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# taz.de -- Qual der Wahl bei der Begrüßung: Moin, der Friede sei mit euch
> Ich möchte mich als Teil der deutschen Gesellschaft fühlen und zugleich
> meine Wurzeln nicht vergessen. Was sage ich also: "Hallo", "Moin" oder
> "Salam"?
Bild: Willkommenskultur im September 2015: Begrüßungsplakat am Bahnhof in Ham…
Als ich Deutsch gelernt habe, war „Hallo“ mit das erste Wort, das ich
benutzt habe. Danach lernte ich die Anwendung von “Moin“ in Hamburg und
Norddeutschland. Aber beim Sprechen und beim Schreiben von E-Mails
verwendete ich nur „Hallo“ oder „Hi“.
Ein paar Jahre und viele Hallos später habe ich meinen deutschen
Schwiegervater besucht und er hat mich mit „As-salamu alaykum“ begrüßt,
„Friede sei mit euch“. Ich war total überrascht und habe begeistert „Wa
alaykumu as-salam“ geantwortet, „Friede sei auch mit euch“. Er hat mir
erzählt, dass er gerade gelernt habe, dass sich Muslim*innen weltweit so
grüßen. Seitdem begrüßen wir uns so und es erinnert mich daran, wie sehr
ich diese Begrüßung mag. Wir brauchen doch alle mehr Frieden in unseren
Leben, besonders in dieser Zeit.
Ich habe mich danach entschieden, die etwas modernere und kürzere Version
“Salam“ anstatt von “Hallo“ auszuprobieren. Ungefähr zur gleichen Zeit…
ich in der Schanze in einen türkischen Friseurladen gegangen. Ich öffnete
die Tür und sagte in den Raum: “Hallo“. Direkt hinter mir kam noch ein Mann
herein, der alle mit „As-salamu alaykum“ begrüßte. Ich war in dem Moment
sehr überrascht von mir selbst und habe mich gefragt, warum ich trotz
meiner Entscheidung nicht „Salam“ gesagt hatte. Warum kam mir „Hallo“
schneller in den Sinn?
Ich konnte meine Entscheidung schriftlich umsetzen. In jeder E-Mail, jedem
Brief, den ich schicke, schreibe ich „Salam“. Aber warum fällt es mir so
schwer, es auch zu sagen? Ich glaube, dass ich beim Schreiben mehr
Kontrolle über meine Sprache habe. Vielleicht interessiert mich auch
schriftlich die Reaktion der Menschen nicht so sehr, weil ich sie nicht
sehen kann. Obwohl ich mich sehr freue, wenn beispielsweise ein
Haspa-Mitarbeiter oder ein Journalistenkollege mit „As-salamu alaykum“ auf
meine E-Mail antwortet.
Aber beim Sprechen konzentriere ich mich zuerst auf die Reaktion der
Menschen, die ich mit „Salam“ begrüße. Ich denke mehr über ihre Blicke u…
Fragen nach und habe auch Sorgen, dass es zu einer ungemütlichen Situation
kommt.
Oder vielleicht möchte ich mich nicht zu sehr als anders oder fremd
präsentieren, wenn ich ein fremdes Wort benutze? Wenn ich einfach „Hallo“
sage, schütze ich mich dann vor dem Gefühl der Fremdheit? Viele junge
[1][Syrer*innen], die ich kenne, sprechen nicht nur perfektes Deutsch,
sondern auch noch akzentfrei. Und wenn sie dann auch ihr Äußeres an die
aktuellen Trends anpassen, möchten sie vielleicht genauso dazugehören wie
ich. Sie möchten nicht als Fremde, Geflüchtete oder Ausländer gelesen
werden.
Ja, ich weiß, heute erkennen die meisten Menschen an, dass Deutschland ein
[2][Einwanderungsland] ist und viele Muslim*innen und arabischsprachige
Menschen [3][leben seit langer Zeit hier]. Aber trotzdem erlebe ich, dass
viele Deutsche keine Erfahrung oder Kontakt mit diesen Menschen haben. Sie
wissen nicht von der Schönheit unserer Sprache und der Bedeutung eines
„As-salamu alaykum“. Sicherlich spielt auch die deutsche Angst vor einer
„Islamisierung“ oder „Arabisierung“ der deutschen Kultur eine Rolle.
Am Ende stehe ich, wie viele andere Exilant*innen, vor dem Konflikt
zwischen der Zugehörigkeit zur neuen Gesellschaft und den Routinen und
persönlichen Angewohnheiten, die mich in meinem Heimatland geprägt haben.
Ich möchte mich als Teil der Hamburger und auch der deutschen Gesellschaft
fühlen. Gleichzeitig will ich nicht das Gefühl haben, dass ich vergesse,
wie und wer ich vor dem Exil war.
Ich erlebe das so, und ich weiß auch, dass Menschen, die [4][in zweiter
oder dritter Generation hier leben], das genauso erleben. Manche von ihnen
lösen diesen Konflikt, indem sie “Salam und Moin“ in einem Atemzug sagen.
Vielleicht werden meine Kinder mich in Zukunft auch so begrüßen.
23 May 2023
## LINKS
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[2] /Gesetzentwurf-zur-Staatsbuergerschaft/!5935662
[3] /Muslime-in-Deutschland/!t5376210
[4] /Neue-ARD-Serie-unterAlmans/!5896473
## AUTOREN
Hussam Al Zaher
## TAGS
Kolumne Hamburger, aber halal
Sprache
Integration
Identität
Migration
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Ramadan
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