# taz.de -- Tellkamp bei rechter Studentenverbindung: Im Milieu angekommen | |
> Über Ernst Jüngers Kriegstagebücher philosophiert der Schriftsteller Uwe | |
> Tellkamp am Samstag in Hamburg. Er ist dem rechten Lager schon lange nah. | |
Bild: Uwe Tellkamp (r.) mit Thilo Sarrazin bei der Präsentation von dessen neu… | |
Mit „Der Turm“ gelang dem [1][Dresdner Schriftsteller Uwe Tellkamp] 2008 | |
der literarische Durchbruch. In den Feuilletons wurde das 973 Seiten starke | |
Buch als Wenderoman gefeiert. Die zweiteilige ARD-Verfilmung sahen rund 7,5 | |
Millionen Zuschauer*innen. | |
Am kommenden Samstag tritt Tellkamp wieder an der Elbe auf, in Hamburg, mit | |
einem Referat über Ernst Jünger. Laut der Ankündigung unter dem Titel | |
„Erdbeeren in Burgunder“ wird er in den Räumen der Landsmannschaft | |
Mecklenburgia in der Sierichstraße über den „Genüßling des Barbarismus“ | |
(Thomas Mann) philosophieren. Um 19 Uhr beginnt der „9. Ernst Jünger Abend“ | |
im Haus der extrem rechten Studentenverbindung. | |
Der Titel spielt auf eine Szene an, die der radikal antidemokratische Autor | |
Jünger 1944 [2][während seiner Zeit als Wehrmachtsoffizier] im besetzen | |
Paris schrieb: „Alarme, Überfliegungen. Vom hohen Dache des (Hotels) | |
Raphael sah ich zweimal in der Richtung von St. Germain gewaltige | |
Sprengwolken aufsteigen, während Geschwader in großer Höhe davonflogen. (…) | |
Beim zweiten Male (…) hielt ich ein Glas Burgunder, in dem Erdbeeren | |
schwammen, in der Hand. Die Stadt mit ihren roten Türmen und Kuppeln lag in | |
gewaltiger Schönheit, gleich einem Blütenkelche, der zu tödlicher | |
Befruchtung überflogen wird.“ | |
Die Idealisierung des Krieges mit der Heroisierung des Männlichen gehört | |
zum Sound dieser Konservativen Revolutionären der 1920er Jahre. In den | |
Zeilen scheut Jünger auch eine sexuelle Aufladung nicht. | |
## Neue Rechte und Konservative Revolution | |
Radikal antidemokratisch und radikal antifeministisch positionieren sich | |
auch die heutigen Epigonen dieser autoritären Revolten: die vermeintlich | |
Neue Rechte um das [3][Institut für Staatspolitik um Götz Kubitschek und | |
Ellen Kositza]. In diesem Milieu ist Tellkamp längst angekommen. In „Der | |
Turm“ findet sich diese politische Orientierung nicht, die alliierte | |
Bombardierung des schönen „Elbflorenz“ wird dort kaum beklagt. | |
Doch schon drei Jahre zuvor, 2005, nachdem „Der Eisvogel“ erschienen war, | |
hielt Volker Weidermann Tellkamp in der Frankfurter Allgemeinen | |
Sonntagszeitung vor, nicht genügend Distanz zu den Protagonisten zu | |
formulieren, die für eine konservative Revolution eintreten. | |
Damals war das vielleicht bloß eine literarische Figur, heute ist diese | |
Nähe eine reale Praxis: Als einer der Ersten unterzeichnete Tellkamp die | |
„Charta 2017“. In der Online-Petition der Dresdner Buchhändlerin Susanne | |
Dagen kritisierten die Unterzeichnenden die vermeintliche Ausgrenzung der | |
rechten Verlage Antaios, Manuscriptum und Tumult von der Frankfurter | |
Buchmesse. In Dagens Reihe „Exil“ veröffentliche Tellkamp 2020 auch den | |
Band „Das Atelier“, der ebenfalls bei Kubitescheks Antaios-Verlag bestellt | |
werden kann. | |
Dagen wiederum bildet mit Ellen Kositza das literarische Duo der | |
Online-Sendung „Aufgeblättert. Zugeschlagen“ im „Kanal Schnellroda“. Im | |
sachsen-anhaltinischen Schnellroda sitzt Kubitscheks „Institut für | |
Staatspolitik“. Auch dort war Tellkamp zu Gast, der mit Dagen eng | |
befreundet ist. | |
## Lange rechte Tradition bei Hamburger Landsmannschaft | |
Zur Krise der Flüchtlingspolitik äußert sich Tellkamp ebenfalls. Vor der | |
Leipziger Buchmesse 2018 führte er im Streitgespräch mit dem Lyriker Durs | |
Grünbein aus, dass „die meisten“ 2015 nicht vor Krieg und Verfolgung | |
geflohen seien, sondern herkommen seien, „um in die Sozialsysteme | |
einzuwandern, über 95 Prozent“. Tellkamp behauptete, es gebe einen | |
„Gesinnungskorridor zwischen gewünschter und geduldeter Meinung“. Seine | |
Meinung sei dabei „geduldet, aber nicht erwünscht“. | |
Bei der Hamburger Studentenverbindung aber sind seine Positionen erwünscht. | |
Sie beklagt einen „deutschen Selbsthass“ als „ungesund und dekadent“ und | |
betont die „Vaterlandsliebe“. Schon 1993 schreib der Verfassungsschutz in | |
einem vertraulichen Informationsbericht: „Als zumindest rechtsextremistisch | |
beeinflusst hat ebenso die ‚Landsmannschaft Mecklenburgia‘ zu gelten“. | |
Bei der Mensur schlagenden Verbindung wird jeweils im Januar die | |
Reichsgründung unter Bismarck gefeiert. Die Landsmannschaft stellt sich | |
damit in die Tradition des undemokratischen, antiliberalen und | |
nationalistischen Deutschen Reiches, dessen Gründung 1871 als Akt der | |
Demütigung im besetzten Versailles stattfand. Den Sieg über den Erbfeind | |
Frankreich zelebriert sie regelmäßig: mit dem „Sedan-Bier am Freitag“. | |
18 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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