# taz.de -- Pressefreiheit in Russland: 15 Jahre Haft für Armeekritik | |
> In Russland schweigt man zum Krieg, auch wenn die Menschen ihn ablehnen. | |
> Für Kritik gibt es hohe Haftstrafen. | |
Bild: Militärisches Training der Jugendarmee in Sewastopol/Krim, 19. Mai 2023 | |
Was ich jetzt schreibe, darf ich in meiner Heimat nicht öffentlich sagen. | |
Man darf nicht kritisieren, was die Armee und die russische Regierung in | |
der Ukraine tun. Man darf nicht einmal Fragen stellen oder Mitleid mit | |
Verstorbenen äußern. Um öffentliche Meinungsäußerungen zu verhindern, | |
verabschiedet das russische Parlament ein Gesetz nach dem anderen. | |
[1][Für Kritik an der Armee kann eine hohe Geldstrafe verhängt werden] oder | |
eine Haftstrafe bis zu 15 Jahren. Weil man mit diesen Gesetzen all | |
denjenigen den Mund verbietet, die nicht einverstanden sind, kann der | |
Eindruck entstehen, dass eine große Mehrheit den Krieg unterstütze. | |
Man hat die Menschen in einen Zustand gebracht, dass die Kriegsgegner sogar | |
bei Diskussionen jedes öffentliche Streitgespräch verlieren. Allein | |
deshalb, [2][weil sie für ihre Argumente im Gefängnis landen können]. | |
Deshalb sind in Russland Proteste gegen den Krieg kaum möglich. Um eine | |
größere Kundgebung zu organisieren, braucht man Leute, die das alles | |
koordinieren. Und die werden gleich von Anfang an unter Druck gesetzt. | |
Allein 2022 wurden mehr als 15.000 Personen verfolgt, weil sie sich gegen | |
den Krieg geäußert haben. Das betrifft sowohl Politiker als auch Bürger, | |
die nicht mit dem einverstanden sind, was um sie herum geschieht. | |
Persönliche Gespräche drehen sich allerdings immer um den Krieg. Und | |
Einigkeit bei diesem Thema, wie sie im Fernsehen gezeigt wird, gibt es | |
nicht. Schon lange beschwert sich niemand mehr über die Sanktionen gegen | |
Russland, man hat sich einfach an sie gewöhnt. Es geht bei den Gesprächen | |
nur noch darum, ob es richtig ist, Menschen wegen irgendwelcher | |
Hirngespinste zu töten. | |
So hat zum Beispiel [3][das kürzlich aufgetauchte Video von der Enthauptung | |
eines gefangenen ukrainischen Soldaten] alle erschüttert, und sogar die | |
schlimmsten Propagandisten mussten daraufhin zugeben, dass auch russische | |
Soldaten Kriegsverbrechen begehen. | |
Obwohl einer der eifrigsten russischen Kriegsjournalisten, Anton Krasowski, | |
erklärt hat, man dürfe sich für das, was zu sehen sei, nicht schämen, denn | |
das Video sei „gemacht, um uns moralisch zu demütigen“. | |
Ich kenne keinen einzigen Menschen aus meinem Bekanntenkreis, der das, was | |
mit diesem Soldaten passiert ist, gutheißen oder auch nur neutral | |
betrachten würde. Und selbst Menschen, die diesen Krieg unterstützen, sagen | |
im privaten Gespräch, dass die Verbrecher gefunden und bestraft werden | |
müssen. | |
Aber darüber offen zu sprechen, ist gefährlich. Es kann als | |
„Diskreditierung der Armee“ gelten und zu straf- und verwaltungsrechtlichen | |
Verfahren führen. Darum schweigen alle – oder schreiben Texte für deutsche | |
Zeitungen. | |
Aus dem Russischen [4][Gaby Coldewey] | |
Finanziert wird das Tagebuch von der [5][taz Panter Stiftung]. | |
Ein Sammelband mit Tagebüchern ist vergangenen September beim [6][Verlag | |
edition.fotoTAPETA] erschienen. | |
26 May 2023 | |
## LINKS | |
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[2] /Repression-in-Russland/!5922208 | |
[3] /Video-von-Enthauptung-eines-Ukrainers/!5924608 | |
[4] /Gaby-Coldewey/!a23976/ | |
[5] /Osteuropa-Projekte/!vn5913530 | |
[6] https://www.edition-fototapeta-shop.de/ | |
## AUTOREN | |
Boris Epchiev | |
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