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# taz.de -- Psychoanalytiker über Dummheit: „Immer eine Frage der Perspektiv…
> Dummheit ist eigentlich kein Begriff der psychoanalytischen Arbeit.
> Torsten Maul macht sich trotzdem Gedanken darüber und lädt ein zu einer
> Diskussion.
Bild: Die Dummheit der anderen ist oft ein Thema: Demonstrantin bei einer Anti-…
taz: Herr Maul, macht Dummheit glücklich?
Torsten Maul: Vielleicht wirkt Dumm-Sein oft leichter, weil es von
bestimmten Anstrengungen befreit. Mitunter ist der Verstand einfach nicht
stark genug, um kurzfristige Triebbefriedigung zugunsten nachhaltiger
Lösungen aufzuschieben.
Was genau ist Dummheit?
Im sozialen Miteinander wird der Vorwurf meist gebraucht, um andere zu
beschämen, zu diskreditieren oder um sich lustig zu machen. Etwas als
„dumm“ zu bezeichnen, ist aber auch immer eine Frage der Perspektive. Was
aus einer Sicht sinnvoll scheint, gilt aus anderer Blickrichtung vielleicht
als dumm.
Wann zum Beispiel?
Wenn jemand sein letztes Geld für einen Lottoschein verschwendet oder wenn
jemand aus Wut auf die gesellschaftlichen Verhältnisse eine Partei wählt,
die erst recht alles kaputtmachen wird. Aber auch ungesundes Essen,
[1][Verschwörungstheorien], Drogen, umweltzerstörerisches Verhalten: alles
nicht so schlau. Aber [2][Verzicht] ist schwer. Und dass der Mensch es
damit so schwer hat, ist auch irgendwie dumm. Ist aber so.
Wie blickt Psychoanalyse auf dummes Verhalten?
Wir Menschen sind in Bezug auf uns selbst ziemlich unwissend. Wo kommen
unsere Ideen, unsere Gefühle, unser Empfinden eigentlich her? Das ist aber
nicht [3][Dummheit], das ist der Normalfall. Deswegen gibt es den Begriff
„dumm“ in der analytischen Arbeit eigentlich nicht. Weil wir uns für den
Sinn auch von scheinbar dummem Verhalten interessieren. Als Analytiker
frage ich nicht: Wie dumm ist das denn?
Sondern?
Welchen Sinn macht es für die Patient*innen, sich so zu verhalten? Oder:
Wie kriegen sie es hin, so zu sein? Oder auch: Welchen unbewussten Gedanken
und Fantasien folgt das, was sie da tun?
Weil auch Dummheit einen Sinn hat?
Auch dumm scheinende Dinge haben oft einen Sinn, ein Motiv – und einen
Zusammenhang, in dem sie stattfinden. Wenn Kinder an schulischen Aufgaben
scheitern und sich daraufhin zurückziehen oder sozial auffällig werden,
kann das bei oberflächlicher Betrachtung dumm wirken. Aber oft ist das der
Ausdruck tiefer seelischer Irritation und Verzweiflung. Und das Verhalten
dient häufig der Aufrechterhaltung des inneren Gleichgewichts. Die
scheinbare Dummheit ist das Symptom, und weniger die Ursache.
Was erhoffen Sie sich von den Gesprächen im Psychoanalytischen Salon?
Wir haben das Format ins Leben gerufen, weil wir einen Raum für gemeinsames
Nachdenken und Diskussionen schaffen wollten. Der Salon ist ausdrücklich
nicht der Versuch, Psychoanalyse zu „erklären“. Es geht darum, verschiedene
Perspektiven einzubringen, aus anderen Fachrichtungen und natürlich aus dem
Publikum.
27 Nov 2023
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## AUTOREN
Jonas Graeber
## TAGS
Dummheit
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Dummheit
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Darf man etwas noch als „dumm“ bezeichnen? Oder ist bereits die bloße
Erwähnung des Worts eine Beleidigung für alle Einfältigen?
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