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# taz.de -- Osnabrücker Höflichkeits-Forschung: „Nicht schlecht“ kann all…
> Nicole Gotzner von der Universität Osnabrück erforscht, wie höfliches
> Sprechen funktioniert. Meist geht es darum, das Gesicht zu wahren.
Bild: Feine Unterschiede: Wer höflich kommunzieren will, muss Interpretationss…
Osnabrück taz | Wie kann ich einem Computer beibringen, was ein Mensch
meint? Mit dieser Frage befasst sich die Sprachwissenschaftlerin Nicole
Gotzner von der Universität Osnabrück in einem neuen Forschungsprojekt.
Gotzner will ein Computermodell entwickeln, das aus der Art, wie
kommuniziert wird, auf die Sprecher und deren Verhältnis zueinander
schließen kann.
In vorherigen Studien hatte die Forscherin nachgewiesen, dass die Art, wie
Menschen miteinander sprechen, etwas darüber aussagt, wer sie sind und in
welchem Verhältnis sie zueinander stehen. Männer verstehen bestimmte
Aussagen anders als Frauen; mit dem Chef spreche ich auf andere Weise als
mit Kollegen.
Gotzners Idee besteht darin, menschliche Kommunikation durch eine
künstliche Intelligenz (KI) wie [1][Chat GPT] simulieren zu lassen und das
Ergebnis mit tatsächlicher menschlicher Kommunikation abzugleichen. Auf
diese Weise ließen sich Theorien über das menschliche Sprechen verbessern
und neue Forschungsfragen finden.
Das Feld, auf dem Gotzner ihre virtuellen Sprecher aufeinander loslässt,
ist das der [2][höflichen Kommunikation.] Was diese Art des Austauschs für
die Forschung so interessant macht, ist deren Vagheit: Wer höflich
kommuniziert, lässt seinem Gegenüber einen Interpretationsspielraum, der es
ihm ermöglicht, sein Gesicht zu wahren.
## Universelle Höflichkeitsstrategien
Die Professorin nennt als Beispiel den Dialog: „Deine Arbeit war nicht sehr
gut.“ – „Hast du gerade gesagt, dass meine Arbeit schlecht war?“ – �…
ich meinte, dass sie gut war, nur nicht sehr gut.“ Die Vagheit der
Formulierung ermöglicht es dem Sprecher, die Schärfe des Gesagten
angesichts der Reaktion des Gegenübers zu mildern, also ein Schlupfloch aus
einer unangenehmen Situation zu finden.
„Man geht davon aus, dass diese Höflichkeitsstrategien universell sind“,
sagt Gotzner. Sie will das nutzen um herauszufinden, nach welchen Regeln
und unter welchen Bedingungen Sätze wie verstanden werden.
Bei ihren bisherigen Experimenten setzte die Forscherin menschlichen
Probanden einen Dialog vor, den sie einschätzen sollten. Dabei ging es
immer um den gleichen Gesprächsinhalt – lediglich Sender und Empfänger
variierten. Die Probanden wurden beobachtet oder gebeten, auf einer Skala
einzuschätzen, wie eine Aussage zu interpretieren sei.
Dabei hat sich ergeben, dass das Machtverhältnis, die soziale Distanz und
das Geschlecht von Sender und Empfänger eine Rolle dafür spielen, wie
Höflichkeitsstrategien funktionieren. „Ein Satz wie ‚Deine Rede war nicht
schlecht‘ kann von Menschen, die sich als männlich identifizieren, als
Kompliment im Sinne von ‚Deine Rede war sehr gut‘ gemeint sein, wird aber
von Menschen, die sich als Frauen identifizieren, eher als mittelmäßig
interpretiert“, berichtet Gotzner.
In ihrem Projekt, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit 30.000
Euro unterstützt wird, versucht sie nun ein computerbasiertes Modell zu
entwickeln, das diese Feinheiten menschlicher Kommunikation erkennen und
interpretieren kann. Dabei geht es auch darum, das nicht Gesagte aus dem
Kontext zu erschließen und zu ergänzen. „Was wir brauchen, um ein höfliches
Verhalten zu entwickeln, ist, dass wir darüber nachdenken, was andere
Personen sagen könnten“, sagt Gotzner.
Sie nennt ein Beispiel: „Wenn jemand sagt:,Leo hat einige Kekse gegessen',
dann schließe ich daraus, er hat nicht alle Kekse gegessen. Warum? Weil der
Sprecher auch hätte sagen können:,Leo hat alle Kekse gegessen‘.“ Ähnlich
funktioniert es, wenn wir das Ende eines Satzes aus dessen Kontext
antizipieren, bevor er zu Ende geführt wurde.
## Virtuelle Sprecher sollen Dialog führen
Statt solche Dialoge wie bisher mit menschlichen Probanden zu erforschen,
wollen Gotzner und ihr Team zusammen mit Forschern der kalifornischen
Universität Irvine jetzt [3][virtuelle Sprecher] erschaffen, die
miteinander in einen Dialog treten können. Auf diese Weise könnten sich
schnell viele Kommunikationskonstellationen und Kommunikationsweisen
durchspielen lassen.
Den Wissenschaftlern wäre es damit möglich, auf viel effizientere und
umfangreichere Weise als bisher ihre Hypothesen über die menschliche
Sprachfähigkeit zu testen. Zugleich können die dabei verwendeten
KI-Programme lernen, nicht mehr jede menschliche Äußerung wörtlich zu
nehmen.
22 Oct 2023
## LINKS
[1] /Folgen-von-Kuenstlicher-Intelligenz/!5936188
[2] /Ueber-die-beruhigende-Wirkung-von-Respekt/!5911181
[3] /Risiken-von-KI/!5923244
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
Computer
Roboter
Höflichkeit
Sprache
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
künstliche Intelligenz
Technologie
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