# taz.de -- Demonstration in Aurich: Wolfskritiker unter sich | |
> Naturschützer, Bauern und Schafzüchter protestieren: Ihrer Meinung nach | |
> geht der Wolfsschutz zu weit. Jäger sammeln Unterschriften. | |
Bild: Trecker-Sternfahrt gegen Wölfe: In Ostfriesland braut sich Widerstand zu… | |
AURICH taz | Können Wolf und Mensch nebeneinander leben? Nein, behauptet | |
Hansjörg Heeren, Vorsitzender des Friesischen Verbands für Naturschutz | |
(FVN) aus dem ostfriesischen Ihlow. Zusammen mit dem lokalen bäuerlichen | |
Verein „Land schafft Verbindung“ (LsV) rief er am Samstag in Aurich zu | |
einer Anti-Wolfsdemo mit Treckersternfahrt auf. Laut Polizei folgten etwa | |
3.000 Teilnehmer dem Aufruf, weniger als vom Veranstalter erwartet. | |
Gegenwind bekamen die Wolfsgegner von der Antifaschistischen Aktion | |
Ostrhauderfehn, der Tierschutzpartei und der regionalen Initiative | |
Ostfriesen gegen Tierleid. Die Antifa befürchtete, durch die Teilnahme | |
eines Abgeordneten der [1][niederländischen Bauernpartei BBB] würden | |
Rechtsradikale das Wolfsthema besetzen. Zu Auseinandersetzungen kam es | |
jedoch nicht. Die Veranstaltung verlief eher wie ein aufgeräumtes | |
Familientreffen, bei Bier und Würstchen. | |
„Kühe und Schafe sehen viele Politiker nur als Wolfsfutter. Wir selbst | |
haben Angst, spazieren zu gehen“, begründet Hansjörg Heeren, Tierarzt und | |
Vorsitzender des Friesischen Verbands für Naturschutz, den Aufruf zur Demo. | |
Und er weist auf das Leid der Tierärzte hin, wenn gerissene Schafe | |
eingeschläfert werden müssen. „Wir lieben unsere Tiere. Wir können es nicht | |
ertragen, wenn sie leiden“, so Heeren. | |
Sein Verein wolle die friesische Kultur retten und erhalten, und dazu | |
gehöre nun mal die Weidehaltung von Schaf und Rind. Kein Schutzzaun und | |
keine Hunde könnten den Wolf von den Nutztieren fernhalten. Der Wolf gehöre | |
nicht nach Ostfriesland. Dass viele ostfriesischen Bauern die Weidehaltung | |
unabhängig vom Wolf aus ökonomischen Gründen längst eingestellt haben, | |
bedauert Heeren. | |
## Landesjägerschaft sammelt Unterschriften | |
Alle Sprecher*innen der Veranstaltung betonten, Schutzzäune gegen den | |
Wolf würden nichts nutzen, wären trotz der Subventionen von bis zu 30.000 | |
Euro nicht bezahlbar und es fehlten Arbeitskräfte, sie zu installieren. Die | |
Landes- und die Bundesregierung wurden aufgerufen, den Schutzstatus des | |
Wolfes zu senken. Zurzeit wird der Wolf durch strenges EU-Recht | |
[2][geschützt]. In Niedersachsen darf er in Ausnahmefällen [3][abgeschossen | |
werden]. | |
„Der Wolf ist nicht bedroht, er gehört bejagt“, forderte ein Pferdezüchte… | |
„Der Wolf frisst unsere friesische Freiheit“, sagte Hansjörg Heeren unter | |
dem Jubel der Teilnehmer. Außerdem sei der Küstenschutz durch vom Wolf | |
gerissene Schafe gefährdet, argumentiert Schafzüchter Jochen Fass aus | |
Wilhelmshaven. Schafsbeweidung der Deiche sei notwendig für den | |
Küstenschutz. | |
Zeitgleich zur Demo begann der Landesjägerverband Niedersachsen (LJN) mit | |
einer Plakataktion. Eine Unterschriftensammlung zu einem Volksentscheid | |
soll folgen. Das Ziel: Ein schärferes Wolfsmanagement und eine Bejagung des | |
