| # taz.de -- Deutsche Friedensforschung zu Ukraine: Langer Abnutzungskrieg | |
| > Die führenden deutschen Friedensforschungsinstitute sehen keine | |
| > kurzfristige Friedensperspektive für die Ukraine. | |
| Bild: Nahe Donetsk, 12. Juni 2023: Ukrainischer Soldat in gepanzertem Militärf… | |
| Berlin taz | Der Blick der führenden deutschen Friedens- und | |
| Konfliktforschungsinstitute auf den Krieg in der Ukraine ist ein düsterer. | |
| In „naher Zukunft“ sei kein Frieden in dem von Russland angegriffenen Land | |
| in Sicht, sagte die Leiterin des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung | |
| Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), Nicole Deitelhoff, bei der | |
| Vorstellung des Friedensgutachtens 2023 am Montag in Berlin. Vielmehr | |
| zeichne sich ein lange andauernder Abnutzungskrieg ab. | |
| Im Umgang mit dem Krieg empfehlen die Wissenschaftler:innen der | |
| Bundesregierung eine „langfristig angelegte Doppelstrategie“. Zum einen | |
| müsse die Ukraine militärisch, ökonomisch und politisch weiter nach Kräften | |
| unterstützt werden. Das werde wohl „auf sehr lange Zeit“ notwendig sein, | |
| „vermutlich sogar über Jahrzehnte“, sagte Deitelhoff. Diese Unterstützung | |
| werde „immense Ressourcen“ erfordern. | |
| Auch wenn Friedensverhandlungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt „keine | |
| realistische Option“ seien, müsse die Bundesregierung zum anderen jedoch | |
| bereits jetzt Vermittlungsinitiativen vorbereiten, um „mögliche | |
| Verhandlungsgegenstände zu skizzieren und Lösungsansätze zu diskutieren“. | |
| Es müsse im Gespräch mit beiden Konfliktparteien ausgelotet werden, „ob | |
| sich irgendwo kleine Türen öffnen“, sagte Deitelhoff. Auch plädierte sie | |
| dafür, Staaten und geeignete Persönlichkeiten in einer internationalen | |
| Kontaktgruppe zusammenzuführen. Ratsam erscheine es zudem, Initiativen aus | |
| nichtwestlichen Staaten, etwa aus China oder Brasilien, so weit wie möglich | |
| einzubinden. Parallel dazu müssten „belastbare und glaubwürdige | |
| Sicherheitsgarantien für die Ukraine“ organisiert werden. | |
| Eine Absage erteilten die Wissenschaftler:innen der Vorstellung, ein | |
| Einstellen der militärischen Unterstützung der Ukraine zugunsten von | |
| sofortigen Friedensverhandlungen, wie es bisweilen in offenen Briefen, | |
| Manifesten und teils auch auf Demonstrationen gefordert wird, werde einen | |
| nachhaltigen Frieden bringen. „Die sich daraus ergebende militärische | |
| Niederlage der Ukraine würde voraussichtlich deren Zerschlagung nach sich | |
| ziehen, einhergehend mit einer Besatzungspraxis von Folter, Verschleppung, | |
| sexueller Gewalt und gezielten Tötungen, die wir bereits jetzt in den von | |
| Russland besetzten Gebieten beobachten“, sagte Deitelhoff. Eine weitere | |
| Konsequenz wäre, dass Russland seinen Expansionsdrang weiterverfolgen und | |
| sich die Sicherheitslage in ganz Europa verschlechtern würde. | |
| Weltweit nehme die Zahl an Gewaltkonflikten zu, und die Lage in vielen | |
| Krisenländern sei prekär, betonten die Forscher:innen. Ein Krisenhotspot | |
| bleibe weiterhin Afrika. Dort habe die Hälfte aller bewaffneten Konflikte | |
| stattgefunden, hieß es. „Diese Konflikte dürfen nicht im Schatten der | |
| Ukraine vergessen werden“, sagte die Deitelhoff. | |
| In ihrem Gutachten fordern die Wissenschaftler:innen außerdem eine | |
| Ausweitung der multilateralen Rüstungskontrolle. Angesichts der | |
| angespannten weltpolitischen Lage sollte alles getan werden, um einen | |
| Rüstungswettlauf und die weitere Verbreitung von Massenvernichtungswaffen | |
| zu verhindern. Die derzeitige Lage sei „extrem gefährlich“, sagte | |
| Deitelhoff. Ziel müsse es sein, künftig auch Staaten wie Brasilien, Indien | |
| oder China stärker als bislang einzubinden. | |
| Das Friedensgutachten erscheint jährlich seit 1987. Beteiligt sind die | |
| Friedensforschungsinstitute Bonn International Center for Conversion | |
| (BICC), das Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und | |
| Konfliktforschung (HSFK), das Institut für Friedensforschung und | |
| Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) sowie das Institut für | |
| Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg-Essen. | |
| 12 Jun 2023 | |
| ## AUTOREN | |
| Pascal Beucker | |
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