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# taz.de -- Von der Polizei geweckt: Blaues Licht zur blauen Stunde
> Niemand wird gerne geweckt. Besonders nicht von einer Handvoll Beamter.
> Selbst dann nicht, wenn man zur Abwechslung kein Verbrechen begangen
> haben soll.
Bild: Unterschätzte Errungenschaft des Zivilisationsprozesses: ein Zaun
Es klingelt Sturm an der Tür: in Viererblocks („ding-ding-ding-ding“) ein
paar Mal tief im Unterbewusstsein, dann folgen noch so circa 20 Dings in
echt. So ganz genau weiß ich es nicht. Der Schlaf war eben noch zu tief,
dank der endlich etwas abgekühlten Sommerluft – und wegen der
[1][inzwischen angeschlagenen Antihistaminika] gegen die Pollen.
Nach ein paar Minuten setzt sich die Randale an der Haustür allerdings
gegen die klimatischen wie die pharmazeutischen Downer durch. Es ist jetzt
gleich fünf Uhr morgens.
Beim vorsichtigen Spähen durchs Fenster entdecke ich eine Handvoll
Polizisten im Vorgarten, was nichts Gutes bedeuten kann, aber immerhin wach
macht. Nicht dass man kürzlich was verbrochen hätte, aber aus alter
Gewohnheit wird man ja doch immer ein bisschen unruhig bei sowas.
Im Schlepptau haben die Beamten den Nachbarn von gegenüber, der offenbar
schneller aus dem Bett kam. Um ihn ging’s dann auch: Sein Auto war nachts
wohl rückwärts aus der Einfahrt gerollt und dann weiter über die Straße bis
in meinen Zaun. Der Nachbar wirkt ein bisschen ertappt und auch noch etwas
wacher als ich.
## Klären, was längst klar ist
Nach Klärung der Sachlage sollten wir Personalien austauschen, meint ein
Polizist, woraufhin sich zum bereits zirkulierenden Adrenalin noch ein
kleiner Schuss des namenlosen Neurotransmitters gesellt, der fürs
Angepisstsein zuständig ist. Ich mein, es ist der Nachbar von gegenüber.
Wir haben schon Kinderfahrräder getauscht und sogar mal einen Kohlrabi.
Aber das ist eine andere Geschichte.
Die Rahmenbedingungen meiner Laune werden jedenfalls immer diffuser: zu
früh geweckt von zu viel Polizei, ein hässlicher Zaun, der mich nicht
interessiert, und ein Nachbar, bei dem ich nur hoffen kann, dass seine
Kinder trotz allem genauso komatös in ihren Betten liegen wie meine.
Tja nun, es ist ja sicher alles gut gemeint – und war übrigens auch schon
der zweite Polizeibesuch seit [2][dem Umzug aufs Land]. Das andere Mal
wurden sie von (allerdings anderen) Nachbarn gerufen, weil unsere Haustür
offen stand …
Aber so wie damals findet auch dieser Einsatz ein baldiges Ende, doppelt
unterstrichen durch mein verschlafenes „Ja“ auf die Frage, ob ich hier
eigentlich der Eigentümer sei. [3][Das bin ich nämlich] zum Glück. Sonst
hätte ich den ja auch noch anrufen müssen und dann hätten sich neben Autos
und Schutzpolizei vermutlich bald noch irgendwelche Tiefbauunternehmen in
meinen Garten gesellt.
## Friede den Hütten
Denn der mutmaßliche Arsch von Eigentümer wird es ganz bestimmt irgendwie
hinbekommen, den Kratzer am Zaun zum gewaltigen Versicherungsschaden
aufzublasen und bei der Reparatur noch Carport und/oder Tiefgarage
einzuheimsen. [4][Kennt man ja.]
Witzig ist die ganze Geschichte selbstverständlich nur deshalb, weil ich
als weißer Hauseigentümer auch nachts in Unterwäsche mit Ruhepuls an die
Tür schludern kann, wenn die Polizei den Garten stürmt. Wie es dem nun
nicht ganz so kartoffeligen Nachbarn und seiner Familie damit ging, kann
ich nur raten. Das heißt: Ich werde ihn gleich nach Redaktionsschluss noch
fragen, sobald er rüberkommt, um bei Tageslicht über die Zukunft des Zauns
zu verhandeln.
Und wenn auch das einmal ausgestanden ist, dann suche ich diesen Schalter,
mit dem man die Klingel ganz abstellen kann, so wie die
Voreigentümer:innen es ihrerzeit mal eingerichtet hatten. Ich hatte
mich beim Umbau schon gefragt, was der Quatsch eigentlich soll. Und jetzt –
naja – jetzt hab ich’s eben doch verstanden.
19 Jun 2023
## LINKS
[1] /Aerztin-ueber-Krankheiten-und-Klimawandel/!5769249
[2] /Umzug-von-der-Stadt-aufs-Land/!5803934
[3] /Der-Spiesser-ist-der-andere/!5873109
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Versicherungsbetrug
## AUTOREN
Jan-Paul Koopmann
## TAGS
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Polizei
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Stadt-Land-Gefälle
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