| # taz.de -- Ende der EU-Ratspräsidentschaft: Wo war denn Schweden? | |
| > Die Sorgen, dass Stockholm beim Klima und Naturschutz bremsen würde, | |
| > bewahrheiteten sich. Die schwedische Ratspräsidentschaft endet am | |
| > Freitag. | |
| Bild: Ulf Kristersson, schwedischer Ministerpräsident | |
| Stockholm taz | „Wir werden mit großer Entschlossenheit die Arbeit für ein | |
| grüneres, sichereres und freieres Europa vorantreiben“, hatte | |
| Ministerpräsident Ulf Kristersson Mitte Dezember die Ziele der schwedischen | |
| Ratspräsidentschaft zusammengefasst. Die Bilanz sieht trübe aus. | |
| Sicherer ist die EU nicht geworden. Es sei denn, mensch glaubt, dass mehr | |
| Aufrüstung zu mehr Sicherheit führt. Und falls die EU ein Stück grüner | |
| geworden sein sollte, so nicht wegen, sondern trotz Stockholm. Galt | |
| Schweden einst als klimapolitisches Vorbild, war in Brüssel die Unruhe | |
| gewachsen, nachdem im letzten Herbst klar wurde, was für eine Konstellation | |
| das Land künftig regieren würde: eine Rechtskoalition, [1][deren Politik | |
| von einem Abkommen mit den rechtsextremen Schwedendemokraten bestimmt | |
| wird]. Einer Partei, die einen „Swexit“ anstrebt. Dazu die Einigung auf ein | |
| Regierungsprogramm, in dem das Klimabudget um Milliarden gekürzt wurde und | |
| alle klimapolitischen Maßnahmen unter dem Vorbehalt stehen, Wirtschaft und | |
| Privathaushalte nicht zu belasten. | |
| Die Bedenken wuchsen noch nach der Botschaft von Umwelt- und | |
| Klimaministerin Romina Pourmokhtari im vergangenen November bei der COP 27 | |
| in Ägypten: Der schwedische Klimagasausstoß in den kommenden Jahren werde | |
| wachsen, eine „Klimaneutralität“ bis 2045 sei nicht zu erreichen, Schweden | |
| strebe keine Vorreiterrolle mehr an. Im EU-Parlament und von | |
| EU-Klimaschutzkommissar Frans Timmermans wurde daraufhin das Motto | |
| ausgegeben: so viel wie möglich unter der tschechischen Ratspräsidentschaft | |
| unter Dach und Fach bringen, bevor Schweden übernimmt und alles ausbremst. | |
| ## Kritik an Schweden auch wegen Naturschutzgesetz | |
| „Warum lügst du?“, reagierte nun auch Christian Valtersson, Politik- und | |
| Kommunikationschef in der EU-Kanzlei der grünen Miljöpartiet auf einen | |
| Tweet der Wirtschaftsministerin Ebba Busch vergangene Woche – [2][„wir | |
| haben das EU-Klimapaket ‚Fit-für 55‘ über die Ziellinie gebracht“], sch… | |
| sie. Es war ein Kompromiss über die Erneuerbare-Energien-Richtlinie, die | |
| mit der Anrechnung von Atomstrom auch ganz den Vorstellungen der | |
| schwedischen Regierung entsprach. Andere Teile des Pakets hatte man von | |
| vornherein gar nicht erst angepackt. | |
| Kritik erntete Schweden auch für den Umgang mit dem Naturschutzgesetz. Die | |
| „große Entschlossenheit“, die Ministerpräsident Kristersson angekündigt | |
| hatte, bestand darin, dass Schweden wie andere konservativ regierte | |
| EU-Länder alles daran setzte, es möglichst zu verwässern. Mehr noch: Man | |
| versuchte es zwischenzeitlich ganz von der Tagesordnung abzusetzen. | |
| Deutschland, Frankreich und Spanien schickten daraufhin einen formellen | |
| Protest nach Stockholm, die belgische Umweltministerin Zakia Khattabi | |
| beklagte einen „regelrechten Coup“. | |
| Weil der dann doch nicht gelang, stimmte Schweden im Ministerrat kurzerhand | |
| gegen den selbst vorgelegten Entwurf. Die regierende Zentrumspartei sorgte | |
| mit ihrer ausschlaggebenden Stimme dafür, dass [3][der am Dienstag auch im | |
| Umweltausschuss des Europaparlaments scheiterte]. Die eigenen Interessen so | |
| offensichtlich über die kollektiven Interessen der Mitgliedsstaaten zu | |
| stellen, sei „bemerkenswert“, kritisierte Gustaf Lind, Generalsekretär von | |
| WWF-Schweden. | |
| ## Frei von Migration | |
| Eher im Sinne dieser schwedischen Regierung war der Kompromiss zum Asyl- | |
| und Migrationspakt. Wo man die Fraktion stärkte, die eine zwingende | |
| Umverteilung von Asylsuchenden ablehnt. Falls Kristersson mit einem | |
| „freieren Europa“ eines frei von Migration gemeint haben sollte, hat | |
| Schweden die EU diesem Ziel tatsächlich näher gebracht. Wobei, unter einer | |
| sozialdemokratisch geführten Regierung hätte es wohl nicht wesentlich | |
| anders ausgesehen. Es war schließlich die Parteigenossin und | |
| EU-Innenkommissarin Ylva Johansson, die seit 2020 auf diesen Kahlschlag des | |
| Asylrechts hingearbeitet hatte. | |
| In der schwedischen Öffentlichkeit blieb der Ratsvorsitz nahezu unsichtbar. | |
| Fast alle Treffen waren in einem passenderweise „Hangar“ und „Bunker“ | |
| getauftem abgeriegeltem Konferenzzentrum 45 km von der Hauptstadt entfernt. | |
| „Man wollte uns nicht einmal in Stockholm haben“, zitierten Medien | |
| verwunderte Diplomaten und Journalisten. | |
| Ein Bild, das von der nach 2001 und 2009 dritten Ratspräsidentschaft im | |
| Gedächtnis bleiben könnte, war das Auftakttreffen im Januar mit dick | |
| vermummten Regierungschefs im verschneiten Kiruna. Ein PR-Erfolg auch, weil | |
| man da ein schon vor Jahren entdecktes Vorkommen an „seltenen Erden“ als | |
| Neuigkeit verkaufte. | |
| 30 Jun 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Wahlergebnisse-in-Schweden/!5881812 | |
| [2] https://twitter.com/BuschEbba/status/1669753754638331921 | |
| [3] /Keine-Einigung-auf-Renaturierung/!5940284 | |
| ## AUTOREN | |
| Reinhard Wolff | |
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