| # taz.de -- Musterklage gegen Druckerhersteller HP: Sperren lassen Gewinne flie… | |
| > Ein US-Gericht geht auf eine Klage gegen HP ein. Dessen Geräte streiken, | |
| > wenn keine Tinte mehr da ist – auch beim Scannen. | |
| Bild: Marge von mehreren hundert Prozent: Druckertinte | |
| Berlin taz | Druckertinte zählt zu den teuersten Substanzen auf der Welt. | |
| Von den Herstellern wird sie mit allen, auch unlauter erscheinenden Mitteln | |
| an ihre Kund*innen gebracht. Seit der vergangenen Woche können zwei | |
| Kunden des Druckerherstellers HP aber einmal kräftig durchatmen und wenn | |
| sie Glück haben auch eine Menge Geld sparen: Gary Freund und Wayne McMath | |
| ist es gelungen, dass [1][ihre Musterklage] auf Schadenersatz gegen HP von | |
| einem Bundesgericht in Kalifornien angenommen wurde. | |
| Bei beiden, wie bei Hunderten, wenn nicht Tausenden anderen Nutzer*innen | |
| von Multifunktionsdruckern verweigerten die Geräte die erwartbare | |
| Funktionsweise. Sobald nämlich die Druckertinte zur Neige ging, stellten | |
| die Maschinen nicht nur den Ausdruck ein, nein, auch Versuche zu scannen | |
| oder zu faxen schlugen fehl. Eine Richterin folgte im nunmehr zweiten | |
| Anlauf der Klage der Argumentation, dass es „allgemein bekannt ist, dass es | |
| zum Scannen und Faxen von Dokumenten keiner Tinte bedarf“. | |
| Ob die Klage insgesamt jedoch Erfolg haben wird, ist völlig offen. In einem | |
| ähnlich gelagerten [2][Fall gegen Canon] gab sich der Kläger mit einer | |
| außergerichtlichen Einigung zufrieden, die weder einen Rechtsanspruch | |
| begründete noch die Praxis der absichtlichen und unbegründeten | |
| Außerfunktionssetzung der Drucker beendete. | |
| Dass so hart um praktisch jeden Milliliter Druckertinte gerungen wird, ist | |
| dabei kein Zufall. Für die Patronen Schwarz, Magenta, Gelb, Cyan werden | |
| vierstellige Literpreise kassiert. Die Gewinnmargen aus Tintenverkäufen | |
| bewegen sich so bei mehren Hundert Prozent. Auf diese Weise finanzieren | |
| Druckerhersteller die Lockangebote ihrer häufig unter dem Herstellungspreis | |
| verkauften Tintenstrahldrucker. Dazu müssen die Kund*innen jedoch | |
| gezwungen werden, immer wieder die teure Herstellertinte nachzukaufen. | |
| Dieses auf dem „loss lead“, also einem Anfangsverlust basierende | |
| Geschäftsmodell funktioniert nur mit robuster gesetzlicher Unterstützung. | |
| Unter dem Rückgriff nicht zuletzt auf das Urheberrecht wird das Prinzip der | |
| freien Kaufentscheidung genauso infrage gestellt wie das Eigentumsrecht an | |
| vollständig bezahlten Produkten. | |
| Druckerhersteller wie HP sind sicher nicht die einzigen Firmen, deren | |
| Selbstbedienungsmentalität jeglichen Schutz der Verbraucher*innen | |
| verhöhnen. Jedoch stehen sie schon länger an der vordersten Front der | |
| Versuche, ohne signifikante Innovation [3][das immer gleiche Produkt am | |
| besten mehrfach und zu sehr hohen Preisen zu verkaufen]. | |
| ## Ausschließlich Markenpapier | |
| Dymo, der Weltmarktführer im Bereich der Labeldrucker, hat das Spiel dabei | |
| auf eine neue Spitze getrieben: Da deren Technologie keine Tinte benötigt, | |
| der Zugang zu diesem endlosen Geldfluss also versperrt ist, verkauft das | |
| Unternehmen seit vergangenem Jahr Drucker, [4][die ausschließlich das | |
| Markenpapier aus eigener Herstellung verwenden]. | |
| Die Beschränkung auf Verbrauchsmaterialien aus eigener Produktion ist dabei | |
| eine rein artifizielle. Sie wird über extra implementierte Sperren, in der | |
| Regel auf der Softwareebene, realisiert. Nutzer*innen werden damit im | |
| Zugriff auf ihr Eigentum erheblich beschränkt, schreibt doch der Produzent | |
| vor, wie genau sie es zu nutzen haben. Versuche, die Sperren zu umgehen, | |
| sind zum Beispiel unter dem US-amerikanischen [5][Digital Millennium | |
| Copyright Act (DMCA)] ungesetzlich. | |
| Argumentiert wird damit, dass die Geräte zwar im vollständigen Eigentum der | |
| Käufer*innen seien, die Sperrsoftware jedoch dem Urheberrechtsschutz | |
| unterliege. Eine Veränderung dieser Software würde also die Rechte der | |
| Hersteller verletzen. Das DMCA wurde Ende der 1990er Jahre, vorgeblich zum | |
| Schutz der Kreativwirtschaft, vor allem der individuellen Urheber*innen | |
| eingeführt. In der Praxis aber wird es vor allem zur Entmündigung der | |
| Nutzer*innen und Profitmaximierung internationaler Konzerne verwendet. | |
| Dieser Missbrauch wird nicht beendet, selbst wenn den Klägern gegen HP in | |
| Kalifornien Schadenersatz zugesprochen werden sollte. Das könnte außerdem | |
| unter der Maßgabe geschehen, dass HP es lediglich versäumt hat, vorab | |
| darauf hinzuweisen, dass bei ihren Geräten ausschließlich nach Befüllung | |
| mit Tinte die sonstigen Funktionen nutzbar sind. Ein entsprechender Absatz | |
| in der Bedienungsanleitung würde dann für die absehbare Zukunft das | |
| prinzipielle Geschäftsgebaren des Druckerherstellers weiter unantastbar | |
| halten. | |
| 15 Aug 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://regmedia.co.uk/2023/08/11/freund-hp-amended-complaint.pdf | |
| [2] https://www.theverge.com/2023/8/11/23067867/canon-hp-class-action-lawsuit-s… | |
| [3] /Elektroschrott-vermeiden/!5858891 | |
| [4] https://www.derstandard.de/story/2000133406434/geldmacherei-druckerherstell… | |
| [5] /!1084722/ | |
| ## AUTOREN | |
| Daniél Kretschmar | |
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