Wolfes. Obwohl die Naturschützer und Bauern in Aurich gleiche Forderungen | |
hatten, waren die Jäger bei der Demo nicht dabei. „Die sind uns zu | |
emotional, zu politisch. Wir wollen objektiv und sachlich argumentieren“, | |
erklärt Gernold Lengert, Vorsitzender der Auricher Jägerschaft. Trotzdem | |
unterstützen fast alle Jagdverbände an der Küste den Aufruf zur Demo. | |
Eine Versachlichung der Diskussion gestaltet sich schwierig. Die 300 | |
Plakate der Landesjägerschaft zeigen acht Motive mit reißzahnfletschenden | |
Wölfen und zerrissenen Schafen. In den sozialen Medien wird mit Mord und | |
Totschlag gedroht. Dabei streitet niemand die zum Teil existenzbedrohenden | |
Probleme ab, die sich aus dem Zusammenleben von Mensch und Wolf ergeben. | |
Laut Aussage des Landesjägerverbands, der für das Land Niedersachsen das | |
[4][Wolfsmonitoring] erstellt, gab es bei aktuell 44 Wolfsrudeln in | |
Niedersachsen, 5 Paaren und 2 residenten Tieren, 23 Vorfälle mit 70 Rissen | |
im letzten Jahr. Ein Großteil der betroffenen Tierhalter hatte allerdings | |
keine Schutzmaßnahmen getroffen. | |
Nach einer Studie des Norwegischen Institutes für Naturschutzforschung sind | |
von 2002 bis 2020 weltweit 26 Menschen von Wölfen getötet worden. Davon die | |
meisten im Iran, der Türkei und Indien. In Amerika wurden zwei Menschen | |
durch den Wolf getötet. In Europa keiner. Von Attacken von Wölfen auf | |
Menschen in Deutschland ist nichts bekannt. | |
Zum Vergleich: In Deutschland gibt es jährlich bis zu 50.000 Bissattacken | |
von Haushunden auf Menschen. Laut Bundesamt für Statistik sterben pro eine | |
Million Menschen jährlich 1,8 Menschen durch Hundebisse. | |
## Wolfsfreie Zonen gibt es nicht | |
Manfred Böhling, Sprecher des niedersächsischen Umweltministeriums, | |
beantwortet die Frage, ob der Wolf wegen gerissener Deichschafe den | |
Küstenschutz bedrohe, schlicht mit: „Nein“. Pikanterweise hatte dies der | |
[5][ehemalige Umweltminister Olaf Lies] (SPD, jetzt Wirtschaftsminister) | |
[6][behauptet]. | |
„Der Wolf ist ein Wanderer“, erklärt Holger Buschmann von Nabu | |
Niedersachsen. „Da, wo er einmal ist, bleibt er. Wolfsfreie Zonen gibt es | |
nicht.“ | |
Der Nabu ist auch zuständig für Beratung zu Schutzmaßnahmen gegen | |
Wolfsattacken. Einer der Berater ist Ferderik Eggers: „Man kann Wolfsrudel | |
nicht auflösen“, sagt er. „Rudel sind Familien, mit festen sozialen | |
Strukturen. Zerfällt ein Rudel, streunen die Tiere, suchen leichte Beute, | |
also Nutztiere auf Weiden.“ | |
Auch Eberhard Giese, ehemaliger Wolfsberater im Landkreis Aurich, glaubt | |
nicht an den Erfolg einer Bejagung des Wolfes: „Das“, sagt er, „haben die | |
Jäger in den letzten Jahrzehnten schon beim Fuchs nicht geschafft.“ | |
11 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Protestwahl-in-den-Niederlanden/!5922125 | |
[2] /Saechsischer-Umweltminister-zu-Woelfen/!5051010 | |
[3] /Wolfsdebatte-in-Niedersachsen/!5899121 | |
[4] /Wolfsmonitoring-in-Niedersachsen/!5927225 | |
[5] /Woelfe-im-Norden/!5817083 | |
[6] https://www.umwelt.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressemitteilungen… | |
## AUTOREN | |
Thomas Schumacher | |
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werden. |