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# taz.de -- Meduza-Analyst über Wagner-Aufstand: „Prigoschin bereits besiegt…
> Das russische Exilmedium Meduza berichtet seit Monaten über die
> Wagner-Söldner. Analyst Andrey Perstev erklärt, warum Prigoschin wenige
> Aussichten auf Erfolg hat.
Bild: Selfie mit Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin am 24. Juni in Rostow am Don
[1][Meduza] war eines der ersten Medien, das über den Wagner-Aufstand am
24. Juni berichtet hat. Wir sprachen mit Andrey Pertsev, einem politischen
Analysten, über die Wahrnehmung der Wagner-Söldner und deren Chef Jewgeni
Prigoschin in der russischen Gesellschaft.
Waren Sie über den [2][Wagner-Aufmarsch] in Rostow am Don und in Richtung
Moskau überrascht?
Ja. Prigoschin verhielt sich emotional, was untypisch für ihn ist – er ist
ein umsichtiger Geschäftsmann. Emotionen führten dazu, dass der Aufstand
zum ungünstigsten Zeitpunkt organisiert wurde. Er hatte wahrscheinlich eine
militärische Meuterei vor.
Meduza war das erste russischsprachige Medium, das darüber berichtete: Wie
haben Sie von den Ereignissen erfahren?
Die Kommunikation wird über Boten, über geheime Frequenzen und über nicht
ganz offensichtliche Kommunikationskanäle aufrechterhalten.
Wie erklären Sie sich den Paradigmenwechsel bei Putin, der nicht mehr die
Existenz der Wagner-Söldner leugnet?
Putin hat längst aufgehört, die Rolle Wagners zu leugnen – etwa seit dem
Ausbruch des Ukraine-Krieges. [3][Zuvor waren Prigoschins Söldner in
Ländern involviert], in denen Russland versuchte, seine Beteiligung zu
verbergen – weshalb Putin sie nicht anerkannte. Im Fall Ukraine entfiel
diese Voraussetzung.
Kann man von einer Atmosphäre der Angst durch Prigoschin, vor allem auf der
Ebene der russischen Eliten sprechen?
Es gibt keinen großen Einfluss von Wagner auf die russischen Eliten. Die
Gouverneure streiten direkt mit Prigoschin – wie etwa in der Region
Swerdlowsk, Jewgeni Kujwaschew. Prigoschin ist es nicht gelungen, den
Gouverneur von Sankt Petersburg, Alexander Beglow, abzusetzen. Der Kern von
Prigoschins politischem Projekt richtet sich eigentlich gegen die Elite. Am
Anfang unterstützen ihn noch die Brüder Kowaltschuk, denn sie glaubten, so
ein Projekt könnte an Putin „verkauft“ werden. Dann begann der Wagner-Chef,
gegen die Elite zu agieren. Jedoch kann man definitiv nicht von großer
Angst und Einflussnahme sprechen.
Sind die Wagner-Söldnertruppe und Prigoschin in der russischen
Öffentlichkeit präsent?
Prigoschin ist keine Fernsehfigur in staatlichen Medien. Aber dank seiner
auffälligen öffentlichen Äußerungen in populären Instant-Messengers wie
Telegram wurde er unter begeisterten Kriegsbefürwortern und einem
politisierten Publikum gut bekannt. Laut Umfragen liegt seine
Vertrauensquote bei 4 Prozent; bei den Präsidentschaftswahlen würden 2
Prozent der Russen für ihn stimmen. Nicht viel. Prigoschins Rhetorik ist zu
widersprüchlich, und sein Image zieht die einfachen Leute im Land nicht an.
Exekutionen mit dem Vorschlaghammer, das ist das Bild eines Verbrechers,
was vielen Russen Angst macht. Noch beängstigender sind Prigoschins
Äußerungen über die Generalmobilmachung und die Verwandlung Russlands in
ein Nordkorea. Wenn man die Bilder des Marschs in Rostow am Don sieht,
könnte man den Eindruck gewinnen, dass Prigoschin von einem großen Teil der
Bevölkerung unterstützt wird. Doch das ist bei Weitem nicht der Fall.
Rostow hat mehr als eine Million Einwohner, auf den Bildern sind
bestenfalls ein paar tausend in der Nähe von Panzern zu sehen, nur einige
Dutzend mit Wagner-Fahnen. Außerdem glaube ich, dass viele der
fotografierten Menschen nicht wirklich verstanden haben, was passierte.
Gegen Wagner wurde auch in Rostow demonstriert, übrigens, und viel mehr
wären auf die Straße gegangen, wären die Wagnerianer länger in Rostow
geblieben.
Erwarten Sie einen neuen Aufstand von Prigoschin oder einen weiteren
Versuch, gegen die russische Armee zu agieren?
Einige Analysten beschrieben die Ereignisse als „ein Zirkus“… Ich sehe es
anders. Der Zweck des Aufstands bleibt wohl noch unklar, jedoch waren die
Kosten viel zu hoch bloß für einen Zirkus. Putin hat bereits die
Veruntreuung öffentlicher Gelder bei Wagner und [4][Prigoschins
Cateringfirma Concord angedeutet]. Ihn erwartet also gar nichts Gutes –
Prigoschin ist bereits besiegt worden.
Andrey Perstev ist russischer Journalist und arbeitet als politischer
Analyst für das Exilmedium Meduza.
2 Jul 2023
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[4] /Wagner-Soeldnertruppe-in-der-Ukraine/!5908629
## AUTOREN
Gemma Teres Arilla
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