# taz.de -- Wie Marokko die WM ins Land holen will: Marokkos Masterplan | |
> Das Königreich ist wieder Gastgeber der Fußball-Klub-WM. Das Timing ist | |
> gut: Die Männer reüssierten bei der WM, die Frauen streben auch nach | |
> vorn. | |
Bild: Aufschwung in Rot: Marokkanischer Fan bei der WM in Katar | |
Noch ist die Klub-WM in der Fußballwelt eine recht kleine Nummer. Allein | |
die Teilnehmerzahl verlangt nach einem eckigen Modus: Es sind jene sechs | |
Teams dabei, die ihre jeweils wichtigsten Kontinentalturniere gewonnen | |
haben, hinzu kommt der Gastgeber. In zwei Vorrundenpartien spielen vom 1. | |
Februar an fünf schwächere Teams jene beiden Protagonisten aus, die im | |
Halbfinale gegen die Vertreter aus Europa und Südamerika antreten. | |
Weltfußball-Präsident Gianni Infantino hat unlängst verkündet, dass es | |
dabei nicht bleiben wird. Ab 2025 soll die Klub-WM mit 32 Teams ausgespielt | |
werden. Es ist der Versuch, den Wettbewerb aufzumöbeln und noch ein paar | |
mehr Einnahmen einzusammeln. | |
Derlei Veranstaltungen aufzublähen, liegt im Trend. Das ist Marokko in | |
diesem Jahr aber egal: Das nordafrikanische Land ist stolz, den Wettbewerb | |
nach 2013 und 2014 zum dritten Mal ausrichten zu dürfen. Es darf als ein | |
Zeichen verstanden werden: Ja, ihr könnt das. Für Marokko ist das nicht | |
unwichtig. Schließlich versucht sich das Land an viel Größerem: Das | |
Königreich möchte unbedingt einmal eine Weltmeisterschaft ausrichten. | |
Fünfmal hat man sich seit 1994 darum beworben – jedes Mal bekam ein anderer | |
den Zuschlag. Jetzt aber herrscht größte Zuversicht. Was auch mit der | |
letzten WM zu tun hat. Da war Marokko sensationell ins Halbfinale | |
eingezogen und hat für neues Selbstbewusstsein auf dem gesamten Kontinent | |
gesorgt. | |
Seither glauben die Fußballfans des Kontinents daran: Der WM-Titelgewinn | |
für ein afrikanisches Team ist möglich. „Ich bin zuversichtlich, dass ein | |
afrikanisches Team schon bei der WM 2026 einen Schritt weiter gehen wird“, | |
sagte Patrice Motsepe, Präsident des afrikanischen Fußballverbands CAF, | |
kürzlich auf einer Pressekonferenz im Verbandshauptquartier in Kairo. Der | |
südafrikanische Geschäftsmann findet: “Wenn sie sich die Talente auf dem | |
Kontinent ansehen, dann gibt es jetzt zwischen zehn und 15 afrikanische | |
Nationen, die theoretisch das Zeug zum Weltmeistertitel haben.“ | |
Kühne Worte, die allerdings ein wenig unter den Tisch fallen lassen, dass | |
die Qualität der Ausbildung nach wie vor arg zu wünschen übrig lässt. | |
„Marokkos Erfolg muss Anreiz für andere afrikanische Länder sein. Aber | |
Träume allein reichen nicht aus. Man muss konkret aus Marokkos Erfahrungen | |
lernen und handeln“, sagt deshalb CAF-Generalsekretär Veron Mosengo-Omba. | |
Der Funktionär aus der Demokratischen Republik Kongo, bis 2021 beim | |
Weltfußballverband Fifa für Entwicklungsprogramme in Afrika und der Karibik | |
zuständig, fordert: „Verband und Politik haben in Marokko in den letzten | |
Jahren Hand in Hand gearbeitet, um den Fußball im Land systematisch | |
voranzubringen, um Talente systematisch zu fördern. Das muss das Beispiel | |
