# taz.de -- Abtreibungspille in Japan zugelassen: Nur ein Teilerfolg | |
> Weltweit scheint noch Einigkeit darüber zu herrschen, dass Frauen nicht | |
> über ihre eigenen Körper bestimmen sollen. Trotz kleiner | |
> Errungenschaften. | |
Bild: Mumbai 2015: Ein Model trägt ein Kleid, das aus Kondomen gemacht ist | |
Welches Land ist wirklich fortschrittlich, wenn es darum geht, Frauen zu | |
erlauben, über ihren eigenen Körper zu entscheiden? Dass ich hier von | |
„erlauben“ spreche, sagt ja schon alles: In Japan wurde, nach | |
jahrzehntelangen Kampagnen, [1][ein Medikament zugelassen, das den Abbruch | |
einer Schwangerschaft in frühem Stadium herbeiführt]. Japan ist eines der | |
wirtschaftlich fortgeschrittensten Länder der Erde. Wenn es um sichere | |
Methoden zur Beendigung einer Schwangerschaft geht, hinkt es aber ziemlich | |
hinterher. Bisher sind dort nur Abtreibungen mittels gynäkologischem | |
Eingriff erlaubt, und das auch nur, wenn der Ehemann oder Partner zustimmt. | |
Die USA drohen ja schon länger [2][mit dem Streit um das Medikament | |
Mifepriston] weiter in viktorianische Verhältnisse zurückzudriften. Und | |
auch in Japan können die [3][Pillen mit Mifepriston] und Misoprostol erst | |
nach einer ärztlichen Konsultation erworben und eingenommen werden, sie | |
kosten umgerechnet 570 Euro. Ein gynäkologischer Eingriff kostet mindestens | |
ebenso viel. Und, wenig überraschend, die Krankenkasse in Japan übernimmt | |
die Kosten nicht. | |
Doch selbst bis hierher war es ein mühsamer Weg: 12.000 Stellungnahmen | |
wurden online gesammelt, bevor das Gesundheitsministerium aktiv wurde. Und | |
auch jetzt ist noch nicht klar, ab wann die Abtreibungspille verfügbar sein | |
wird. Das japanische Gesetz zu Schwangerschaften verlangt, dass der Partner | |
einer Abtreibung zustimmen muss, es sei denn, er ist unbekannt oder kann | |
seine Haltung nicht mitteilen. Das gilt auch bei einem medikamentösen | |
Abbruch. Selbst unverheiratete Frauen müssen die Zustimmung eines Mannes | |
vorweisen – so patriarchal ist die japanische Gesellschaft geprägt. | |
In Japan fordern viele auch einen besseren Zugang zu einer Verhütung durch | |
die „Pille danach“. Vor ihrer Verabreichung ist bisher die Zustimmung eines | |
Arztes nötig, und sie muss vor den Augen eines Apothekers eingenommen | |
werden. | |
## Sexuelle Freiheit und Geschlechtskrankheiten | |
Es gibt bis heute kaum ein Land, in dem nicht versucht wird, Kontrolle über | |
die Körper von Frauen und ihre Reproduktionsfähigkeit auszuüben. In Irland, | |
wo ich lebe, wurden Schwangerschaftsabbrüche erst vor fünf Jahren | |
gesetzlich zugelassen. Protestiert wird aber weiter: Weil sie nur bis 12 | |
Wochen nach der Empfängnis erlaubt sind. Außerdem müssen drei Tage zwischen | |
der Genehmigung durch einen Arzt und dem Eingriff selbst verstreichen. Im | |
Notfall müssen Frauen für eine Abtreibung weiterhin per Flugzeug in ein | |
anderes Land reisen. | |
Andererseits ist in Indien, dem Land meiner Geburt, Abtreibung bis zur 20. | |
Schwangerschaftswoche erlaubt, was unter besonderen Umständen bis zur 24. | |
Woche verlängert werden kann. Doch noch ist nicht dafür gesorgt, dass alle | |
Frauen ausreichend über Wege und Mittel informiert sind, um eine | |
Schwangerschaft abbrechen zu können. | |
Letztlich scheint weltweit Einigkeit darüber zu herrschen, dass Frauen | |
nicht über ihre eigenen Körper bestimmen sollen. Als ich in Indien | |
aufwuchs, sah ich ständig aufklärende TV-Spots über verschiedene | |
Verhütungsmethoden und sicheren Sex. Nicht nur ungewollte Schwangerschaften | |
sollten so verhindert werden, sondern auch HIV-Infektionen und andere | |
sexuell übertragbare Krankheiten – und natürlich ging es um | |
Geburtenkontrolle. Ja, Frauen schienen durch die Pille an Freiheit zu | |
gewinnen, aber gleichzeitig nahmen Geschlechtskrankheiten wie Gonorrhöe, | |
Chlamydiose und Syphilis zu. Es läuft darauf hinaus: Wir brauchen besseren | |
Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen – aber auch besseren Schutz vor sexuell | |
übertragbaren Krankheiten. | |
Aus dem Englischen von Stefan Schaaf | |
11 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Priyanka Borpujari | |
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