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# taz.de -- BUND-Chef zur Tierwohl-Kommission: „Alle sind gefrustet“
> Die Expertenkommission für mehr Tierwohl gibt auf. BUND-Chef Olaf Bandt
> hält das für falsch. Sie sei das einzige glaubwürdige Gremium gewesen.
Bild: An ihm hat es nicht gelegen: Die Borchert-Kommission löst sich auf
taz: Die [1][Expertenkommission], die die Bundesregierung unterstützen
soll, damit es Schweinen, Hühnern und Rindern in Deutschlands Ställen
besser geht, hat sich diese Woche überraschend aufgelöst. Sie saßen in
diesem sogenannten Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung oder auch
Borchert-Kommission genannten Gremium und waren einer von zwei der 29
Mitglieder, die gegen das Aus gestimmt haben.
Olaf Bandt: Überraschend war das gar nicht. Es hat schon länger Gezicke und
Ärger gegeben. Alle sind gefrustet, dass die Politik nicht macht, was wir
ihnen aufgeschrieben haben.
Sie haben mit der [2][Kommission vorgerechnet], dass ab 2025 jedes Jahr 1,2
Milliarden Euro, mit zunehmendem Umbau dann immer mehr und ab 2040 bis zu 4
Milliarden aufgebracht werden müssen. Damit sollen Landwirte ihre Ställe
tiergerecht umbauen, sich mehr um die Tiere kümmern, auch Stroh kaufen
können. Geld war der Knackpunkt?
Den Landwirten fehlt die langfristige Finanzzusage, sie wollten ein Zeichen
setzen. Der Entwurf des Bundeshaushalts 2024 von FDP-Bundesfinanzminister
Christian Lindner lasse da keinen notwendigen Durchbruch erkennen,
argumentieren sie.
Sie sehen das anders? Als Umweltschützer dürfte ihnen der Umbau der Ställe
doch auch zu langsam gehen.
Sicher, aber darum die Kommission platzen zu lassen, das halte ich für
falsch. Sie ist das einzige glaubwürdige Gremium, das ausloten kann, wie
die Landwirtschaft der Zukunft aussehen kann. Da standen sich Landwirte und
Naturschützer ja lange Zeit unversöhnlich gegenüber. In der Kommission aber
kamen alle zusammen, der Deutsche Bauernverband, die Verbände der Umwelt-
und Tierschützer, Händler und Nahrungsmittelhersteller sowie führende
Wissenschaftler.
Die Bauern sind aber in der Falle. Sollen sie für mehr Platz, Auslauf und
frische Luft für ihre Tiere sorgen, müssen sie investieren. Der Handel
zahlt ihnen aber nicht mehr. Und der grüne Agrarminister Cem Özdemir kann
das nötige Geld nicht organisieren.
Die Kommission ist schon im Jahr 2019 von CDU-Bundesagrarministerin Julia
Klöckner, die vor dem grünen Cem Özdemir das Amt innehatte, eingesetzt
worden. Man kann das nicht alles ihm anlasten.
Die Bundesregierung hat bisher nur einen Anschub von 1 Milliarde Euro
beschlossen.
Das ist zu wenig, ja. Aber es geht ja auch um einen langfristigen
politischen Plan. Und die höheren Kosten für das Mehr an Tierwohl sollten
nie nur durch Staatsgeld ausgeglichen werden. Finanzlücken sollten – das
war Konsens in der Kommission – immer auch über eine Tierwohlabgabe
geschlossen werden.
Im Gespräch waren 40 Cent pro Kilogramm Fleisch und Wurst, 2 Cent pro Liter
Milch, 15 Cent pro Kilo Käse und Butter.
Aber dann kamen der Ukrainekrieg, Energiekrise und Inflation. Da konnte die
Ampelkoalition die Tierwohlabgabe nicht noch draufsetzen. Das kann man erst
mal verstehen. Der größere Mittelbedarf wird ohnehin erst ab dem Jahr 2025
anfallen.
Der einstige CDU-Agrarminister Jochen Borchert hat die Expertenkommission
geleitet. Als sie 2020 erstmals Vorschläge zum Umbau der Tierhaltung
vorlegte, galt das auch als sein Erfolg. Ihre Auflösung konnte aber auch er
nicht verhindern?
Mit der Vorlage des Empfehlungspapiers war für ihn die Hauptarbeit eher
erledigt. Er selbst wollte auch das Aus.
Hat er nicht recht, dass jetzt die Politik dran ist, weil alle wissen, was
zu tun ist?
Der Umbau der Tierhaltung ist nicht von heute auf morgen gemacht. Zwar
kommt jetzt ein staatliches [3][Tierwohllabel], damit Verbraucher erkennen,
unter welchen Bedingungen die Tiere halten werden, von denen das Fleisch im
Supermarkt stammt. Aber das gilt zunächst nur für Schweine.
Was hätte die Kommission eigentlich als nächstes beackern müssen?
Was heißt tierfreundlicher Umbau im Rinderstall, was im Hühnerstall? Wie
lässt sich die Tierwohlabgabe sozial gerecht gestalten? Das sind die Fragen
der Zukunft, für die auch die Politik einen großen gesellschaftlichen
Rückhalt braucht. Dafür wäre es besser gewesen, wenn alle im Gespräch
geblieben wären, also in der Kommission.
23 Aug 2023
## LINKS
[1] /Mehr-Umweltschutz-in-der-Landwirtschaft/!5883349
[2] /Streit-um-Gelder-fuer-Stallumbauten/!5880982
[3] /Cem-Oezdemirs-Fleischlabel/!5856619
## AUTOREN
Hanna Gersmann
## TAGS
Initiative Tierwohl
Cem Özdemir
Kommission
Naturschutz
Christian Lindner
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Hühner
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Moor
Landwirtschaft
Tierhaltung
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