# taz.de -- Waffenhandel im Ukraine-Krieg: Selenski will eigene Raketen | |
> Die Ukraine will mithilfe von ausländischen Unternehmen die heimische | |
> Waffenproduktion ankurbeln. Damit will es unabhängiger vom Westen | |
> werden. | |
Bild: Ukrainische Soldaten bereiten eine Haubitze an der Front in der Ostukrain… | |
LUZK taz | Nicht nur auf Waffenlieferungen warten, sondern die Produktion | |
in der Ukraine selbst ankurbeln, lautet derzeit die Devise in Kyjiw. | |
Deshalb werden ausländische Unternehmen angeworben, neue Fabriken zu bauen. | |
Neben der Türkei sind auch deutsche Unternehmen involviert. Nach einem | |
Besuch von Präsident Wolodimir Selenski in Istanbul Anfang Juli wurde | |
bekannt gegeben, dass mit dem Bau einer Fabrik für die Produktion von | |
türkischen Bayraktar-Drohnen begonnen worden sei. In zwei Jahren soll das | |
Werk fertig sein. Auch der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall will in | |
Kooperation mit dem ukrainischen Staatskonzern Ukroboronprom eine | |
Produktionsstätte für gepanzerte Fahrzeuge bauen. | |
„Die Ukrainer müssen sich selbst helfen und können nicht immer Hilfe von | |
Europäern oder Amerikanern erwarten“, sagte Armin Papperger, der | |
Generaldirektor von Rheinmetall [1][gegenüber dem US-Sender CNN] zu dem | |
Vorhaben. Der Standort der Fabrik werde in der Westukraine sein. Aus | |
Sicherheitsgründen wird dieser nicht genauer benannt. Ukrainer sollen dort | |
zudem für die Wartung von Panzern und anderen gepanzerten Fahrzeugen | |
ausgebildet werden. Jährlich sollen 400 Fahrzeuge produziert werden. „Ein | |
solcher Betrieb wäre ein legitimes Ziel für die russischen Streitkräfte“, | |
sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa dazu | |
in Moskau. Rheinmetall will das Werk deshalb mit eigenen | |
Luftverteidigungssystemen schützen. | |
Doch nicht nur ausländische Unternehmen sind dazu angehalten, mehr | |
Kriegsgerät herzustellen. Auch innerhalb der Ukraine wird Druck gemacht. So | |
viel Druck, dass mittlerweile Köpfe rollen. Im Juli gab es einen Wechsel | |
auf dem Führungsposten des staatlichen Rüstungskonzern Ukroboronprom. Denn | |
in Kyjiw ist man alles andere als erfreut, dass es im zweiten Jahr des | |
Kriegs noch immer keine eigene Produktion von Raketen gibt. Dem Präsidenten | |
war eigentlich zugesagt worden, dass ukrainische Sapsan-Raketen im Mai 2023 | |
fertig werden. Diese haben eine Reichweite von 1.000 Kilometern und könnten | |
die russische Militärinfrastruktur zerstören. | |
Eigene Waffen zu haben, vereinfache die Aufgaben des ukrainischen Militärs, | |
sagt auch Valentyn Badrak, Direktor des Army Research Center. „Wenn Sie | |
eine eigene Rakete haben, müssen Sie den Westen nicht fragen, wohin Sie | |
diese abfeuern dürfen.“ Das sei wichtig, denn westliche Partner verbieten | |
der Ukraine, das Territorium der Russischen Föderation mit ihren Waffen | |
anzugreifen. Sie wollen nicht an einer Eskalation des Konflikts beteiligt | |
sein. | |
## Mangel an Granaten und Minen | |
Die landeseigene Produktion geht jedoch schleppend voran: Lediglich ein | |
Schützenpanzer wurde im Mai hergestellt. 2022 wurden zudem fast keine | |
Granaten und Panzerabwehrraketensysteme produziert, heißt es auf dem | |
Webportal Ekonomitscheskaja Pravda zu den Gründen des Chefwechsels bei | |
Ukroboronprom. | |
Der 30-jährige German Smetanin soll das nun ändern. Der neue Boss von | |
[2][Ukroboronprom] soll ein guter Techniker sein. Er arbeitete für ein | |
Konstruktionsbüro in Charkiw und als Ingenieur in der Panzerfabrik Lwiw. | |
Smetanins Karriere ist eng mit der Entwicklung des Panzerwagens Dozor | |
verbunden. Dieser kann für die Ausrüstung von Spezialeinheiten eingesetzt | |
werden. Jetzt wurde er mit gleich drei Aufgaben betraut: Steigerung der | |
Waffenproduktion, Aufbau einer Infrastruktur zur Korruptionsbekämpfung und | |
die Umgestaltung von Ukroboronprom. | |
Der ukrainischen Armee mangelt es derzeit vor allem an Granaten und Minen. | |
Nach dem Zusammenbruch der UdSSR 1991 hatte die Ukraine die Produktion von | |
Artillerie- und Mörsermunition fast eingestellt. Nach der russischen | |
Invasion gingen die Vorräte schnell zur Neige. Dadurch wurde die Ukraine | |
von ihren Verbündeten abhängig. Verteidigungsminister Oleksiy Reznikov | |
sagte, dass die Ukraine pro Monat durchschnittlich 110.000 Stück Munition | |
vom Kaliber 155 Millimeter verwende. Gäbe es keinen Mangel, hätte das | |
Militär in einem Monat 594.000 Granaten und Minen auf russische Truppen | |
abfeuern können. Der Mindestbedarf liegt bei 356.000 Stück pro Monat. | |
Im März einigten sich die [3][EU-Länder auf den Kauf von einer Million] | |
Stück Munition für die Ukraine. Zudem hat Kyjiw ein ganzes Ministerium auf | |
die eigene Produktion umgestellt. Der Minister für strategische Branchen | |
der Industrie Oleksandr Kamyshin berichtete kürzlich, dass die Ukraine | |
im Juni mehr Granaten produziert habe als im gesamten Jahr 2022. Außer | |
Granaten werden bald auch Panzerabwehrsysteme vom Band laufen. Die | |
Steigerung der Produktion von Panzern und gepanzerten Fahrzeugen ist die | |
nächste Priorität. Laut Kamyshin werde das noch drei bis sechs Monate | |
dauern. Perspektivisch will er die Ukraine zu einem wichtigen | |
Waffenexporteur machen. | |
Die Ukraine investiert zudem in die Entwicklung und Produktion eigener | |
Langstreckenraketen mit einer Reichweite von mehr als 1.000 Kilometern. | |
Dafür brauche sie jedoch westliche Technologien, deutete | |
Verteidigungsminister Oleksiy Reznikov im Juni an. | |
Aus dem Russischen Barbara Oertel | |
27 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://edition.cnn.com/2023/07/10/business/rheinmetall-german-tank-factory… | |
[2] https://ukroboronprom.com.ua/en/ | |
[3] https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20230711IPR02613/parlamen… | |
## AUTOREN | |
Juri Konkewitsch | |
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