# taz.de -- Die Wahrheit: Klandestines Büro hinterm Bahnhof | |
> Hat man endlich die "Vermittlungsstelle" hinter einem "unscheinbaren" | |
> Etablissement entdeckt, geht es gnadenlos bürokratisch weiter und weiter. | |
Aus einer geheimen Seitentür des Bahnhofs trat ich am Morgen ins Freie. Ich | |
trug einen Koffer, der meine gesamte weltliche Habe enthielt. Ausgestattet | |
mit einer neuen Identität und einem Stadtplan, machte ich mich auf den Weg | |
zu der geheimen Vermittlungsstelle, wo mir sowohl Unterkunft als auch | |
Verdienstmöglichkeit zugeteilt werden sollten. | |
Ich durchquerte die trockenen Bereiche der teilweise überfluteten | |
Innenstadt. An manchen Stellen reichte das Wasser den Fußgängern bis ans | |
Kinn, doch wirkten sie, als sei dies absolut nichts Ungewöhnliches für sie. | |
Von Weitem gewann ich den Eindruck, die Köpfe der Menschen schwebten über | |
die Wasseroberfläche hinweg. | |
Die Vermittlungsstelle verbarg sich hinter einem unscheinbaren | |
Tabakwarenladen. Nachdem ich dessen Inhaberin mein Passwort genannt hatte, | |
schickte sie mich mit der Anweisung „zweite Tür links“ auf den Flur hinter | |
dem Laden. Ich klopfte an die besagte Tür. Von drinnen war ein Laut zu | |
hören, den ich als Aufforderung zum Eintreten interpretierte. Ich öffnete | |
die Tür und blieb gleich wieder stehen. | |
Der Raum vor mir war fast gänzlich von in zwei Reihen aufgestellten | |
Büromöbeln ausgefüllt. Die vier oder fünf an Schreibtischen sitzenden | |
bebrillten Männer und Frauen, die in dicken Büchern blätterten und das dort | |
Gelesene mit zahlreichen vor ihnen an Tafeln befestigten Listen verglichen, | |
passten soeben hinein, doch für mich gab es keinen Platz. | |
## Altertümlich aussehender Kontorist | |
Im Zentrum dieser Landschaft stand ein großer runder Abfallbehälter aus | |
Blech. Links davon erhob sich hinter seinem Schreibtisch ein altertümlich | |
aussehender Kontorist, offensichtlich der Bürovorsteher. Indem er ein auf | |
der Tischplatte liegendes Schriftstück mit dem ausgestreckten linken | |
Zeigefinger berührte, sah er mich an. Auch ihm nannte ich mein Passwort. | |
„Ich weiß Bescheid“, erwiderte der Bürovorsteher. | |
Eine Sachbearbeiterin überreichte mir einen auf eine Schreibunterlage | |
geklemmten Fragebogen samt Stift. „Bitte ausfüllen, ohne lange zu | |
überlegen“, sagte sie. Die Fragen waren völlig unverständlich, und so | |
dementsprechend fielen meine Antworten aus. Das Ausfüllen war schnell | |
erledigt. | |
Die Sachbearbeiterin legte den Bogen dem Bürovorsteher vor, der meine | |
Angaben überflog, um sie dann mit denen auf einer Liste zu vergleichen. | |
Zuletzt schrieb er etwas auf ein Stück Papier und gab es der | |
Sachbearbeiterin. Sie leitete den Zettel an mich weiter mit der Anweisung: | |
„Geben Sie das dem Psychologen im Büro nebenan.“ | |
Nachdem ich dies getan hatte, versetzte mich der Psychologe in Hypnose. Er | |
nannte mir einen nach dem Zufallsprinzip generierten Satz, mit dem ich | |
später auf eine bestimmte Frage meines neuen Arbeitgebers antworten sollte. | |
Aus Gründen strengster Geheimhaltung kann ich hier leider keine Angaben | |
dazu machen, wie der Satz lautete. | |
20 Jun 2023 | |
## AUTOREN | |
Eugen Egner | |
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