# taz.de -- Ahnungslosigkeit über Fußball-WM: Irgendwann reichelt’s wirklich | |
> Was uns Ex-„Bild“-Chef Julian Reichelt alles verrät, wenn er nur mal | |
> andere Medien diskreditieren und über Frauenfußball ablästern möchte. | |
Bild: Julian … wer? | |
Ich habe ja eine Vermutung, warum Algorithmen mir mit Vorliebe diese | |
überflüssigen Reels aufs Handy spielen, wenn sie von Fußball handeln. Ich | |
gucke sie halt ab und an, diese „kurzen und unterhaltsamen Videos“, wie | |
Instagram den bunten Scheiß definiert. | |
Aber warum spielt man mir ausgerechnet eine Szene rein, in der ein | |
selbstgefälliger Mann, der sich erst mal erkundigen muss, gegen wen „wir“ | |
[1][6:0 gewonnen] haben – „Marokko, richtig?“ –, mit gespielter Empöru… | |
berichtet, der Deutschlandfunk habe von diesem Spiel behauptet, es hätte | |
auch anders ausgehen können? „Bizarr“ sei das, weiß der eitle Grinser, ü… | |
dem der Schriftzug [2][„Achtung, Reichelt!“] prangt. So verarschten einen | |
die Medien, wo doch jeder Fan wisse, dass bei einem 6:0 die anderen gegen | |
die Wand gespielt worden seien. | |
Für einen, der nicht einmal den Gegner kennt, ist das ein gewagter Ausflug | |
in Bereiche, in denen es Menschen gibt, die tatsächlich etwas davon | |
verstehen. Aber, weiß der Gockel mit Brille, „Frauenfußball interessiert eh | |
keine Sau“. | |
Wenn solche Leute von Fußball reden, meinen sie nicht das Spiel – das haben | |
sie ja nicht gesehen, und wenn, dann nicht genossen. Sie meinen das reine | |
Ergebnis. Wie solche Typen, wenn sie mal Chefredakteure sind, nur von | |
Auflage reden und nicht von Texten. Wie solche Männer, wenn sie | |
Geschäftsführer sind, nur von Erträgen reden, nicht vom Nutzen. 6:0 | |
gewonnen, mehr muss ein neoliberaler Wortführer nicht wissen. Wie sich das | |
Spiel entwickelt hat, das ist denen so unwichtig wie der Gegner. Das war | |
doch Marokko, oder? | |
## Dialektik der Arschlochigkeit | |
Es offenbart sich die Dialektik der Arschlochigkeit: Einerseits sind „wir“ | |
selbstredend die Besten und dass „wir“ einen Gegner aus Nordafrika | |
überrollen, scheint zur nationalen Tradition zu zählen. Andererseits kann | |
trotz deutscher Großmäuligkeit keiner garantieren, dass das mit dem Siegen | |
immer so weitergeht. Sollte das DFB-Team verlieren, dann wird schon mal | |
vorgebaut: Es war ja nur Frauenfußball. | |
Das ist schon sehr dreist. Einerseits selbst offenkundig keine Ahnung zu | |
haben, andererseits Leute, die sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigen, | |
als Lügner und Manipulateure hinstellen. Es ist die Logik, die gründlich | |
recherchierende Journalisten aus Social-Media-Kommentaren kennen: „Hätte | |
der Autor nur zwei Minuten gegoogelt, wüsste er …“ | |
Dieser Stolz auf die eigene Dummheit ist Programm: Leute, die sich mit | |
Themen beschäftigen, die die heile Herrschaft des | |
Dreitagebart-Schmierlappens bedrohen könnten, werden diskreditiert, wie aus | |
voller Überzeugung nur jemand diskreditieren kann, der völlig ahnungslos | |
ist. Diesmal ist es der Frauenfußball, der solchen Möchtegern-Diktatoren eh | |
nur als Einfallstor für schlimme Dinge gilt: LGBTQ-Rechte und anderes | |
Bähzeug. | |
Ich ahne mittlerweile, warum man mir dieses Reel aufs Handy gespielt hat: | |
Weil es so unfassbar viel über diese Gesellschaft verrät. Fußball ist | |
wichtig, aber für Julian Reichelt interessiert sich doch keine Sau. | |
27 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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