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# taz.de -- Die Wahrheit: Widersprich nie einem Wüstenschiff!
> Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (175): Kamele sind
> friedfertige Herdentiere und verlaufen sich nie, werden sie menschlich
> behandelt.
Bild: Auf dem größten Kamelmarkt der Welt im indischen Pushkar tummeln sich t…
Die Kamele mit einem Höcker nennt man Dromedare und die mit zwei Höckern
Trampeltiere. Mein erster Kontakt mit ihnen verlief unbefriedigend: In der
Wüste Gobi sollte ich auf ein Kamel steigen, um durch eine Schlucht zu
reiten, an deren Ende sich ein sehenswürdiger Gletscher befand. Das
Trampeltier stank jedoch wie die Pest, vor allem aus dem Maul. Das kommt
daher, dass diese Tiere in der Gobi kein Gras fressen sondern eine Art
Schnittlauch, erfuhr ich, das sei ganz normal. Ich ging trotzdem lieber zu
Fuß zu dem kleinen Gletscher.
Die Kamele, an denen wir unterwegs vorbeifuhren, schienen mir ähnlich wild
wie die Dromedare in Australien zu leben, die ebenso wie die Schafe von den
Engländern als Nutztiere eingeführt, dann aber durch Motorkraft ersetzt
wurden, woraufhin man sie freiließ. Die in der Gobi würden jedoch noch
Besitzer haben, wurde mir versichert.
Ein Franzose zeigte uns, wie in seiner Fabrik aus Kamelhaar hochwertige
Stoffe hergestellt werden. Kamele sind Herdentiere. In Kairo, so wurde mir
erzählt, werden ganze Herden durch die Stadt getrieben. Sie folgen
gemächlich einem Leittier, das von einem Mann begleitet wird, zum
Schlachthof.
## Feministin mit Dromedaren
Die US-Feministin Robyn Davidson durchquerte mit einer Gruppe Dromedare die
australische Wüste, nachdem sie auf einer Kamelfarm eine Art
Kamelführerschein erworben hatte. Ihr „Projekt“ hatte etwas Absurdes, denn
an jeder Oase landete ein Hubschrauber mit einem Fotografen, der Bilder von
ihrer kleinen Karawane für National Geographic schoss und dann wieder
abflog.
Im starken Kontrast zu diesen Kamelgeschichten stehen Mohamed Yehdhih Ould
Breideleils „Maurische Geschichten: Von Menschen und Kamelen“ (2021). An
einer Stelle sagt darin ein alter Beduine: „Solange die Kamele nicht
sterben oder ernsthaft Hunger leiden, hat das Leben nichts Dramatisches.“
Sein „Rhythmus entspricht dem seiner Kamele, diesen Geschöpfen, die als
Tiere zu bezeichnen entwürdigend wäre“. Der „Rückzug von den Menschen“
machte ihn „glücklich und ausgeglichen. Seine Kamele sind friedlich.“
Als der Autor eine Gruppe von Lastkamelen samt Treiber durch einen Teil der
Sahara führt, wird es mangels Wasserlöchern allerdings „dramatisch“. Die
Kamele brechen aus der Karawane aus, man muss sie mühsam suchen. Fesseln
wären das Gegenteil einer „guten Behandlung“. Wenn man „einfach menschli…
zu ihnen ist, dann muss man wie ein Kamel unter Kamelen sein – und ihnen
„nicht widersprechen, das verletzt sie am meisten“. Zwar glauben manche,
man wolle nur verhindern, dass sie sich verlaufen, aber der alte Beduine
sagt, „Kamele verlaufen sich nie“. Er schafft es sogar im Verlauf eines
Tages, dass eine Stute, die ihr Kleines verloren hat, ein fremdes Fohlen
annimmt.
Davon handelt in etwa auch „Die Geschichte vom weinenden Kamel“, ein Film
über eine Nomadenfamilie in der Gobi, der ein weißes Kamel geboren wird,
das die Mutter nicht annehmen will. Mit einem Ritual und mit Musik wird sie
umgestimmt, wobei ihr die Tränen kommen. Es handelt sich bei der
„Dokumentation“ um eine „märchenhafte Geschichte“, schreibt das „Lex…
des internationalen Films“. Die Regisseurin Byambasuren Davaa erhielt von
den Amerikanern, die schon immer an Märchen geglaubt haben, prompt einen
Oscar für den besten Dokumentarfilm. Zu Recht, wie ich fand.
