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# taz.de -- Wahlanalyse der Berliner Grünen: Zwischen Eigenlob und Selbstkritik
> Beim Grünen-Parteitag gehen die Erklärungsversuche für die
> Wahlniederniederlage weit auseinander. Ein Befund: Die Sprache der Partei
> sei zu elitär.
Bild: Jarasch scheiterte damit, Regierungschefin werden, stand aber beim Partei…
Berlin taz | So kann man natürlich auch Aufarbeitung betreiben. An Programm
und Werten der Grünen brauche man nichts zu ändern – „darüber müssen wir
nicht sprechen, da können wir einen Haken dran machen“, sagt Oda Hassepaß,
Pankower Abgeordnetenhausmitglied, am Mittwochabend. Da hatten sich die
Berliner Grünen in Kreuzberg zu einem kleinen Parteitag getroffen, um
nochmal über die [1][Wahlniederlage im Februar] zu reden, Gründe dafür zu
suchen und Wege, es bei der Berlin-Wahl 2026 besser zu machen und aus der
Oppositionsrolle wieder herauszukommen.
Im Tagungsort am Besselpark – schräg gegenüber der taz – tauchte der
Begriff Wahlniederlage aber nicht wirklich auf. Stattdessen war vom
zweitbesten Ergebnis überhaupt zu hören, das die Grünen bei der Wahl am 12.
Februar mit ihren 18,4 Prozent geholt hätten. Das ist rein zahlenmäßig auch
nicht falsch: Besser war die Partei bloß bei der Wahl im September 2021.
Aber dass die Grünen [2][bei allen Umfragen im Jahr 2022] über 20 Prozent
lagen und noch knapp vier Wochen vor der Wahl auf 21 Prozent kamen, ließ
diese Betrachtung außen vor. Nur ein einziger Redner wies darauf hin, dass
der Landesverband, der seine Mitgliedszahl in den vergangenen sieben Jahren
auf fast 13.000 [3][mehr als verdoppelte], seit dem Wahlergebnis 2011
[4][um wenig mehr als einen Prozentpunkt] zugelegt hat.
Jenseits der Zahlen gingen die Erklärungsversuche für das Abschneiden bei
der Wahl teilweise weit auseinander. Unter den 34 Rednerinnen und Rednern
gab es welche, die ihre Partei als Opfer unfairer Attacken anderer Parteien
im Wahlkampf sahen, während auch zu hören war, man müsse „weg von der
Gesinnungspolitik der Grünen“ und sich mehr dem Thema innere Sicherheit
zuwenden. Das wiederum konterte ein anderer mit den Worten: „Was ich nicht
möchte, ist ein Law-und-order-Überbietungswettbewerb mit CDU und SPD.“ Die
Grüne Jugend als Nachwuchsverband der Partei kam am Redepult zu einer eher
überraschenden Einschätzung: „Wir blicken weitgehend positiv auf den
Wahlkampf zurück.“
## „Die SPD regiert und wir nicht“
Schon Anfang März, dreieinhalb Wochen nach der Wahl, hatte es einen kleinen
Parteitag zur Wahlauswertung gegeben, der Auftakt eines
„Wahl(kampf)analyseprozesses“ sein sollte. Waren damals kritische Stimmen,
die die Partei zu sehr in ihrer eigenen Welt und zu wenig in Kontakt mit
Menschen außerhalb der grünen Blase sahen, nur vereinzelt zu hören, war das
am Mittwochabend anders.
In der für den Parteitag vorbereiteten 14-seitigen Analyse des
Landesvorstands zur Wahl heißt es, man habe das Ziel verfehlt, die
Regierende Bürgermeisterin zu stellen, aber auch: „Unser politisches
Angebot hat erneut viele Berliner*innen überzeugt.“ Zugleich stellt der
Landesvorstand in dem Papier fest: „Die größte Verliererin ist die SPD, die
erneut ein historisch schlechtes Ergebnis einfuhr.“ Auch diese Feststellung
war zahlenmäßig richtig, hilft aber aus Sicht einer Rednerin aus Pankow
nicht weiter: „Wir können hundertmal sagen, dass die SPD Wahlverliererin
ist – aber die SPD regiert und wir nicht.“
Umstritten war auch, welchen Anteil die bundesweit diskutierte nochmalige
Sperrung der Friedrichstraße kurz vor der Wahl durch die damalige
Verkehrssenatorin und grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch hatte.
Jarasch selbst, die Berlins erste grüne Regierungschefin hatte werden
wollen, räumte nach der Wahl ein, die Entscheidung habe die Polarisierung
verstärkt. Die Sicht von Landeschef Ghirmai lautete: „Ich tue mich schwer
damit zu sagen, dass es ein Fehler war“. Als Dirk Jordan, in den 90er
Jahren Stadtrat in Kreuzberg, dazwischen rief: „Es war einer“, konterte
Ghirmai: „Ja, der eine so, der andere so.“
## Zu akademische Sprache
Während also einige einen nicht zu verändernden klaren grünen Kompass
betonten, andere die Bereitschaft zu Veränderungen forderten, gab es doch
eine übergreifende Feststellung: Die Sprache der Grünen sei zu akademisch.
„Das ist etwas, wo wir alle besser werden müssen, da können sich hier im
Saal drei Viertel an die eigene Nase fassen“, stellte Ghirmai fest und
bezog sich dabei mit ein. Fraktionschef Werner Graf schloss sich dem später
mit den Worten an, die Grünen kämen „zu elitär rüber“.
Exfinanzsenator Daniel Wesener – er gilt als möglicher Spitzenkandidat für
die nächste Wahl – erinnerte allerdings an Folgendes: Dass sich mit Kritik
an der Kommunikation grundsätzlich auch leicht von möglichen Defiziten bei
dem ablenken lässt, was kommuniziert wird. Ex-Spitzenkandidatin Jarasch
schließlich, an der es keine persönliche Kritik gab und die nun mit Graf
die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus anführt, empfahl mit Blick auf
politische Forderungen der Grünen „ein Tempo, in dem die Menschen mitgehen
können“.
15 Jun 2023
## LINKS
[1] https://wahlen-berlin.de/wahlen/BE2023/AFSPRAES/agh/index.html
[2] https://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/berlin.htm
[3] /Berliner-Parteienlandschaft/!5855783
[4] https://www.wahlrecht.de/ergebnisse/berlin.htm
## AUTOREN
Stefan Alberti
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