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# taz.de -- Die Wahrheit: Wortakrobat Merz
> Ein wahrer Balance-Meister ist der ungegenderte CDU-Chef. Merke: Yin und
> Yang, Tom und Jerry, FDP und Klimakleber! So bleibt alles im rechten
> Lot.​
Bild: Unglaubliche Zustände: Fahrradweg behindert parkendes Automobil
Friedrich Merz hat etwas gesagt! Nämlich in seiner wöchentlichen Rundmail,
vermutlich an Leute, die zu blöd sind, bei der Bestellung ihres Fußwärmers
in Deutschlandfarben das Zustimmungshäkchen zu Werbe-Spams nicht zu setzen:
„Mit jeder gegenderten Nachrichtensendung gehen ein paar hundert Stimmen
mehr zur AfD.“
Das ist insofern eine Überraschung, weil es einigermaßen knackig formuliert
ist. Fast erschrickt man ein bisschen, als ob man vorsichtig einen Haufen
undefinierbaren Fells auf dem Gehsteig anstuppst, der sich dann als
fauchend davonspringendes Tier entpuppt. Es lebt!
Jedenfalls ist die Aufregung groß, und überall wird eifrig diskutiert.
„Gendern stärkt die AfD? Warum Friedrich Merz recht hat“, erklärt etwa
Kristina Schröder in der Welt, und insofern stimmt die Aussage wohl
wirklich, wie sich ja auch mit jedem Welt-Text von Kristina S. irgendwo im
Land eine neue Lina E. erhebt. Yin und Yang, Tom und Jerry, FDP und
Klimakleber. So bleibt alles in der Balance.
Aber ist es tatsächlich so, dass bei bislang unbescholtenen,
grunddemokratischen Supersympathen ob eines gesprochenen Gender-Sternchens
im „heute journal“ umstandslos die Sicherungen durchbrennen, sodass sie
plötzlich und unerwartet zu einer misogynen, salonfaschistischen
Rassistenbande überlaufen? Oder waren das nicht zuvor schon dieselben
Schulhofschlägertypen, die sich bis dahin in der CDU ganz wohl gefühlt
haben und nun einfach sichtbarer werden, ohne groß ihre menschenfeindliche
Grundhaltung zu ändern?
## Mein liebes Fräulein!
Ich betrachte die ganze Genderei mit einer gewissen Gelassenheit. Lasst sie
doch machen, die jungen Leute. Und dann gucken wir mal, wie die Dinge sich
entwickeln, mein liebes Fräulein. Kaum anzunehmen, dass die aktuellen
State-of-the-Art-Regeln in ein paar Jahren noch Gültigkeit haben. Das sage
ich als jemand, der einst mühsam das Binnen-I erlernte.
Bald schon wird jemand im Frühwerk von Till Lindemann auf ein Sternchen
stoßen, und dann machen wir halt Kommas in Wörter oder das @-Zeichen. Falls
sich bis dahin nicht der bezaubernde Vorschlag der Kabarettisten Pigor und
Eichhorn endlich durchsetzt, alles Plattdeutsch zu gendern, also einfach
ein „-s“ im Plural anzuhängen. Liebe Lehrers, bringt das doch mal euren
Schülers bei!
Besonders gut gefallen hat mir in der Debatte allerdings ein Beitrag von
Alexander Kissler, Berliner Redaktor der NZZ. Der müht sich redlich,
endlich den wahren Kern des Gegenderes für die nichtsahnenden Lesers
schonungslos offenzulegen. Am Ende nämlich „würde der autoritäre Charakter
des Genderns endgültig offenbar: Eine neue Sprache soll entstehen, um neue
Herrschaftsverhältnisse zu etablieren.“ Wir gendern also, um das
Patriarchat und den Chauvinismus abzuschaffen? Das ist ja allerhand.
Bleiben Sie dran, Kissler, es gibt für Sie noch viel zu entdecken im wilden
Berlin!
9 Jun 2023
## AUTOREN
Heiko Werning
## TAGS
Friedrich Merz
Gendern
Kolumne Die Wahrheit
Gendergerechte Sprache
Patriarchat
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Empörung
Schwerpunkt AfD
Verkehrspolitik
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