## Sonnenanbeter im Tierpark
Die Dromedare und Trampeltiere halten sich auf ihrer großen von
Wassergräben eingehegten Wiese im Tierpark meist weit entfernt von den
Besuchern auf. Sie liegen am liebsten in der Sonne und käuen wider. Zu
meiner Missbilligung liegen sie auch gern auf dem weichen Heu, das ihnen
ansonsten als Futter dient. Ähnlich verhalten sich im Übrigen auch die
südamerikanischen – höckerlosen – Kamele: Lamas, Alpakas, Guanakos und
Vicunjas im Tierpark.
Wenn die Geschichten über sie in den Anden spielen, dann geht es bei diesen
Kamelen nicht um horizontale, sondern eher um vertikale Unternehmungen. So
auch, wenn man die Vicunja-Familienverbände alle zwei Jahre zusammentreibt
und schert. Ihre Wolle ist feiner als Kaschmirwolle. „Die einzige Nahrung,
die Vikunjas zu sich nehmen, ist das harte, trockene Gras der Bergweiden“,
heißt es auf Wikipedia.
Heißt das, je härter das Leben ist, desto wertvoller wird es? Das könnte
glatt ein Wahlspruch der Rechten sein. Anders die englische Bäuerin und
Schriftstellerin Ruth Jeanette Ruck, deren Geschichte „Als das Lama zu uns
kam – und wie es unser Leben wunderbar durcheinanderbrachte“ (2022) voller
Lama-Verwöhnung ist.
Eine interessante Kamel-Geschichte hat auch der sowjetische Dichter
Dschingis Aitmatow erzählt – in: „Der Tag zieht den Jahrhundertweg“ (198…
Und zwar über einen unbändigen Kamelhengst, der entlang einer kasachischen
Eisenbahnstrecke die Bauern und ihre Kamelstuten belästigt. Was jedoch
nicht Aitmatows ganzen Roman ausmacht.
Vor Kurzem fuhr ich zum „Elefantenhof“ nach Platschow, wo in Mecklenburg
zwei Dromedare und sechs Trampeltiere leben. Einem Trampeltier begegnete
ich am Zaun auf Augenhöhe, es trank immer wieder ein bisschen Wasser aus
einer Wanne und roch angenehm. Ob es auch mir in die Augen sah, konnte ich
in seiner dunklen Iris nicht erkennen. Aber es wandte sich mir ausreichend
lange zu, um seinen Weggang nicht unhöflich erscheinen zu lassen.
Daraufhin widmete ich mich einem Trampeltier, das seinen Kopf über die
Absperrung reckte und mir etwas sagen wollte. Ich rupfte ihm am Wegrand
Gras, Klee und Schafgarbe. Die Gräser wurden gut angenommen, was mich
animierte, noch mehrere Hände voll zu pflücken. Wie viel frische Gräser
braucht so ein großes Tier, bis es „genug“ hat? Ich dachte an mein
Kaninchen, dem ich ebenfalls täglich Gräser gepflückt hatte. Die Lippen des
Trampeltiers waren weich und angenehm. Schließlich wand ich mich aber doch
von ihm ab, während es sich einem Haufen besonders beschmutztem Heu
widmete, dass es einen barmen konnte. Ich sagte: „Das ist jetzt aber
übertrieben.“ Woraufhin es den Placken fallen ließ.
## Spatzen im Dungparadies
Einige andere Tiere standen am Rande einer großen Sandkuhle, eins lag halb
drin. Es herrschte ideales Kamelwetter. Und trotz der vielen Kinder war es
angenehm unhektisch. Über die Köpfe der Kamele flogen Schwalben. Die
Spatzen sind auf dem „Elefantenhof“ in ihrem Paradies, der Kamel-Dung
findet ihr besonderes Interesse. Deutet das auf eine besonders schlechte
oder auf eine besonders gute Verdauung hin? Die Dunghaufen der acht
Trampeltiere und Dromedare lagen zu weit vom Zaun entfernt, um darauf
Hinweise zu finden.
7 Aug 2023
## AUTOREN
Helmut Höge
## TAGS
Tiere
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