auch für andere sein. So geht’s.“ | |
## Die Mohammed VI Football Academy | |
Was Mosengo-Omba meint: Marokkos Regierung hat in den vergangenen Jahren | |
viele Millionen US-Dollar in die systematische Entwicklung des Fußballs | |
im Land investiert. Es wurde seit 2010 ein Förderprogramm implementiert, | |
das einzigartig in Afrika ist. Seinerzeit wurde in Sala Al Jadida, einem | |
Vorort Rabats, mit der Mohammed VI Football Academy ein Trainingszentrum | |
modernster Prägung eröffnet. Auf einer Fläche von 2,5 Quadratkilometern | |
entstanden auf königliche Kosten [1][beste Ausbildungsbedingungen für 50 | |
Nachwuchsfußballer]. | |
Die Akademie ist baulich an das marokkanische Kulturerbe angelehnt. Die | |
Form ähnelt einem traditionellen Duar mit einem zentralen Dorfplatz, der | |
von fünf Gebäuden umgeben ist. Jedes Gebäude erfüllt dabei eine bestimmte | |
Funktion: Unterkunft, Bildung, medizinische Einrichtung und Kantine. Eine | |
Schule mit zehn Klassenräumen sowie einem Sprach- und Informatikraum bietet | |
ein dreistufiges Programm für die Auszubildenden an. Das Lehrangebot der | |
Akademie wird dabei vom Kultusministerium unterstützt. | |
Eingebettet in die Anlage wurden vier nach Fifa-Richtlinien erbaute Stadien | |
sowie ein Kunstrasenfeld, ein Kleinfeld, vier Umkleideräume und ein | |
spezieller Trainingsbereich für Torhüter. Alles ist nach modernsten | |
Anforderungen eingerichtet: Das medizinische Zentrum besteht aus einer | |
Klinik, einer Praxis für Physiotherapeuten und einem sogenannten | |
Balneotherapie-Pool. Hier wird Wasser aus heißen Quellen zur | |
Thermaltherapie von ausgelaugten Sportlern genutzt. | |
Die ersten Auszubildenden wurden 2010 aus der Region rund um Rabat | |
zusammengezogen und fortan systematisch gefördert. Zudem wurde das Gelände | |
als permanenter Campus für Trainingslager der Männer- und | |
Frauennationalmannschaft genutzt. Ähnliche Anlagen entstanden anschließend | |
bis 2015 in Agadir, Tanger und Saïdia. | |
Die Erfolge dieser Maßnahmen sind nicht zu verkennen. Allerdings wurden die | |
Talente, die aktuell für die guten marokkanischen Resultate sorgen, nicht | |
nur innerhalb der eigenen Landesgrenzen entdeckt. 14 der 26 Spieler aus | |
Marokkos WM-Kader in Katar wurden außerhalb Marokkos geboren. Keine andere | |
WM-Nation hatte ein derart hohe Quote. Dazu zählen der in den Niederlanden | |
geborene Hakim Ziyech und der aus Spanien stammende Achraf Hakimi – die | |
renommiertesten Spieler in den eigenen Reihen. Vier weitere Profis sind in | |
Belgien aufgewachsen, einer großen marokkanischen Diaspora. | |
## „Es gibt noch viel zu tun“ | |
Zudem legte man die sportliche Leitung in die Hände eines Marokkaners: | |
Walid Regragui löste gerade einmal drei Monate vor WM-Beginn den Bosnier | |
Vahid Halilhodžić ab. Daraufhin sollen dem Vernehmen nach etliche | |
Konflikte innerhalb des Teams gelöst worden sein, unter anderem kehrte der | |
zuvor wegen angeblicher Disziplinlosigkeiten suspendierte Ziyech ins Team | |
zurück. All dies sind Zeichen eines neuen Selbstvertrauens in die eigenen | |
Kräfte. | |
Das alles passiert nicht nur im Männerfußball. Auch [2][das marokkanische | |
