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# taz.de -- Klimaaktivist:in von Lkw angefahren: Selbstjustiz in Stralsund okay
> Ein Lkw-Fahrer hat in Stralsund bei einer Blockade eine:n
> Klimaaktivist:in angefahren. Nun werden für ihn Spenden von rechter
> Seite gesammelt.
Bild: Im ganzen Land, hier in Dresden, ist die Letzte Generation aktiv; ein Aut…
Selbstjustiz ist okay, wenn sie Aktivist:innen der Letzten Generation
gilt: Die Botschaft der Spendenaktionen für den Lkw-Fahrer, der vergangene
Woche in Stralsund bei einer Blockade eine:n Klimaaktivist:in
angefahren hat, lässt sich kaum anders lesen. Weil der Mann infolge des
Vorfalls Job und Führerschein verlor und ihm zudem ein Verfahren wegen
versuchter gefährlicher Körperverletzung droht, starteten gleich mehrere
Unterstützer:innen Spendenaktionen für den Mann. Allein die extrem
rechte Wochenzeitung Junge Freiheit sammelte nach eigenen Angaben über
25.000 Euro für den 41-Jährigen.
Am vergangenen Mittwoch veröffentlichte ein Reporter des Lokalblatts
Ostseezeitung ein [1][Video auf Twitter, das den Übergriff dokumentiert].
Der Lkw-Fahrer reagiert vom ersten Moment an hochaggressiv auf die beiden
Aktivist:innen, die die Fahrbahn blockieren. Zunächst steigt er aus,
zerrt eine Person weg, schubst die andere so stark, dass sie fast mit dem
Kopf auf den Asphalt knallt. Anschließend droht er ihr Schläge an, gefolgt
von den Worten „Verpiss dich hier“. Der Mann steigt wieder in den Lkw,
fährt los und schleift einen der Aktivist:innen noch einen halben Meter
mit, bevor er zum Stillstand kommt.
Schon für sich betrachtet wirft der zornige Lkw-Fahrer einige Fragen auf:
Woher kommt [2][der Hass auf Klimaaktivist:innen], die mit
verzweifelten Mitteln gegen die voranschreitende Zerstörung der
Lebensgrundlagen hinweisen, die der Mann ja auch teilt? Widersprüchlich
scheint auch, dass der Lkw-Fahrer lieber seine gesamte berufliche Existenz
aufs Spiel setzt, als seinem Ausbeuter ein paar Minuten Verspätung
zuzumuten.
Doch noch fragwürdiger ist die Reaktion auf den Vorfall: Derart
hingebungsvoller Untertanengeist gehört belohnt, dachten sich gleich
mehrere Akteure und sammelten Spenden für den Fahrer. Neben der Jungen
Freiheit rief auch die rechtspopulistische Kleinstpartei Bürger für
Stralsund zu Spenden auf, indem sie den Lkw-Fahrer als „König der Herzen“
bezeichnete.
## Rechte trafen einen Nerv
Die provokanten Aktionen der Rechten trafen einen Nerv in der bürgerlichen
Mitte: Innerhalb weniger Tage kamen 10.000 Euro zusammen. Bei einer Umfrage
der Ostseezeitung befürworteten zwischenzeitlich 62 Prozent der
Leser:innen die Sammelaktion. Das ansonsten von Konservativen so
hochgehaltene staatliche Gewaltmonopol wird ohne Bedenken über den Haufen
geworfen, sobald es gegen die Letzte Generation geht.
Fundament dieser bürgerlichen Enthemmung, die sich als Rückendeckung für
Selbstjustiz lesen lässt, bilden übrigens auch Aussagen liberaler
Politiker:innen wie Verkehrsminister Volker Wissing, dem ein Tag nach
dem Vorfall nichts Besseres einfiel, als der Letzten Generation
vorzuwerfen, „die Gesellschaft zu spalten“, und sie als „kriminell“ zu
bezeichnen.
Tatsächlich offenbaren die Aktionen der Letzten Generation eine
gesellschaftliche Spaltung: zwischen jenen, die die physikalische Realität
der Klimakrise mit ihren drastischen Folgen anerkennen. Und jenen, die
diese Realität [3][mit aller Kraft verdrängen]. Dass die Gesellschaft immer
weiter zu Team Verdrängung kippt, beweisen die Spendenaktionen
eindrücklich. In kollektiver Realitätsverweigerung formiert sich gerade
eine gesellschaftliche Allianz der Arschlöcher, die die Klimabewegung vor
neue Herausforderungen stellt.
20 Jul 2023
## LINKS
[1] https://twitter.com/filepschulz/status/1679133985752989697
[2] /Gewalt-gegen-Klimaaktivistinnen/!5932985
[3] /Klimaethikerin-zur-Ueberforderung/!5941491
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
Stralsund
Neue Rechte
wochentaz
Letzte Generation
Schwerpunkt Klimaproteste
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Naturschutz
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