anderen
Verkehrsträgern.
Welche Alltagsprobleme könnte das Gesetz lösen?
Ein Beispiel: Wer eine Fahrt mit mehreren Verkehrsmitteln – Nah- und
Fernverkehr, vielleicht noch ein Leihrad oder ein Carsharing-Fahrzeug –
buchen will, muss dafür mehrere Apps oder Onlineportale nutzen. Oder
dieses: Jemand möchte auf einer Reise darauf achten, möglichst wenig volle
Busse und Bahnen zu nutzen. Doch Auslastungsinformationen sind gerade im
öffentlichen Nahverkehr eher die Ausnahme – ebenso wie Echtzeitdaten über
Ankunfts- und Abfahrtszeiten. „Mit mehr Daten werden auch noch gute Ideen
entstehen, die wir uns heute noch nicht einmal ausmalen können“, sagt
Marion Jungbluth, Verkehrsexpertin vom Verbraucherzentrale Bundesverband.
Was plant die Bundesregierung?
Nach einem Stakeholderprozess, worin Verbände und Unternehmen aus der
Branche die Gelegenheit zur Stellungnahme hatten, hat das Bundesministerium
für Digitales und Verkehr (BMDV) Ende Juli nun ein erstes
[3][Eckpunktepapier] vorgelegt. Es ist – wie bei Eckpunktepapieren üblich –
in weiten Bereichen noch vage. Doch ein paar konkrete Punkte stehen schon
drin. So sollen Verkehrsunternehmen beispielsweise dazu verpflichtet
werden, Daten über die Auslastung ihrer Busse oder Bahnen bereitzustellen –
allerdings nur dann, wenn sie sie auch erheben.
Für all diese Daten gilt: Sie sollen laut dem Eckpunktepapier „offen, ohne
Registrierung zugänglich und grundsätzlich kostenlos“ bereitgestellt
werden. Es soll eine Behörde bestimmt werden, die Beschwerden entgegennimmt
und Verstöße gegen die Vorgaben sanktioniert. Bußgelder sollen aber nur das
letzte Mittel sein. Bis Jahresende will das Ministerium einen
Referentenentwurf zu dem Gesetz vorlegen.
Wie sieht es aktuell aus in Sachen Zugänglichkeit von öffentlichen
Verkehrsdaten?
Durchwachsen. Welche Daten zugänglich sind und ob die, die einen gerade
interessieren, dazugehören, ist häufig Glücksache. Eine gute Übersicht
bietet die Website [4][mobilithek.info], die das Bundesverkehrsministerium
vor einem Jahr gestartet hat. Sie macht auch die Lücken sichtbar. Es ist zu
sehen, welche Regionen etwa Daten zu Car- und Bikesharing veröffentlichen
und welche nicht. Oder dass Frankfurt am Main als einzige Stadt
Verkehrsmeldungen zum Fahrradverkehr über das Portal bereitstellt. Auch
nach Echtzeitdaten des öffentlichen Nahverkehrs werden Nutzer:innen in
vielen Regionen vergeblich suchen.
Welche Punkte des geplanten Gesetzes sind umstritten?
Die verschiedenen Interessenverbände debattieren derzeit über eine Reihe
von Dingen. Ein Beispiel dafür, wie tief die Konflikte gehen, ist die
Diskussion über Echtzeitdaten zur Auslastung von Bussen und Bahnen. Der
Verbraucherzentrale Bundesverband kritisiert, dass nur Unternehmen diese
Daten bereitstellen müssen, die sie ohnehin erheben. Für Reisende wäre das
ein Nachteil. Der Verband fordert daher, dass alle Unternehmen die Daten
erheben und zur Verfügung stellen müssen.
