# taz.de -- Eritrea-Festival in Gießen: Aufarbeitung der Krawalle gefordert | |
> Nach den Ausschreitungen beim Eritrea-Fest in Gießen fordert die | |
> Stadtpolitik Konsequenzen. 26 Polizisten waren bei den Krawallen verletzt | |
> worden. | |
Bild: Gießen am 08.07.203, Gegendemonstrierende vor dem Eritrea-Festival werde… | |
BERLIN taz | Landes- und Lokalpolitiker haben nach den Ausschreitungen in | |
Gießen am Wochenende Konsequenzen gefordert. Rund 1.700 Eritreer aus halb | |
Europa waren dort wie fast jedes Jahr seit 2011 zusammengekommen, um die | |
eritreische Diktatur zu feiern. Etwa 150 eritreeische Gegendemonstranten | |
versuchten [1][mit Stein- und Flaschenwürfen] gewaltsam, das Fest zu | |
verhindern. Dabei wurden 26 Polizisten verletzt, zum Teil schwer. Ob es | |
auch verletzte Eritreer gab, ist nicht bekannt. 131 Personen wurden | |
vorübergehend in Gewahrsam genommen. Sie sind wieder auf freiem Fuß. | |
Auf politischer Ebene lösten die Ereignisse eine heftige Debatte aus. Der | |
hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) forderte die Bundesregierung auf, | |
den eritreischen Botschafter einzubestellen. „Unsere Polizistinnen und | |
Polizisten sind nicht der Prellbock für Konflikte von Drittstaaten,“ sagte | |
er. | |
Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte dazu am Montag auf der | |
Regierungs-Pressekonferenz, es hätte im Vorfeld Gespräche mit dem | |
Geschäftsträger der eritreischen Botschaft gegeben. Ihm sei deutlich | |
gemacht worden, dass innereritreische Konflikte nicht auf deutschem Boden | |
ausgetragen werden dürften. Einen eritreischen Botschafter gebe es seit | |
neun Jahren nicht mehr in Deutschland, auch keine vollwertigen | |
diplomatischen Beziehungen. | |
Veranstalter des Festivals ist der Zentralrat der Eritreer in Deutschland. | |
Er ist wegen seiner Nähe zur Einparteiendiktatur in dem kleinen Land am | |
Horn von Afrika, das auch als das „Nordkorea Afrikas“ bezeichnet wird, | |
umstritten. Gegenüber Medien hatten Sprecher des Vereins den Vorwurf | |
zurückgewiesen, auf der Veranstaltung werde Propaganda für das Regime in | |
Eritrea gemacht. Vielmehr hätte es sich um ein Kultur- und Familienfest | |
gehandelt. | |
## Propagandaminister lobt das Festival | |
Die Aussage wird allerdings dadurch konterkariert, dass zu dem „Kultur- und | |
Familienfest“ die Gouverneure aller sechs Provinzen in Eritrea eingeflogen | |
wurden, auftraten und gefeiert wurden. Selbst Eritreas Informationsminister | |
– treffender wäre die Bezeichnung „Propagandaminister“ – hatte eigens … | |
der Hauptstadt Asmara über das Festival getwittert und von einem „lebhaften | |
Ereignis“ gesprochen, das durch die Anwesenheit „der Gouverneure aller | |
sechs Provinzen des Heimatlandes bereichert wurde.“ Die Proteste und | |
Ausschreitungen erwähnte er nicht. | |
Eine Teilnehmerin berichtet der taz, dass Fahnen von Eritrea und der allein | |
regierenden Partei PFDJ gezeigt und verkauft wurden. Außerdem sei ein Lied | |
gesungen worden, das zum Mord an den Bewohnern der äthiopischen | |
Nachbarprovinz Tigray aufrufe, so eine Beobachterin. Unabhängig lässt sich | |
das nicht überprüfen. Vertreter des Veranstalters waren am Montag nicht | |
erreichbar. | |
Schwierig ist auch das Verhältnis des Zentralrates der Eritreer in | |
Deutschland zur PFDJ selbst. Laut dem Vereinsregister beim zuständigen | |
Amtsgericht Wiesbaden bestehe der 2018 eingetragene Verein aus vier Säulen. | |
Eine davon ist die eritreische Regierungspartei PFDJ selbst, die drei | |
anderen sind Organisationen aus Eritrea und Deutschland. Laut indirekten | |
Angaben beim Vereinsregister soll der Verein sogar gemeinnützig sein, eine | |
Urkunde des Finanzamtes liegt der taz allerdings nicht vor. Die Bild | |
berichtet, dass im Februar in Frankfurt/Main ein deutscher Ableger der PFDJ | |
gegründet wurde. Der taz liegt ein Protokoll einer Sitzung der | |
PFDJ-Jugendorganisation in Deutschland von Mai vor. | |
Gießener Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher (SPD), der im Vorfeld | |
[2][vergeblich versucht hatte, das Festival zu untersagen], fordert eine | |
Aufarbeitung, die über seine Stadt hinausgehen müsse. Neben den Vorfällen | |
rund um das Festival gäbe es offen rassistische Hetze in sozialen Medien, | |
die den Rechtsstaat verhöhne, so Becher. Für ihn stehe die Frage, ob so ein | |
Festival in den nächsten Jahren noch einmal stattfinden dürfe. | |
10 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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