# taz.de -- Krim-Tourismus in Kriegszeiten: Glauben an Sicherheit | |
> Viele Strände auf der Krim sind gesperrt oder vermint. Doch weil | |
> russische Medien kaum darüber berichten, erfahren viele Russen davon erst | |
> vor Ort. | |
Bild: Glückliche Ferien 2023 auf der Krim? | |
Wer auf die Krim will, braucht Nerven und viel Zeit. Denn nicht erst seit | |
dem Beginn der Ferienzeit kommt es zu Staus vor der Brücke auf die Krim. | |
Die sogenannte Kertsch-Brücke, die erst 2018 gebaut wurde, verbindet das | |
russische Festland mit der 2014 annektierten Halbinsel. Am 8. Oktober 2022 | |
[1][war auf der Brücke ein mit Sprengstoff gefüllter Lkw explodiert], | |
mehrere Pfeiler stürzten ins Wasser. | |
Seit nach der Brückenreparatur der Verkehr wieder normal fließt, wird jedes | |
Auto gründlich überprüft. „Nachdem mit Kriegsbeginn der Flugverkehr mit der | |
Krim eingestellt wurde, kommt man nur noch schwer dorthin“, erzählt | |
Kristina Nikolajewa. „Im Mai bin ich von Moskau ins südrussische Sotschi | |
geflogen und wollte von dort mit dem Taxi weiter auf die Krim. Aber vor der | |
Brücke war ein solcher Stau, dass der Fahrer meinte, es könne vier Stunden | |
dauern. Es war klar, dass ich zu spät zur Beerdigung meiner Mutter kommen | |
würde. Also ging ich zu Fuß weiter. Am Kontrollpunkt sagten sie mir, dass | |
ich nur per Auto weiterkommen könne. Ich habe dann eine Mitfahrgelegenheit | |
nach Sewastopol erwischt. Insgesamt war ich 18 Stunden unterwegs.“ | |
Mit Beginn der Ferienzeit wurde der Stau noch länger. Der russische | |
Präsident Wladimir Putin verfügte, Autos die andere Brücke im Norden der | |
Krim passieren zu lassen. Aber diese Strecke führt von Rostow am Don durch | |
den besetzten Teil der Ukraine und [2][das zerstörte Mariupol]. Bis zur | |
Front sind es 70 Kilometer, die Straße wird auch vom russischen Militär | |
genutzt. | |
Eine ähnlich verrückte Idee des russischen Militärs: Autotouristen vom | |
südrussischen Krasnodar aus mit Schiffen der Schwarzmeerflotte auf die Krim | |
zu bringen. Zu einer Zeit, in der jedes Kriegsschiff im Schwarzen Meer ein | |
legitimes Ziel für die Ukraine ist. | |
## Russische Medien berichten kaum | |
Und auf den Straßen der Krim gehen die Probleme dann gleich weiter. In | |
Sewastopol versagten bei einem Militärlaster die Bremsen, er rammte acht | |
Autos und tötete einen Fußgänger. In Simferopol zerquetschte ein | |
Schützenpanzer ein Auto und fuhr dann einfach weiter. Auf der Halbinsel | |
werden regelmäßig Eisenbahnschienen gesprengt, ukrainische Drohnen | |
attackieren Öldepots, Flughäfen und Militäreinheiten. | |
Viele Strände sind gesperrt oder vermint. Doch weil die russischen Medien | |
kaum darüber berichten, erfahren viele Russen davon erst vor Ort. „Unsere | |
Freunde in Jalta haben am Telefon gesagt: ‚Kommt her, bei uns ist es nicht | |
gefährlich‘“, erzählt Guli Achtemowa aus Kasachstan. „Also fahren wir. … | |
es gefährlich wäre, hätten die Behörden diese Gegenden doch gesperrt, | |
oder?“ | |
## Weniger Touristen | |
Überraschenderweise glauben sogar Menschen in Sewastopol im Südwesten der | |
Krim an ihre Sicherheit. Dort zerstörte vor zwei Monaten eine Drohne ein | |
Öldepot, funkgesteuerte Boote griffen Schiffe der Schwarzmeerflotte direkt | |
in der Bucht an. | |
Das Touristenaufkommen ist auf der Krim in diesem Jahr allerdings deutlich | |
geringer als 2022. Normalerweise sind die Hotels ab Juni zu 95 Prozent | |
ausgebucht. Jetzt sind es nach Angaben örtlicher Behörden gerade einmal 50 | |
Prozent. | |
Der Blogger Aleksandr Gorny schreibt oft über Koktebel und Feodossija (im | |
Osten der Krim). Ihm zufolge sind die Buchungen im Vergleich zur | |
Vorkriegszeit um 70 Prozent zurückgegangen. Viele Hotels stünden leer, | |
einige Unternehmer hätten für die Saison ihre Häuser nicht einmal geöffnet. | |
Zudem gebe es viel Personal, das nicht mehr auf der Krim arbeiten möchte. | |
Aus dem Russischen Barbara Oertel | |
Der Autor stammt aus der Krim und schreibt unter Pseudonym. Er lebt im Exil | |
13 Jul 2023 | |
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[1] /Angriff-auf-die-Krim-Bruecke/!5884421 | |
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## AUTOREN | |
Dmitri Vysotkin | |
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