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# taz.de -- Brände nach Baustopp-Urteil: Wem nützt das?
> In einem kleinen Wald in Bremen soll gebaut werden. Ein Gericht hat den
> Plan wegen eines Sperber-Paares gestoppt. Jetzt brennt es dort immer
> wieder.
Bild: Da soll ein Neubaugebiet hin: der Naturwald zwischen den Bremer Stadtteil…
Bremen taz | Drei Brände innerhalb eines halben Jahres, immer an ähnlicher
Stelle – das macht Walther Erwes stutzig. Er spricht für die Bremer
Bürgerinitiative Klimawald, die am Übergang der Stadtteile Gete und Vahr
[1][ein Neubaugebiet] verhindern will. Dort, wo jetzt ein kleiner Wald
steht. Zuletzt brannte es am Montag frühmorgens. Das Feuer hat den Rest
eines längst verfallenen Parzellenhäuschens komplett verbrannt.
Bereits am 1. Mai, ebenfalls frühmorgens, habe der erste Teil des Häuschens
in Flammen gestanden, sagt Erwes. Die Brände ähnelten sich auffällig: immer
in den frühen Morgenstunden, immer derselbe Brandort, immer in der Nähe vom
Horst des Sperber-Paares, das in dem Wald lebt. „Das fällt auch unserem
Anwalt auf“, sagt er.
Die Stadt will dort [2][Wohnungen und Reihenhäuser] bauen lassen. Im April
2021 formierte sich die Bürgerinitiative dagegen. Vor gut einem Jahr kaufte
ein Investor das Grundstück. Aber das Oberverwaltungsgericht Bremen hat den
Bebauungsplan Ende vergangenen Jahres für ungültig erklärt. [3][Ein Grund
für die Entscheidung]: Der Investor habe „die Auswirkungen der Planung in
Bezug auf die Vogelart Sperber nicht hinreichend untersucht“.
Der Wald, in dem auch alte Schrebergartenparzellen stehen, ist nach Angaben
der Bürgerinitiative 28.000 Quadratmeter groß. Umgeben von Wohngebieten
und weiteren genutzten Gartenparzellen ist er im Osten der Hansestadt ein
seltener Anblick. „Das ist ein Biotop, verwildert und vereinsamt, über 60
Jahre alt“, sagt Erwes. Die Initiative weist auf ihrer Internetseite darauf
hin, dass Tiere und Pflanzen dort besondere Lebensräume fänden, die es nur
in Naturwäldern gebe. „Der Wald speichert CO2 und schützt vor Starkregen“,
sagt Erwes.
## Sperber geht nicht freiwillig
Ein Gutachter, der den Wald im Auftrag der Initiative untersucht habe,
halte den Wald für einen „Top-Ort“ für das Vogelpaar, sagt Erwes. Umsiede…
sei dagegen gar nicht möglich. Wo Menschen joggen und Radfahren, etwa im
Bremer Bürgerpark, gehe kein Sperber hin. Freiwillig zumindest: „Diese
Angriffe mit Feuer und Rauch sind schon geeignet, die irgendwann zu
vergrämen.“
Bereits am 27. Dezember und am 1. Mai hatte es gebrannt. Erwes und seine
Mitstreiter*innen haben zweimal Anzeige erstattet. Die dritte sei in
Vorbereitung. „Wir glauben nicht an Zufälle. Jeder normale Bürger fragt
sich inzwischen: Wem nützt das eventuell?“ Auffällig sei auch, dass die
Notrufe immer „relativ rasch“ bei der Feuerwehr eingegangen seien – und
zwar nicht aus der direkten Nachbarschaft. „Wir kennen die Nachbarn alle.“
Anzeige gegen Unbekannt habe auch das Bauunternehmen M-Projekt erstattet,
sagt deren Geschäftsführer Olaf Mosel. Das Unternehmen hat das Grundstück
mit dem Klimawald, wie die Bürgerinitiative ihn nennt, im vergangenen Jahr
gekauft. „Ob das Feuer absichtlich gelegt wurde, weiß ich nicht“, sagt
Mosel. Natürlich werde suggeriert, dass das Bauunternehmen selbst
dahinterstecken könnte – „es wäre aber vollkommen idiotisch, wenn wir
dreimal Feuer legen, natürlich haben wir das nicht gemacht“.