Frauenteam] hat einen enormen Leistungssprung getan, wurde beim Afrika-Cup | |
2022 im eigenen Land hinter Südafrika Zweiter. Damit qualifizierte sich das | |
Team erstmals für die WM, die 2023 in Neuseeland und Australien ausgetragen | |
wird. Dort wird das afrikanische Ensemble in der Gruppenphase unter anderem | |
Gegner der deutschen Frauen sein. Die Entwicklung Marokkos wird in | |
Fachkreisen mit viel Interesse verfolgt. | |
„Es gibt noch viel zu tun, das steht fest, aber an Talenten mangelt es | |
nicht“, bestätigt Anthony Rimasson, Trainer der U17-Frauenauswahl Marokkos, | |
die sich dieses Jahr ebenfalls zum ersten Mal für die WM in dieser | |
Altersklasse qualifizieren konnte. „Der Frauenfußball ist in Marokko noch | |
recht jung. Es hat lange gedauert, die Strukturen aufzubauen. Aber heute | |
ist diese Sparte gut organisiert: Wir sind jetzt besser gerüstet, um die | |
Talente zu entdecken.“ | |
Die Förderung des Frauenfußballs ist seit 2018 in einer Art Masterplan | |
festgeschrieben. Der beinhaltet vor allem eine finanzielle Förderung für | |
die Vereine der ersten und zweiten Liga. Das Geld ist zweckgebunden: Die | |
Vereine müssen ihren Spielerinnen einen Mindestlohn zahlen und eine U17- | |
und U15-Mannschaft betreiben. Zudem organisierte der Verband dieses Jahr | |
erstmals eine Tour an 30 Schulen im ganzen Land, bei der die Schülerinnen | |
Fußball ausprobieren konnten. | |
„Das ist erst der Anfang für den Fußball der Frauen hier“, sagt Marokkos | |
Starstürmerin Ghizlane Chebbak: „Wir haben einen weiten Weg zurückgelegt, | |
aber es liegt noch ein weiter Weg vor uns.“ Das Turnier im eigenen Land war | |
ein Durchbruch, aber auch für einen Kulturkreis, in dem Regierungen und | |
nationale Verbände bei der Förderung des Frauenfußballs zurückhaltend | |
waren und es immer noch sind. „Das hat mit dem soziokulturellen Kontext der | |
arabischen Welt und den akzeptierten Normen, innerhalb derer Frauen | |
funktionieren sollen, zu tun“, sagte Susan Shalabi, Vizepräsidentin des | |
Palästinensischen Fußballverbands, der Deutschen Welle am Rande des | |
Afrika-Cups. | |
Shalabi ist eine der wenigen Frauen in der arabischen Welt, die eine | |
leitende Position im Fußball bekleidet. „Fußball wurde bis vor Kurzem immer | |
als rauer, männlicher Sport angesehen. Mädchen wurden nicht ermutigt, | |
Fußball zu spielen“, sagt Shalabi. Wie wenig konsequent die Entwicklung des | |
Frauenfußballs in der Region bislang vorangetrieben wurde, mag ein Beispiel | |
aus 2016 unterstreichen: Da stand das ägyptische Frauenteam erstmals | |
überhaupt bei einer Endrunde des Afrika-Cups. Als das Team aber nach der | |
Vorrunde ausschied, war es vorbei mit der Unterstützung aus dem nationalen | |
Fußballverband. | |
Das Team bestritt in der Folge kaum noch Spiele und wird mangels Aktivität | |
aktuell gar nicht mehr in der Fifa-Weltrangliste geführt. | |
29 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://northafricapost.com/63519-mohammed-vi-football-academy-key-to-moroc… | |
[2] https://en.wikipedia.org/wiki/Morocco_women's_national_football_team | |
## AUTOREN | |
Olaf Jansen | |
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