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# taz.de -- Studie zum Küssen: Wenn das Feuerwerk kommt
> Eine Studie fand heraus: Menschen küssen seit einem Jahrtausend länger
> als bisher angenommen. Doch noch immer ist umstritten, warum überhaupt.
Bild: Je stärker eine Gesellschaft in soziale Schichten unterteilt ist, desto …
Menschen tun seltsame Dinge miteinander, wenn man sie so beobachtet, als
wäre man selbst keiner. Wenn man genau hinschaut, auf ihre Bewegungen,
ihre Gesten, ihre Hände. Sie umarmen sich, drücken einander Pickel aus, sie
beißen sich, aus einem spontanen Impuls der Zuneigung, sie schürzen ihre
Lippen und pressen diese auf eine Stelle auf dem Körper eines anderen,
meistens auf den Mund, manchmal öffnen sie die Lippen ein bisschen und
schieben ihre Zunge durch, geradewegs in den Mund des Gegenübers, mit
geschlossenen Augen.
So tun es auch zwei eng umschlungene Menschen aus Ton auf einem Relief, das
vor 3.800 Jahren in Mesopotamien, dem Zweistromland zwischen Euphrat und
Tigris, getöpfert wurde. Diese Tontafel zusammen mit ein paar noch älteren
mit Keilschrift darauf haben die Wissenschaft kürzlich [1][etwas Neues]
gelehrt: Menschen berühren sich mit den Lippen schon viel länger als bisher
angenommen, der älteste belegbare Kuss aus Zuneigung und Verlangen soll
4.500 Jahre zurückliegen, das ist ein Jahrtausend mehr als bisher gedacht.
Außerdem glaubte man zuvor, dass Menschen in Südasien mit dem Küssen
angefangen hätten und es sich andere von ihnen abschauten, bis überall
Menschen einander küssten. Die beiden Autor:innen der Studie gehen nun
aber eher davon aus, dass die Menschen an allen möglichen Orten das Küssen
praktizierten. Und weil Bonobos und Schimpansen es genauso tun, vermuten
sie, dass das Küssen dem Menschen angeboren ist, wie der Saugreflex beim
Neugeborenen oder das Bedürfnis nach Nähe.
Doch darüber ist sich die Wissenschaft längst nicht einig. Schon Anfang des
20. Jahrhunderts beschrieb der Sozialanthropologe Bronislaw Malinowski in
seiner Ethnografie, dass die Menschen auf den Kiriwina-Inseln in der Südsee
vor Papua-Neuguinea das Küssen für eine von Westler:innen praktizierte
geschmacklose Albernheit hielten. Und [2][2015] untersuchten [3][drei
Forscher:innen] 168 Menschengruppen aus aller Welt und fanden heraus,
dass 54 Prozent dieser größeren und kleineren Gesellschaften einander gar
nicht küssten. Die Regel, die sie fanden: Je stärker eine Gesellschaft in
soziale Schichten unterteilt ist, desto häufiger wird geküsst.
## Die körpereigene Drogenproduktion wird angekurbelt
Auch über das Warum wird noch gegrübelt. Die einen sagen, der Kuss helfe
bei der Partner:innenwahl, um herauszufinden, ob die Chemie im Speichel
stimmt, ob jemand gesund ist und gesunde Babys machen kann. Ein
Überbleibsel des Tieres in uns. Und weil der Kuss ein neuronales Feuerwerk
auslöst, das wiederum die körpereigene Drogenproduktion ankurbelt, bekommen
wir auch richtig Bock aufs Babymachen, ob mit oder ohne Resultat. Die
anderen wiederum sagen, der Kuss sei eine kulturelle Geste, etwas
Erlerntes, wie der Händedruck zur Begrüßung.
Ob das Rätsel um des Homo sapiens’ Kuss jemals gelüftet wird? Welcher
Mensch auch immer aus welchem Grund mit dem Küssen angefangen hat – es sei
ihm von Herzen gedankt.
16 Jun 2023
## LINKS
[1] https://www.science.org/doi/10.1126/science.adf0512
[2] /Neue-Studie-ueber-romantisches-Kuessen/!5220108
[3] https://hraf.yale.edu/romantic-or-disgusting-passionate-kissing-is-not-a-hu…
## AUTOREN
Nora Belghaus
## TAGS
wochentaz
Küssen
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Anthropologie
Körper
Chemie
Sexualität
Männer
Küssen
LiebeIstAlles
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