Das ehemalige Parzellengebiet mit einigen Häuschen sei verwildert und
verwaist, sagt Mosel. „Ich vermute auch, dass das Gelände von Jugendlichen
genutzt wird, die da nachts in die Häuser eindringen.“ Das bemerke ja erst
einmal niemand. „Wer will, kann sich dort Zutritt verschaffen.“ Daher
könnten die Brände auch unbeabsichtigt entstanden sein.
## Investor hält an Plänen fest
Die Bürgerinitiative wirft dem Investor vor, das Grundstück nach dem Erwerb
zugänglicher gemacht zu haben. An der Seite, die an einer größeren Straße
liegt, seien Türen aus dem Zaun entfernt worden, sagt Erwes. Über den Zaun
zu klettern, sei schwierig, doch jetzt gebe es zwei, drei Lücken. Damit
hielten einen nur noch Unterholz und Brombeeren davon ab, in den Wald
einzudringen.
Alles sei so wie vor einem Jahr, sagt dagegen Mosel. Zäune gebe es rund um
alle Parzellen auf diesem Gebiet nicht. Man habe nach dem Erwerb keine
Türen oder Ähnliches entfernt.
Trotz des Gerichtsurteils halte man an dem Vorhaben fest. Der Bebauungsplan
werde erneut vorgelegt; das Artenschutzgutachten, das vom Gericht
kritisiert wurde, habe man bereits überarbeitet. Nun steht drin, wohin der
Sperber umziehen kann, wenn sein Baum weg muss. „Der Sperber ist streng
geschützt“, weiß auch Mosel. Wenn sein Baum gefällt werde, suche dieser
sich aber einfach ein anderes Zuhause – „logisch“ nennt Mosel das. Aber: …
alten Gutachten hätten diese „Ersatzhabitate“ gefehlt.
## Brief an die Umweltsenatorin
Am Montagabend habe Erwes einen Brief an die Umweltsenatorin geschrieben.
„Ich habe darum gebeten zu überprüfen, ob nach dem dritten Brand nicht auf
den Projektentwickler eingewirkt werden kann, Maßnahmen zu treffen, die das
Gelände unzugänglicher machen.“ Die Brände seien nicht nur für die Sperber
eine Gefahr, sondern auch für die Anwohner*innen, deren Häuser direkt an
den Wald grenzen – gerade jetzt bei der Trockenheit.
Laut Erwes sollen bei den ersten beiden Bränden jeweils Brandbeschleuniger
verwendet worden sein. „Bei allen Bränden wurde bisher kein
Brandbeschleuniger festgestellt“, schreibt dagegen ein Polizeisprecher. Man
prüfe „Zusammenhänge zwischen diesem Brand und den Feuern vom Mai und
Dezember“ und gehe dabei verschiedenen Hypothesen nach. „Hierbei spielen
Funkenflüge aufgrund der hohen Temperaturen eine Rolle, wie auch eine
mögliche vorsätzliche Brandlegung im Zusammenhang mit der weiteren
Verwendung des Grundstücks.“
22 Jun 2023
## LINKS
[1] /Neue-Wohnungen-in-der-Baukrise/!5933367
[2] /Wohnungsbau-in-Hamburg/!5933397
[3] https://www.oberverwaltungsgericht.bremen.de/sixcms/media.php/13/PressOVG22…
## AUTOREN
Alina Götz
## TAGS
Waldbrände
Wald
Bremen
Bürgerinitiative
Investor
Holzindustrie
Wohnen
Flächenverbrauch
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