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# taz.de -- See in Irak trocknet aus: Was macht ein Fischer ohne Fische?
> Der Razazza-See im Irak verwandelt sich in eine vertrocknete Brache. Den
> örtlichen Fischern nehmen Klimawandel und Wasserpolitik ihre
> Lebensgrundlage.
Bild: Immer schwieriger wird es für die Fischer auf dem Razzaza See
Fünfzehn Kilometer westlich der Stadt Kerbala, in der Mitte des Irak, liegt
einer der größten Süßwasserseen des Landes. Manche nennen ihn Milh-See,
geläufiger ist jedoch der Name Razazza-See. Doch vielleicht ist der Name
bald sowieso irrelevant – denn statt eines Sees könnte es dort bald nur
noch vertrocknete Erde geben. Rund 26 Milliarden Kubikmeter Wasser beträgt
die Speicherkapazität des Sees, der aus Grundwasser, Regenfällen und dem
Fluss Euphrat gespeist wird – eigentlich.
Das Wasser des Sees ist wichtig für das Klima in der Region, für die
Landwirtschaft und für die Fischer, die auf ihren Booten hinausfahren, um
frischen Fang einzuholen. Zumindest bis vor zwei Jahren war das noch so.
Seitdem hat der Razazza-See die Hälfte seines Wasserpegels verloren – und
damit viele Menschen, die ihr Leben lang an seinen Ufern gelebt haben, auch
ihre Lebensgrundlage.
„Die Fische sterben, die Böden sind versalzen, das Wasser, das noch da ist,
ist ebenfalls salzig oder verschmutzt. Da war nichts mehr, wovon wir hätten
leben können“, sagt die 40-jährige Jasmiya. Mit ihrem Mann Hazem, einem
Fischer, hat sie ihr Leben an dem See verbracht. Statt zu fischen und das
Land zu bestellen, leben sie nun in Kerbala, Jasmiya verkauft dort Fisch
auf dem Markt. Vor zwei Jahren lebten noch etwa 4.000 Menschen an dem See,
heute seien es nur noch 200. Die meisten sind, wie Jasmiya und Hazem, in
die Städte gezogen. Er vermisse seine Angel, sagt Hazem, und den See.
Einer, der geblieben ist, ist der 24-jährige Ghanim. Er steht inmitten von
ödem Land, Boote, die auf [1][dem ausgetrockneten See] einfach
zurückgelassen wurden, rotten vor sich hin. Es sei heiß, sagt er, viel
heißer als früher. „Wir haben alles verloren, unsere Verwandten und Freunde
haben uns verlassen, die Ernten verdorren und das Land trocknet aus.“
Schuld sei die Regierung, so Ghanim. Auch andere Faktoren, etwa die
allgemeine Erwärmung des Irak, spielen eine Rolle – doch der Vorwurf ist
nicht von der Hand zu weisen.
Ahmad Al Saleh, ein irakischer Umweltexperte, erklärt: [2][Die
Wasserknappheit] des Razazza-Sees sei auch auf die Ausweitung der
Landwirtschaft zurückzuführen. Aus den Zuläufen des Sees werde zu viel
Wasser entnommen, auch seien zu viel neue Brunnen gebohrt worden. Deshalb
sinke der Grundwasserspiegel ab.
Auch der Journalist Naseer Lazem, der sich seit Jahren mit dem Razazza-See
beschäftigt, sieht [3][die Schuld bei der Regierung] – auch in deren
Außenpolitik: „Unsere Regierung schafft es nicht, der Türkei und dem Iran �…
beides Länder, die durch Staudämme auf ihrem Gebiet dem Irak systematisch
den Wasserzufluss abriegeln – Grenzen aufzuzeigen. Dabei bräuchten wir
dringend einen Plan, der die Wasserquoten verbindlich regelt, um die
Sümpfe, Seen und Flüsse des Irak retten zu können.“
Die Initiative ergreift die Regierung aber nicht. Der frühere irakische
Minister für Wasserressourcen, Mahdi Rashid Al Hamdani, gab während seiner
Amtszeit selbst zu: Es gäbe „keine Hoffnung, dass der See wieder so sein
wird, wie er einmal war.“
Hiba Al Maged, Kerbala, Irak
In der Unterzeile stand zunächst, dass der Klimawandel den Fischern die
Lebensgrundlage nehme. Es gibt aber einen weiteren Grund, die Wasserpolitik
in der Region. Wir haben das präzisiert.
30 Jun 2023
## LINKS
[1] /Studie-ueber-Folgen-der-Klimakatastrophe/!5935663
[2] /UN-Konferenz-in-New-York/!5920355
[3] /20-Jahre-Irak-Krieg/!5923238
## AUTOREN
Hiba Al Maged
## TAGS
Wassermangel
Irak
Fischerei
Was heißt Klimakrise auf Arabisch?
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Schwerpunkt Klimaproteste
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Lesestück Recherche und Reportage
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