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# taz.de -- Das andere Achtziger-Berlin: Die Letzte Generation von Goths
> In einem neuen Buch wird das Mauerstadtberlin mal nicht als Ort des
> Postpunks beschrieben, sondern des Goths. David Bowie darf aber auch da
> nicht fehlen.
Bild: Die Gothic-Szene kennt ein Faible fürs Dunkle
Nick Cave traf man ständig, wenn man sich in den mittleren Achtzigern in
den einschlägigen Läden zwischen Kreuzberg und Schöneberg herumtrieb. So
beschreibt das Horrorfilm-Regisseur Jörg Buttgereit in seinen [1][jüngst
erschienenen Erinnerungen]. Cave ist heute ein Popstar, auf dessen Konzerte
ganze Familien pilgern, er wird geliebt von Jung und Alt. Damals war er ein
Bürgerschreck und Junkie. Und er war ein Goth. Im eben erschienen Buch
„Season of the Witch. The Book of Goth“ von der britischen Autorin Cathi
Unsworth ist Cave gar einer der Obergoths und Berlin eines der Zentren
dieser jugendkulturellen Bewegung, die in den Achtzigern ihre Hochzeit
hatte.
Interessant ist es schon, dass in dem Buch das sagenumwobene
Mauerstadtberlin einmal nicht als Ort des New Wave oder Postpunks
beschrieben wird, sondern des Goths. Natürlich lässt sich einwenden, dass
Letzterer auch nur eine bestimmte Form des Postpunks war. Aber Unsworth
gelingt es durchaus, dieses Phänomen als eigene Bewegung einzufangen.
Für Berlin als Goth-Stadt bedeutet das für sie: Martin Kippenberger spielt
eher keine Rolle, dafür der Geist von Nico, [2][die im Grunewald begraben
wurde] und deren Musik wirklich nicht halb so witzig war wie die Kunst
Kippenbergers. Und ein Film wie „Der Himmel über Berlin“ von Wim Wenders
mit all seinen Engeln und den Ausschnitten eines Konzerts von Nick Cave
wird als perfekter Gothfilm gewertschätzt. Das gleiche Werk also, das Jörg
Buttgereit, der einstige Punk, in seiner Autobiografie absolut verachtet.
Bei der Lektüre von Unsworths Buch habe ich das Gefühl, ich lerne die ganze
Berlin-in-den-Achtzigern-Geschichte nochmals neu und anders kennen. David
Bowie ist hier nicht der Typ, der seinen größten Auftritt in einem Film in
„Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ hatte, sondern in „Hunger“ an der Seite von
Catherine Deneuve, wo er einen Vampir spielte. Und Goths lieben natürlich
Vampire.
Mit den Achtzigern und letztlich auch mit dem Fall der Mauer und vor allem
mit dem Abgang Margaret Thatchers als Premierministerin 1990 endet für
Unsworth die Ära der Goths. Techno kam, und in Großbritannien, dem
Mutterland des Goth, musste man sich an der konservativen und neoliberalen
Thatcher, wegen der, gemäß Unsworth, all die Goths überhaupt so depressiv
wurden, nicht mehr weiter abarbeiten.
Geblieben ist von Goth heute in Berlin nicht mehr viel. Bowie tot, Cave
weg. Ein paar Klamottenläden für Goths gibt es noch und im Club Duncker in
Prenzlauer Berg wird jeden „Dark Monday“ auch die dunkle Musik von einst
weiter aufgelegt.
Die letzten wirklichen Goths aber sind vielleicht die Aktivisten und
Aktivistinnen der Letzten Generation, die die künftige Welt als ein
Jammertal beschreiben, wie es nicht einmal Nick Cave und die anderen
vermochten.
2 Aug 2023
## LINKS
[1] /Autobiografie-von-Joerg-Buttgereit/!5948602
[2] /Weihnachten-fuer-umme-15/!5899168
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Nick Cave
David Bowie
Gothic
Westberlin
Kolumne Durch die Nacht
zeitgenössische Kunst
Konzert
Gothic
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