Dagegen wehren sich jedoch die Verkehrsunternehmen. Sie fürchten die Kosten
für die Umsetzung und Wettbewerbsnachteile, denn die Daten wären auch von
potenziellen Konkurrenten einsehbar. Der Verband Deutscher
Verkehrsunternehmen argumentiert in seiner Stellungnahme zu dem
Eckpunktepapier, dass mit den Auslastungsdaten im öffentlichen Nahverkehr
ohnehin keine Fahrgastlenkung erfolge und „die theoretische Diskussion um
die vorgetragenen Mehrwerte deutlich überzogen“ sei. Das hält
Verbraucherschützerin Jungbluth für falsch: „Die Pandemie hat gezeigt, dass
Auslastungsdaten durchaus eine wichtige Information sind.“
Werden wir nun alle gläserne Reisende?
Das ist noch nicht ganz klar. Der Verbraucherzentrale Bundesverband
kritisiert: „Die Eckpunkte verpassen die Chance, Grundsätze zur
Anonymisierung und verbesserter Transparenz für Mobilitätsdaten
festzuschreiben.“ Es brauche eine gesetzliche Vorgabe zur Anonymisierung
von Mobilitätsdaten. Dafür müsse es klare Anforderungen und Schutzkonzepte
geben, die auch verhindern, dass sich Daten doch wieder Personen zuordnen
lassen. Tatsächlich sind Mobilitätsdaten deutlich einfacher zu
de-anonymisieren, als es auf den ersten Blick scheinen mag.
Das liegt daran, dass unsere Bewegungsmuster erstaunlich individuell sind.
Schon 2013 [5][gelang es Forscher:innen] der Harvard-Universität und des
Massachusetts Institute of Technology, aus einem Pool von Daten von 1,5
Millionen Personen mit nur vier zufällig ausgewählten Kombinationen von Ort
und Zeit 95 Prozent der Personen zu identifizieren. Mit höchstens elf
Ort-Zeit-Punkten gelang ihnen das für jede Person.
Was ist mit den Daten von Autofahrer:innen?
Die aktuellen Generationen der Pkws sind echte Datensammler: Von
Sitzeinstellungen über das Fahrverhalten bis zu den Gurtstraffungen, die
auf abruptes Bremsen hindeuten, erheben sie eine ganze Reihe an Daten.
Momentan haben die Hersteller den Zugriff auf diese Daten und geben diese
nur in ausgewählten Situationen weiter, zum Beispiel an Behörden oder
Versicherungen nach einem Unfall.
Die Bundesregierung argumentiert, die EU lege dazu demnächst eine Regelung
vor, der wolle man nicht vorgreifen. Doch Verbraucherschützerin Jungbluth
rechnet nicht so bald damit und fordert daher, die Fahrzeugdaten in das
deutsche Gesetz einzubeziehen. Ihr Vorschlag: Die Daten sollen nicht mehr
bei den Herstellern liegen, sondern bei einem Treuhänder; und wer die Daten
nutzen will, muss sich vorher bei der Person, zu der die Daten gehören, das
Okay holen.
Was würde das für die Branche bedeuten?
Das wäre ein deutlicher Umbruch. Denn momentan ist es selbst für die
Autobesitzer:innen schwierig bis unmöglich, an die eigenen
Fahrzeugdaten heranzukommen. Das zeigt ein Versuch, den die
Computerzeitschrift c’t 2022 veröffentlichte. Und auch darüber, welche
Daten überhaupt erhoben und wie lange sie gespeichert werden, herrscht kaum
Transparenz.
Jungbluth hofft, dass Fahrzeugdaten auch dabei helfen können, den
öffentlichen Nahverkehr attraktiver zu machen: zum Beispiel, indem sich
Bedarfe erkennen lassen, die aktuell noch nicht – etwa durch eine Buslinie
– abgedeckt werden; oder indem Daten aufzeigen, wann etwa ein Stau zu
Verspätungen eines Busses führen könnte.
26 Aug 2023
## LINKS
[1] /Verbraucherschuetzerin-ueber-vernetzte-Pkw/!5755748
[2] /Verbaende-fuer-Klima-Kurskorrektur/!5955678
[3] https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Anlage/K/eckpunkte-mobilitaetsdatengeset…
[4] https://mobilithek.info/
[5] /Bewegungsdaten-von-Mobiltelefonen/!5070185
## AUTOREN
Svenja Bergt
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