# taz.de -- Wahl in der Türkei: Verhaltene Glückwünsche | |
> Die Reaktionen auf Erdoğans Wahlsieg sind vor allem in Europa zaghaft. | |
> EVP-Chef Manfred Weber spricht sich gegen EU-Beitritt aus. | |
Bild: Sieht keine Hoffnung mehr für eine türkische EU-MItgliedschaft: Manfred… | |
BRÜSSEL/BERLIN taz | Nach dem Sieg Erdoğans bei der Stichwahl um das | |
Präsidentenamt in der Türkei übt sich die Weltgemeinschaft in höflichen | |
Floskeln. Er freue sich weiterhin als Nato-Partner an bilateralen Themen | |
und gemeinsamen globalen Herausforderungen zu arbeiten, erklärte | |
US-Präsident Joe Biden. Bundeskanzler Olaf Scholz betonte, Deutschland und | |
die Türkei seien enge Partner und Alliierte. Auch gesellschaftlich und | |
wirtschaftlich sei man stark miteinander verbunden. „Nun wollen wir unsere | |
gemeinsamen Themen mit frischem Elan vorantreiben“, so Scholz. | |
Auch die Reaktionen aus Brüssel fallen verhalten aus. Die Nato und die EU | |
haben dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zwar bereits am | |
Sonntag zu seiner Wiederwahl gratuliert. Doch in die Grüße mischten sich | |
auch Misstöne – die Beziehungen sind seit Jahren angespannt. „Glückwünsc… | |
zu Ihrer Wiederwahl, Präsident“, erklärte Nato-Generalsekretär Jens | |
Stoltenberg. | |
Es sei von „strategischer Bedeutung sowohl für die EU als auch für die | |
Türkei, an einem Ausbau dieser Beziehung zu arbeiten“, betonte | |
EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen. Den EU-Beitrittsprozess | |
erwähnte sie nicht. Der liegt seit Jahren auf Eis, Besserung ist wegen des | |
autoritären Gehabes Erdoğans auch nicht in Sicht. | |
Es blieb dem Chef der konservativen Europäischen Volkspartei, Manfred | |
Weber, überlassen, Klartext zu reden: „Die letzten Jahre haben gezeigt, | |
dass eine enge Partnerschaft wichtig ist, eine Vollmitgliedschaft der | |
Türkei in der EU allerdings niemand mehr will“, sagte der CSU-Politiker den | |
Zeitungen der Funke Mediengruppe. | |
## Özdemir kritisiert Erdoğan-Wähler*innen in Deutschland | |
Wie ein Neustart aussehen soll, ist unklar. Die EU hat bis zur Wahl nichts | |
unternommen, um die Beziehungen neu zu ordnen. Selbst für eine | |
Demokratisierung in der Türkei hat sich in Brüssel niemand starkgemacht. | |
Das Europaparlament hat nicht einmal Wahlbeobachter geschickt, wie sonst | |
üblich. Auch Nato-Generalsekretär Stoltenberg hielt sich zurück. Er will | |
Schweden in die Nato holen, doch bisher blockiert die Türkei den Beitritt. | |
Die Entscheidung soll beim Nato-Gipfel im Juli in Vilnius fallen – bis | |
dahin will er alles vermeiden, was Erdoğan verstimmen könnte. | |
Hierzulande entbrannte dagegen erneut eine Diskussion über das | |
Wahlverhalten der rund 1,5 Millionen wahlberechtigten Türk:innen in | |
Deutschland. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hatte via | |
Twitter Kritik an den Menschen geäußert, die Erdoğan im Exil wählen und | |
nicht für die Folgen ihrer Wahl in der Türkei einstehen müssten. „Das | |
müssen viele Menschen in der Türkei durch Armut & Unfreiheit. Sie sind zu | |
Recht wütend“, so Özdemir. Mehrere Hundert Erdoğan-Anhänger:innen hatten | |
sich etwa in Berlin, Düsseldorf, Dortmund und Mannheim versammelt. | |
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler unterstützte Gespräche mit | |
Deutschtürk:innen, die Erdoğan gewählt hatten, „obwohl sie in einer | |
Demokratie leben“, twitterte Güler. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde | |
in Deutschland, Gökay Sofuoglu, wies dagegen darauf hin, dass sich offenbar | |
viele Menschen nicht mit diesem Land identifizierten. „Je mehr Bashing | |
gegenüber den Wählerinnen und Wählern betrieben wird, desto mehr und | |
entschlossener gehen die Menschen auch zur Wahl“, sagte Sofuoglu. „Man | |
könnte gerade auch die Menschen, die so politisiert sind, so aktiv in der | |
Politik sind, auch mal für die deutsche Politik gewinnen.“ Laut amtlichen | |
Ergebnis haben rund 67 Prozent bzw. mehr als 470.000 Türk:innen, die in | |
Deutschland leben, Erdoğan gewählt. | |
29 May 2023 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
Tanja Tricarico | |
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