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# taz.de -- Illegale Abschüsse in Niedersachsen: 40.000 Euro für den Wolfskil…
> In Gifhorn und Sehnde wurden Wölfe nicht bloß erschossen, sondern auch
> zerstückelt. Tierschützer haben ein Kopfgeld ausgesetzt.
Bild: Mit dem Zerstückeln von Wolfskadavern hat der Konflikt wohl eine neue Qu…
Hannover taz | Nun sind es schon 40.000 Euro Kopfgeld. So viel Geld haben
drei Wolfsschutzvereine und ein paar Privatleute aufgeboten, um eine kleine
Serie bizarrer Wolfstötungen aufzuklären.
Der aktuellste Fund stammt aus Sehnde bei Hannover, [1][die Polizei machte
ihn am vergangenen Donnerstag öffentlich]. Schon am Wochenende des 9. und
10. Juli hatte sie nach Hinweisen von Spaziergängern zwei blaue Müllsäcke
aus dem Mittellandkanal gefischt.
Im ersten befand sich der Körper eines Wolfes, wie ein hinzugezogener
Wolfsberater bestätigte. Im zweiten, der einen Tag später aufgefunden
wurde, befanden sich der Kopf und der Schwanz des Tieres – jedenfalls
vermutet man das, die Überreste werden noch im Institut für Zoo- und
Wildtierforschung des Leibniz-Instituts Berlin untersucht. Der Kadaver
soll außerdem Schussverletzungen aufgewiesen haben.
Einen ähnlichen Fall hatte es [2][erst im März im Landkreis Gifhorn
gegeben.] Am Karfreitag wurde vor dem Nabu-Artenschutzzentrum in Leiferde
ein abgetrennter Wolfskopf entdeckt. Zwei Wochen zuvor war ein Wolfskadaver
in der Nähe eines Pendlerparkplatzes entdeckt worden.
Anfangs glaubte man sogar, es könnte sich um ein Tier handeln. Die Analyse
des Leibniz-Instituts ergab aber, [3][dass es sich um zwei weibliche Tiere
aus dem gleichen Rudel handelte,] möglicherweise sogar Mutter und Tochter.
## Wolfsschutz kann auf Großspender zählen
Bizarr ist in allen drei Fällen, wie viel Mühe sich da jemand gemacht hat:
„Aus anderen Bundesländern kennen wir das so, dass Tiere halt einfach
verschwinden. Die werden erschossen und verscharrt, manchmal auch mit
Absicht überfahren. Aber hier hat jemand die Wölfe zerteilt – und wollte
anscheinend auch, dass sie gefunden werden“, sagt [4][Brigitte Sommer vom
Verein Wolfsschutz Deutschland.]
Ihr Verein hat eine Belohnung von 15.000 Euro ausgelobt – wobei der größte
Teil von einem Großspender aufgebracht wurde, der in der Öffentlichkeit
anonym bleiben möchte. Der Verein hat aus seinen eigenen Mitteln 3.000 Euro
beigesteuert, weitere 2.000 kamen über kleinere Spenden dazu.
Wolfsschutz scheint ein Anliegen zu sein, das auf solche Sponsoren bauen
kann – auch die zahlreichen Gerichtsverfahren, die immer wieder gegen
einzelne Abschussgenehmigungen angestrengt werden, sind kostspielig.
[5][Der „Freundeskreis freilebender Wölfe“ und die „Gesellschaft zum Sch…
der Wölfe“ haben gemeinsam] ebenfalls 15.000 Euro aufgebracht – dazu kamen
noch einmal zwei 5.000-Euro-Spenden von einzelnen Mitgliedern.
Die 15.000 Euro hatte der Verein schon nach dem Fall in Gifhorn ausgelobt –
jetzt wurde die Summe noch einmal aufgestockt und auf den aktuellen Fall
bezogen. Wirklich gute Hinweise habe man deshalb bisher aber nicht
erhalten, sagt der Vorsitzende Ralf Hentschel. Allerdings habe man auch
dazu aufgerufen, sich direkt an die Polizei zu wenden, auf deren
Ermittlungsarbeit man vertraue.
## Verein denkt über privaten Ermittler nach
Das sieht Brigitte Sommer von Wolfsschutz Deutschland ein wenig anders. Sie
moniert, dass es in Deutschland – anders als beispielsweise in Italien –
keine speziellen Abteilungen für die Verfolgung von Wilderern und Verstößen
gegen den Wildtierschutz gibt. Auch der Nabu Niedersachsen hat den Fall in
Sehnde zum Anlass genommen, eine entsprechende
Schwerpunktstaatsanwaltschaft zu fordern.
