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# taz.de -- Drohungen gegen Meteorolog*innen: Hass auf den Boten
> Auf Social Media werden Meteorolog*innen zunehmend Opfer von
> Anfeindungen. Ihre Stimmen sind unbequem für
> Klimawandelleugner*innen.
Bild: Extreme, die normal werden: Mann blickt auf Rauchsäule, die von einem Wa…
„In Zeiten, wo die Meteorologen nicht mal das Wetter für die nächste Woche
genau voraussagen können, wollen die uns ernsthaft was über die nächsten
Monate sagen? Bekloppt. Und Hysterieverbreitung.“ „Corona zieht wohl nicht
mehr, oder, ihr Widerlinge?“ „Die dreisten Hütchenspieler des DWD! […] D…
Temperaturanstieg ist ein Betrug.“
Nur einige von [1][Dutzenden wütenden Kommentaren in sozialen Netzwerken].
Auslöser: eine Meldung vom 9. Juni, wonach der Deutsche Wetterdienst (DWD)
einen weiteren zu warmen Sommer erwarte.
In Brandenburg brennen Wälder, in Skandinavien schlagen die Behörden Alarm,
da die Gefahr von Waldbränden extrem hoch ist. Insbesondere Südschweden ist
betroffen, aber auch in Dänemark hat der Trockenindex den maximalen Wert
von 10 erreicht. Teile von Südeuropa mussten bereits [2][einen extremen
Frühling und Frühsommer erleben]. Diese brachten nicht nur Dürre und
Schäden durch anschließende heftige Regenfälle mit sich, sondern auch eine
Flut von Anfeindungen gegen Meteorolog*innen.
In Spanien klagten Fachverbände im Zuge der extremen Hitze im Frühjahr
[3][über eine Vielzahl von Hassbotschaften]. Das Staatliche Meteorologische
Amt veröffentlichte ein Video, in dem Anfeindungen und Beleidigungen
thematisiert werden: Als Mörder und Kriminelle würden Mitarbeitende
beleidigt.
## Sogar Morddrohungen
Estrella Gutiérrez, seit 30 Jahren in leitender Funktion bei dem Amt,
betonte, sie habe „noch nie“ erlebt, was sie und ihre Kolleg*innen nun
durchmachten: Schikanen, Beleidigungen und sogar Morddrohungen. Die Wucht
der Hitzeperiode führte zu einer krassen Reaktion von Klimaleugner*innen,
die offenbar umso heftiger um sich schlugen, je mehr ihre selektive
Weltsicht mit der Realität nicht mehr in Einklang zu bringen war.
Besonders besorgniserregend sei, dass viele Menschen den Legenden glaubten,
es gebe eine Wetterkontrolle, sagte Gutiérrez. Den Tweet der Behörde zu
den Hassbotschaften kommentierte ein Nutzer beispielsweise mit dem Hinweis
auf eine angebliche „Klimamanipulation“, die erzeugt werde, „um Dürren a…
eines der Ziele der satanischen Agenda 2030 zu verursachen“.
## Mehrere Verschwörungserzählungen
Hier greifen mehrere Verschwörungserzählungen ineinander: Ob systematische
Falschbehauptungen zu Gender-Wissenschaft, [4][Impfungen] oder zum
Klimawandel – gemeinsam haben sämtliche Legenden die inhaltliche Struktur,
daher sind sie auch kompatibel: Eine kleine bösartige Elite wolle die
Menschheit versklaven und/oder Völker auslöschen – und dieser Plan werde
mit Hilfe von Politik, Medien und Wissenschaft umgesetzt.
Dass die Themen austauschbar sind, bestätigt auch [5][der Fachjournalist
Toralf Staud], der für das Portal Klimafakten.de arbeitet: „Mit Beginn der
Pandemie brach ein Grundrauschen von Anfeindungen ab. Über Monate kam
nichts, null, gar nichts.“ Staud mutmaßt, dass sich diese Leute plötzlich
neuen Verschwörungsmythen und imaginierten Feinden zugewandt hatten.
„Genauso bemerkenswert war dann das langsame Wiederhochgehen der
Beschimpfungen in dem Maße, in dem die pandemische Phase abebbte und sich
die – so deute ich es – Zeit und Wut dieser Leute wieder anderen Themen
zuwandte“, so Staud im Gespräch mit der taz.
