| # taz.de -- Graphic Novel über Simone de Beauvoir: Mit großem Freiheitsdrang | |
| > Eine Graphic Novel zeichnet Simone de Beauvoir's Lebensweg bis zur | |
| > gefeierten Philosophin nach. Und setzt der Existenzialistin ein Denkmal. | |
| Bild: Sich selbst erschaffen: Simone de Beauvoir fordert heraus | |
| „Ich möchte vom Leben alles“: Das titelgebende Zitat, das die Autorinnen | |
| dieser neuen Graphic Novel, Julia Korbik und Julia Bernhard, ausgewählt | |
| haben, könnte [1][das Leben Simone de Beauvoirs] kaum besser | |
| zusammenfassen. Diese Denkerin stand schließlich für mehr Freiheit, mehr | |
| intellektuelle Optionen, aber auch für mehr Gelegenheiten, sinnlich zu | |
| genießen. | |
| Sie wolle „eine Frau, aber auch ein Mann sein, viele Freunde haben und | |
| allein sein, viel arbeiten und gute Bücher schreiben, aber auch reisen und | |
| mich vergnügen, egoistisch und nicht egoistisch sein“, so charakterisierte | |
| sie sich selbst einmal. Andere Menschen gingen ihr bei dieser Suche | |
| manchmal auf die Nerven – und je später sie in ihr Leben traten, je stärker | |
| sie in Verehrung vor der renommierten Intellektuellen erstarrten, umso | |
| mehr. | |
| Das Buch von Bernhard und Korbik zeichnet, dicht an der Verehrung, den Weg | |
| eines herausragend klugen und entschlossenen Mädchens bis zur gefeierten | |
| Philosophin nach. Die Moral der Studentin mit dem Spitznamen „Castor“ | |
| (abgeleitet von Beauvoir, das Kommilitonen zu Beaver verkürzt und dann als | |
| Castor übersetzt hatten) forderte Zeitgenoss:innen früh heraus. Ihr | |
| Freiheitsdrang machte vor Lieb- und Freundschaften nicht halt, die sie | |
| abschießen und abschließen konnte, sobald ein Gefüge ihr nicht mehr taugte. | |
| ## Simone Superstar | |
| Spannend an der Darstellung als Comic ist zunächst die Leidenschaft für das | |
| Sujet, die sich im Bild noch unmittelbarer auf den Leser überträgt als im | |
| bloßen Wort. Simone wird buchstäblich als Superstar gezeichnet. Die Graphic | |
| Novel hat schon optisch einen klaren Fokus: Beauvoir und sonst keine, | |
| insbesondere keinen anderen. | |
| Die reduzierten Striche von Grafikerin Julia Bernhard setzen. de Beauvoir | |
| ein optisches Denkmal. Schwarz, weiß, senfgelb und ein düster gehaltenes | |
| Szenenbild – Cafés, Großstädte, Theater, Jazzclubs –, das alles imitiert | |
| den existenzialistischen Stil der Zeit. | |
| Die Wortebene, verfasst von der 35-jährigen Autorin und Journalistin Julia | |
| Korbik, konzentriert sich auf die Gedanken der Existenzialistin. Korbik | |
| hatte zuvor mit „Oh, Simone! Warum wir Beauvoir wiederentdecken sollten“ | |
| eine moderne Einordnung von Beauvoirs Denken geschrieben, daneben | |
| feministische Ratgeber wie „How to be a girl“ oder „Stand up“. | |
| ## Simone und Jean-Paul Satre | |
| Die [2][Entwicklung von Beauvoirs Weltbild], ihr Umdenken nach | |
| Kriegsbeginn, haben die Autorinnen akribisch aus ihren Werken | |
| zusammengesucht und auf Schlüsselsätze reduziert, um den Bildern ihren Raum | |
| zu lassen. Zeitgenoss:innen werden als Randfiguren erzählt, die einige | |
| Seiten dabei sind und dann verschwinden, selbst Jean-Paul Sartre, ihr | |
| Seelenpartner seit Studientagen. Er spielt nahezu keine Rolle, wohl aber | |
| ihre Briefe an ihn, oder ihre Abkehr vom bürgerlichen Elternhaus (auch) | |
| durch ihn. | |
| Eine wichtigere Funktion bekommt die Beauvoir-Biografin, die amerikanische | |
| Schriftstellerin Deirdre Bair: Mit ihrer Zusammenarbeit beginnt das Buch, | |
| und diese zweite, zeitlich entkoppelte Erzählebene mit den Protagonistinnen | |
| Deidre und Simone wird in den Vordergrund gehoben, wo Struktur dem | |
| Verständnis der Abläufe dient. Dieser Kniff funktioniert – wie auch die | |
| Kapitelbrüche, die Jahre überspringen und uns zu den wichtigsten Stationen | |
| führen – wie eine Landkarte, wo das Beziehungsgeflecht zu komplex zu werden | |
| droht. | |
| En passant erfahren wir vom Tod von Beauvoirs Freundin Zaza, die das | |
| konventionelle Leben anscheinend umbringt, oder vom sogenannten Trio: Das | |
| Paar Beauvoir-Sartre führte nach eigenem Bekennen eine „morganatische Ehe“ | |
| und bildete eine stabile bilaterale Achse, um die sich Affären gruppierten, | |
| etwa mit der damals 17-jährigen Bianca Bienenfeld oder der Schauspielerin | |
| Olga Kosakiewicz. | |
| ## Abtreibung und Alice Schwarzer | |
| Auch die junge Alice Schwarzer tritt auf: Zur Planung der weltberühmten | |
| Kampagne, bei der sich 343 Frauen im französischen Magazin Nouvel | |
| Observateur zu Abtreibungen bekannten, trafen sich die Aktivistinnen um | |
| Schwarzer in Beauvoirs Privaträumen. | |
| Mit der Verfassungsänderung des Abtreibungsparagrafen in Frankreich endet | |
| dieses wichtige Lebenskapitel – und ein insgesamt recht eindrucksvolles | |
| Buch. | |
| 15 Jul 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Johanna Schmeller | |
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