Sommers Verein hat sogar schon überlegt, einen privaten Ermittler zu
beauftragen. Ihr will es nicht in den Kopf, dass Täter in solchen Fällen so
schwer zu ermitteln sind. Immerhin, argumentiert sie, gäbe es doch nicht so
viele Menschen, die Zugriff auf eine Waffe und entsprechende Ortskenntnisse
haben.
„Selbst wenn man weiß, wo die Rudel ungefähr leben, heißt das ja nicht,
dass man sie findet“, sagt sie. Sie selbst erlebe vielleicht eine Sichtung
alle zehn Jahre – die Zeit, sich tage- oder vielmehr nächtelang auf die
Lauer zu legen, müsse man ja auch erst einmal haben.
Das hohe Kopfgeld hat ihrer Wahrnehmung nach schon Unruhe in den Reihen der
Jagdfreunde ausgelöst – das merke sie vor allem an der wachsenden Zahl an
Anfeindungen, die sie über die sozialen Medien und per E-Mail erreichen.
Sommer spekuliert sogar, es könne sich hier ja auch um einen
Gewaltverbrecher handeln, für den bei Tieren noch lange nicht Schluss ist.
## Ob die Fälle zusammenhängen ist nicht klar
Mit solchen Spekulationen will sich Hentschel lieber nicht aufhalten. Er
ist sich nicht einmal sicher, ob zwischen den Taten überhaupt ein
Zusammenhang besteht – immerhin liegen mehr als 40 Kilometer zwischen den
Fundorten.
Für politisch viel wichtiger hält er ohnehin die Frage, wie sich ein
effektiver Herdenschutz finanzieren ließe. „Die Halter brauchen Hilfe beim
Unterhalt der Zäune, nicht nur bei der Anschaffung. Abschüsse allein
bringen niemanden weiter“, mahnt er.
## SPD kritisiert „Aufbau von Selbstjustiz-ähnlichen Anreizen“
Die SPD-Landtagsfraktion kritisierte am Donnerstag die ausgesetzte
Belohnung. „Einen solchen Aufbau von Selbstjustiz-ähnlichen Anreizen lehnen
wir ab“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Wiard
Siebels. Die betreffenden Vereine trügen damit ausdrücklich nicht zu einem
vernünftigen Umgang mit dem Wolf bei, ganz im Gegenteil: „Sie laden die
Debatte weiter emotional auf und polarisieren.“
Die brutale Tötung des geschützten Wolfs sei fraglos illegal, die Polizei
müsse das aufklären, sagte Siebels. Klar sei aber auch: Die Wolfspopulation
habe in Niedersachsen längst eine solche Größe erreicht, dass der Wolf
keine bedrohte Art mehr sei. Er stelle in vielen Regionen eine erhebliche
Gefahr für Weidetiere dar. Viele Bürger fürchteten sich vor den Tieren. In
Niedersachsen leben nach Angaben der Landesjägerschaft 42 Wolfsrudel, vier
Wolfspaare und zwei Einzelwölfe in freier Wildbahn. Die Zahl der Wölfe ist
seit einiger Zeit stabil.
Die zuständigen Bundes- und EU-Ebenen müssten schnellstmöglich klare
Regelungen schaffen, damit Wölfe rechtssicher und mit Augenmaß entnommen
werden könnten, forderte Siebels. Die Aufklärung und Bewertung von
illegalen Tötungen blieben aber in jeden Fall allein Aufgaben des
Rechtsstaats.
## Stärkeres regionales Bestandsmanagement gefordert
In den vergangenen Wochen hatten sowohl Grünen-Politiker wie der
niedersächsische Umweltminister Christian Meyer als auch
[6][Bundesumweltministerin Steffi Lembcke erkennen lassen], dass sie sich
ein stärkeres regionales Bestandsmanagement vorstellen könnten.
Auch [7][Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) forderte] die
Bundesregierung auf, die entsprechende Vereinbarung im Koalitionsvertrag
endlich umzusetzen. Damit wäre eine einfachere Bejagung, zum Beispiel in
den Küstenregionen, möglich. Dazu müsste allerdings der gute
Erhaltungszustand der Art auch von der EU anerkannt werden.
22 Jul 2023
## LINKS
[1] https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/66841/5557726
[2] https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/56517/5482110
[3] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/braunschweig_harz_goettingen/A…
[4] https://wolfsschutz-deutschland.de/
[5] https://www.freundeskreiswoelfe.de/25000-euro-belohnung
[6] /Bundesministerin-fordert-mehr-Wolfsabschuesse/!5944468
[7] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Wei…
## AUTOREN
Nadine Conti
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