# taz.de -- Finnland hat einen neuen Ministerpräsidenten: Rechtsschwenk mit Fr… | |
> Petteri Orpo ist offiziell Sanna Marins Nachfolger als Regierungschef | |
> Finnlands. In seinem Kabinett gibt es nun 13 Frauen und 9 Männer. | |
Bild: Helsinki, 20. Juni: der neue finnische Ministerpräsident Petteri Orpo w�… | |
STOCKHOLM taz | Sanna Marin hat ihre Sachen gepackt. Am Montag zog | |
Finnlands scheidende Regierungschefin aus Kesäranta, dem | |
Ministerpräsidentenamtssitz aus, um für Petteri Orpo Platz zu machen. Galt | |
die Regierung [1][der populären Marin] als „Frauenregierung“, weil die | |
Vorsitzenden aller fünf Regierungsparteien Frauen waren, bleibt es mit Orpo | |
als Ministerpräsident bei einer weiblichen Mehrheit: Orpo ist nämlich der | |
einzige männliche Vorsitzende im Parlament und in seinem Kabinett teilen | |
sich nun 13 Frauen und 9 Männer die MinisterInnenposten. | |
Der 53-jährige Gewinner der [2][Parlamentswahl vom 2. April] wurde am | |
Dienstagmittag vom Reichstag in Helsinki mit einer Mehrheit von 107 zu 81 | |
Stimmen zu ihrem Amtsnachfolger gewählt. Orpo und seine | |
Vierparteienkoalition, die neben seiner eigenen konservativen | |
Sammlungspartei aus den rechtspopulistischen [3][Wahren Finnen], den | |
Christdemokraten und der liberalen Schwedischen Volkspartei besteht, haben | |
ein ehrgeiziges Programm präsentiert – es kann stürmisch werden. Ob er mit | |
einer Streikwelle rechne, war eine der ersten Fragen, die dem neuen | |
Regierungschef in der Pressekonferenz gestellt wurde. | |
Eine berechtigte Frage, denn die Rechtskoalition will nicht nur im | |
Sozialbereich, wo man beispielsweise den Wohngeldanspruch begrenzen will, | |
und im sowieso kräftig unterfinanzierten Gesundheitssektor mehrere | |
Milliarden einsparen, sondern auch die Rechte der arbeitenden Bevölkerung | |
und der Gewerkschaften kräftig beschneiden. Der Kündigungsschutz soll | |
geschwächt, die Einstellung von Zeitarbeitskräften erleichtert, das | |
Streikrecht begrenzt und bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ein | |
Karenztag eingeführt werden. Eine „Reform“, die damit begründet wird, man | |
müsse etwas gegen „unmotiviertes Fernbleiben vom Arbeitsplatz“ tun und | |
gleichzeitig für kleinere und mittelgroße Unternehmen die Schwelle zur | |
Einstellung neuen Personals senken. Der Plan eines Karenztages ist nicht | |
nur bei Gewerkschaften, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit | |
unmittelbar auf die lauteste Kritik gestoßen. Sollen Beschäftigte jetzt | |
krank zur Arbeit gehen, um keine Lohneinbussen hinnehmen zu müssen, fragen | |
manche Medienkommentare. | |
## Paradigmenwechsel bei der Asylfrage | |
„Ich musste fast heulen“, reagierte Markus Lohi, der stellvertretende | |
Vorsitzende der oppositionellen Zentrumspartei. Die Änderungen im Arbeits- | |
und Sozialsektor und die Verschärfung des Ausländer- und Asylrechts | |
bezeichnete die Linken-Vorsitzende Li Andersson kurzerhand als | |
„Katastrophe“. Die Zahl der Quotenflüchtlinge soll halbiert, Ausweisungen | |
erleichtert, Asylanträge erschwert, sowie Aufenthaltsgenehmigungen zeitlich | |
begrenzt und bedingt werden. | |
Dass die Schwedische Volkspartei diesen Maßnahmen zustimmte, obwohl sie im | |
Wahlkampf versprochen hatte, nicht Teil einer Regierung sein zu wollen, | |
deren Politik zu den humanitären Werten der eigenen Partei in Konflikt | |
stehe, führte bei dieser liberalen Partei zu Parteiaustritten – die eigene | |
Frauenvereinigung lehnte das Programm als „inakzeptabel und völlig | |
verwerflich“ ab. Als Orpo 2016 Innenminister war, hat er weitere | |
Einschnitte beim Asylrecht abgelehnt – die Werte der Wahren Finnen teile er | |
absolut nicht, hieß es. In den Sternen steht auch, wie seine Regierung | |
Finnland bis 2035 „klimaneutral“ machen wird – mit einer Klimapolitik, die | |
weder die Bevölkerung noch die Industrie finanziell belasten soll. | |
20 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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