Die Legende von der Wetterkontrolle ist ein internationaler Klassiker der
Verschwörungstheorien. Mittlerweile sind vorgebliche Chemtrails selbst in
deutschen Parlamenten aufgezogen: Die AfD [6][stellte im Mai eine Anfrage
im Sächsischen Landtag]; man wolle Sorgen aus der Bevölkerung aufgreifen,
teilte die Fraktion mit.
## AfD fragt nach Chemtrails
Angeblich habe „eine wachsende Anzahl von Bürgern“ des Öfteren
Flugbewegungen festgestellt, „die nach ihrer Auffassung mit einer
zielgerichteten Einbringung von Chemikalien in die Atmosphäre begründet
seien und damit Zielsetzungen wie das Geo-Engineering oder die
Bevölkerungsreduktion verfolgt würden“, heißt es in der Anfrage. Als
Geo-Engineering bezeichnet man unter anderem vorsätzliche Eingriffe ins
Klima.
Im MDR erklärte der AfD-Abgeordnete Sebastian Wippel, der die Anfrage
eingereicht hat, er wisse nicht, ob es nicht Chemtrails gebe. In Zeiten, in
denen „der Klimawandel an allererster Stelle steht“, werde so was
vielleicht gemacht.
## Belege? Fehlanzeige
Belege? Fehlanzeige. Die Legende von Chemtrails kursiert seit Jahrzehnten;
2011 stellte das Umweltbundesamt fest, es gebe für das Einbringen von
Aluminiumverbindungen in die Atmosphäre und die Bildung sogenannter
Chemtrails keinerlei wissenschaftliche Belege. Auch in Großbritannien
mussten Meteorolog*innen erfahren, wie aggressiv mittlerweile gegen
sie agitiert wird. Als die BBC 2022 [7][einen Temperaturrekord von 40 Grad
vorhersagte], prasselten wütende Kommentare auf den Sender ein.
Viele behaupteten, es sei schon immer mal heiß gewesen, und verwiesen auf
einen Sommer Mitte der 1970er Jahre – als die maximale Temperatur
allerdings mehr als 4 Grad unter dem neuen Rekord gelegen hatte. Zudem, so
merkt die BBC an, seien seit 1990 neun der zehn heißesten Tage aller Zeiten
gemessen worden.
Die Überbringer der schlechten Nachrichten werden dafür angefeindet,
Tatsachen zu benennen. Der BBC-Meteorologe Tomasz Schafernaker sagt dazu:
„Was mich am meisten frustriert, ist, wenn mir vorgeworfen wird, die
Wahrheit zu verdrehen. Als Meteorologen berichten wir über Fakten. Es gibt
keine Verschwörung.“
## Bekannte Stimmen
Toralf Staud von Klimafakten.de wundert es nicht, dass
Wettermoderator*innen verstärkt angefeindet werden: „Wir sehen
häufiger die Verstärkung von Extremwettern oder das steigende Risiko von
Waldbränden in spektakulären Bildern – das müssen Wetterjournalist*innen
thematisieren und werden dann angegriffen von Menschen, die die Realität
nicht wahrhaben wollen. Zudem genießen die Presenter von Wettersendungen
eine hohe Popularität und Glaubwürdigkeit beim Publikum, wie Studien
zeigen.“
Daher ärgere es Gegner von Klimaschutz „ganz besonders, wenn diese
bekannten Stimmen nun deutlicher werden, die man nicht so einfach als
lebensfremd oder abgehoben diffamieren kann, wie man es schon lange mit
Klimaforscher*innen versucht“.
14 Jun 2023
## LINKS
[1] https://twitter.com/tagesschau/status/1667170895675228162
[2] /Winterduerre-in-Europa/!5916007
[3] https://www.eldiario.es/sociedad/estrella-gutierrez-portavoz-aemet-habiamos…
[4] /Umgang-mit-Verschwoerungstheorien/!5823060
[5] https://www.youtube.com/watch?v=GSEvQGLQVB4
[6] https://www.ardaudiothek.de/episode/das-beste-vom-morgen-von-mdr-aktuell/sa…
[7] /Meteorologe-ueber-Temperaturrekorde/!5907199
## AUTOREN
Patrick Gensing
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