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# taz.de -- Präsidentenwahl in Finnland: Alte Bekannte vor neuen Aufgaben
> Bei der Präsidentenwahl gelten der frühere konservative Regierungschef
> Alexander Stubb und der grüne Ex-Außenminister Haavisto als Favoriten.
Bild: Präsidentschaftskandidat Pekka Haavisto am Samstag dieser Woche bei eine…
Berlin taz | So kann es gehen im Leben: Als er sich vor sieben Jahren aus
der finnischen Politik verabschiedet habe, sei sein Gedanke gewesen, dass
das für immer sein würde, hat [1][Alexander Stubb] in den vergangenen
Wochen und Monaten immer mal wieder zu Protokoll gegeben. „Der Plan war,
etwas anderes mit meinem Leben zu tun, aber der Angriff Russlands auf die
Ukraine hat meine Meinung geändert, zitiert die US-Tageszeitung POLITICO
den ehemaligen finnischen Außenminister und Regierungschef.
Stubbs Sinneswandel könnte ihm jetzt das höchste Staatsamt in dem
nordischen Land einbringen. An diesem Sonntag stimmen die Finn*innen bei
Präsidentenwahlen über die Nachfolge von Sauli Niinistö ab, der nach zwei
sechsjährigen Amtszeiten nicht mehr kandidieren darf.
Jüngsten Umfragen des Marktforschungsunternehmens Taloustutkimus von Mitte
Januar zufolge führt der 55jährige, der für die in einer Koalition
regierende konservative Sammlungspartei (KOK) das Feld der neun
Bewerber*innen mit 27 Prozent an.
Stubb auf den Fersen ist Pekka Haavisto mit 23 Prozent. Auch der grüne
Liberale in Finnland beileibe kein Unbekannter: Bereits zweimal (2012 und
2018) trat er bei Präsidentenwahlen an. [2][Im Kabinett der
sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Sanna Marin, deren Regierung im
vergangenen April abgewählt wurde], hatte Haavisto den Posten des
Außenministers inne.
## Gut für Überraschungen
Dritter im Bunde, der noch für eine Überraschung sorgen könnte, ist der
aktuelle Parlamentspräsident Jussi Halla-Aho von der ultrarechten
Finnen-Partei (PS). Derzeit liegen die Umfragewerte für den 52jährigen, den
das finnische Verfassungsgericht 2012 wegen rassistischer Äußerungen zu
einer Geldstrafe verurteilt hatte, bei 18 Prozent – Tendenz steigend. Da
nach Lage der Dinge kein Kandidat an diesem Sonntag auf über 50 Prozent der
Stimmen kommen dürfte, findet am 11. Februar eine Stichwahl statt.
Der bevorstehende Urnengang stößt, anders als in früheren Jahren, im In-und
Ausland auf besonders großes Interesse. Grund dafür ist vor allem Russlands
Angriffskrieg gegen die Ukraine. Er hat nicht nur die europäische
Nachkriegsordnung aus den Angeln gehoben, sondern auch für Helsinki
wichtige Koordinaten verändert.
Am 4. April 2023 trat Finnland, das eine rund 1300 Kilometer lange Grenze
zu Russland hat, der Nato bei. Damit wurde der jahrzehntelange
außenpolitische Kurs der Neutralität, der auch das Bemühen um gute
Beziehungen zu Russland einschloss, ad acta gelegt. Vor diesem Hintergrund
kommen auf den neuen Präsidenten ganz besondere Herausforderungen zu: Laut
Verfassung zeichnet er für die Außen- und Sicherheitspolitik des Landes
verantwortlich und er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte.
Unter den Präsidentschaftskandidat*innen sind Finnlands künftige
Rolle in der EU und Nato sowie eine weitere Unterstützung der Ukraine
Konsens. Auch Jussi Halla-Aho, lautstarker Verfechter eines EU-Austritts
(„Fixit“) hat mittlerweile verbal etwas abgerüstet. Es sei gerechtfertigt,
auf lange Sicht einen Austritt aus der EU anzustreben … Aber gleichzeitig
erkenne man an, dass ein fragmentiertes Westeuropa angesichts der
vorherrschenden Weltlage viel schwächer gegenüber der Bedrohung durch
totalitäre Länder wäre, sagte er im vergangenen August.
## Striktere Visa-Vergabe
Die wachsende Bedrohung durch Russland war es auch, die Pekka Haavisto in
seiner Funktion als Außenminister im September 2022 dazu brachte,
entsprechende Gesetzesänderungen auf den Weg zu bringen. So wurde unter
anderem eine striktere Visa-Vergabe für Russ*innen eingeführt. Damit
sollten vor allem Männer daran gehindert werden, Finnland bei ihrem
Versuch, sich einer Einberufung zu entziehen, als Transitland zu nutzen.
Es gebe keine moralische oder ethische Basis dafür, das der russische
Tourismus normal weiter gehe. Helsinki habe dieses Thema auch oft in der EU
angesprochen, sagte Haavisto damals. Mittlerweile hat Finnland alle
Grenzübergänge zu Russland geschlossen, die Maßnahme wurde unlängst bis zu
11. Februar 2024 verlängert. Zu Begründung nennt die Regierung eine von
Moskau instrumentalisierte illegale Migration, die eine Bedrohung für
Finnlands nationale Sicherheit darstelle.
Die Angst vor dem Nachbarn lässt sowohl Stubb als auch Haavisto die Einheit
der finnischen Gesellschaft beschwören, um der Bedrohungslage widerstehen
zu können. Haavisto kündigte an, das diese Einigungsbemühungen zu einer
Priorität seiner Präsidentschaft machen zu wollen. Der 65jährige, der offen
schwul lebt, mahnte in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit an, bei
Hasssprache gegenüber Minderheiten härter durchzugreifen – vor allem eine
Botschaft an die Adresse der an der Regierung beteiligten Finnen-Partei.
„Wenn wir das Land gegen alle äußeren Bedrohungen, einschließlich der
russischen Bedrohungen, geeint halten wollen, ist es sehr wichtig, dass wir
diese Art von Themen national händeln können, da sie sonst gegen uns
missbraucht werden und es zu allen möglichen Provokationen kommen kann. Es
ist wichtig, dass wir als Finn*innen toleranter werden“, sagte er dem
britischen Guardian. Viele in Finnland lebende People of Color seien
Rassismus ausgesetzt, was er als Präsident ändern wolle. Der Umgang mit den
Menschen werde auf Gleichheit basieren.
## Einiges abverlangen
Wer auch immer in das Präsidentenpalais in Helsinki einziehen wird – „die
Aufgaben für den neuen Amtsinhaber sind immens und dürften ihm einige
abverlangen. Denn niemand kann derzeit abschätzen, wann und wie Russlands
Krieg gegen die Ukraine enden wird.
„Früher war die bilateralen Beziehungen zu Russland die Hauptaufgabe des
Präsidenten, aber jetzt ändert sich die Position, weil von diesen
Beziehungen nicht mehr viel übrig ist“, zitiert der arabische
Nachrichtensender Al Jazeera Minna Alander, wissenschaftliche Mitarbeiterin
am Finnischen Institut für Internationale Angelegenheiten. „Die Frage ist
also: Wie verändert sich die Präsidentschaft? Wird [der Präsident] nun
NATO-Präsident? Der Konsens scheint ja zu sein.“
28 Jan 2024
## LINKS
[1] /Ehemaliger-finnischer-Premier-zu-Ukraine/!5861178
[2] /Rechtsruck-in-Finnland/!5925638
## AUTOREN
Barbara Oertel
## TAGS
Finnland
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Petteri Orpo
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