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# taz.de -- Neue ARD-Serie #unterAlmans: Ein neues Deutschsein
> Die Serie #unterAlmans erzählt Migrationsgeschichte aus vielen Teilen
> Deutschlands. Und fragt: Was kann man aus verschiedenen Etappen lernen?
Bild: Huong Trute lebte bereits zu DDR-Zeiten in Wernigerode, wo sie ein Restau…
„Auch wenn wir in Solingen verbrannt werden, Deutschland ist auch unsere
Heimat, wir sind ein Teil von Deutschland und wir sind eine kulturelle
Bereicherung für Deutschland“, [1][singt Ata Canani bei einem kleinen
Konzert] zur Pressevorführung der neuen Serie #unterAlmans – migrantische
Geschichte(n).
Die Vorstellung findet in dem freien Kunsthaus Acud in Berlin-Mitte statt.
Die Gäste stehen vor der Theke, an der Sekt und Weißwein ausgeschenkt wird.
Auch einige der Protagonist*innen aus der Serie sind da, der Musiker
Ata Canani ist einer von ihnen. Mit seiner Bağlama bespielte er schon vor
40 Jahren die Anliegen der Gastarbeiter*innen in Deutschland.
Ali Aslan, der Moderator für den Abend, beginnt mit einem Zusammenschnitt
der Serie. Canani und andere sprechen in dem fünfteiligem Format von
Yasemin Ergin, Kristin Siebert, Sebastian Bellwinkel und Marlene Wynants
über Deutschland als Einwanderungsland und ihre Sicht auf die
Mehrheitsgesellschaft.
Und das „erstmalig aus migrantischer Perspektive“, wie selbstbewusst im
Beschreibungstext zur Serie verkündet wird. Die [2][Erzählerin vor und
hinter der Kamera – Salwa Houmsi] – besucht Menschen in allen Teilen
Deutschlands, ob Leipzig, Hanau oder Wernigerode und wühlt sich durch rund
70 Jahre Migrationsgeschichte.
## Was ist Deutschsein?
Im Acud-Saal verfolgen die Gäste den Zusammenschnitt gespannt. Ist eine
Person aus dem Publikum auf der Leinwand zu sehen, drehen sich andere zu
ihr um und lächeln. Lacher gibt es für die Antworten auf die Frage: Was ist
Deutschsein? „Morgens erst mal duschen und ein Müsli zum Frühstück“ oder
„eine Hausordnung“.
Erzählerin Salwa Houmsi stellt Fragen: Ist Deutschland Heimat? Fühlen sich
(Post-)Migrant*innen der zweiten oder dritten Generation hier zu Hause? Was
ist ihre Sicht auf Deutschsein? Unter den Protagonist*innen sind
bekannte Gesichter wie Aminata Touré, Ministerin unter anderem für Soziales
und Gleichstellung aus Schleswig-Holstein, oder die Journalistin Melina
Borčak.
„Bei der Auswahl war uns eine Balance zwischen den unterschiedlichen
Migrationserzählungen wichtig. Da gibt es die Geschichte der türkischen
Gastarbeiter*innen, über die man schon vermeintlich viel weiß. Auf der
anderen Seite gibt es zum Beispiel die koreanischen Krankenschwestern, die
in den 70ern zu Tausenden nach Deutschland kamen. Über sie hat man bisher
noch nicht so viel gehört“, erklärt Yasemin Ergin, eine Autorin der Serie,
in der Diskussionsrunde nach der Serienpräsentation.
Die Balance ist gelungen, die Antworten der Protagonist*innen auf
Houmsis Fragen könnten nicht unterschiedlicher sein und zeigen zumindest
einen Teil der Veränderungen von Deutschsein, als „klares Signum der Zeit“,
wie die Integrationsforscherin Naika Foroutan in der Serie resümiert.
Hilfreich für diese vielschichtigen Erzählungen ist der Aufbau der Serie,
die keiner Chronologie folgt. Anhand von Oberthemen, die jeweils eine Folge
ausfüllen, werden die Geschichten erzählt: Hoffnung, Enttäuschung, Wut,
Heimat und Deutschsein.
## Laute (post)migrantische Stimmen
So spricht der aus Afghanistan stammende Edris Bahrami, der in Leipzig
einen migrantischen Fußballverein gegründet hat, in der gleichen Folge wie
die Krankenschwester Haeng-Ja Fischer mit südkoreanischen Wurzeln, die 2015
einen Geflüchteten aus Eritrea aufgenommen hat. Beide formulieren ähnliche
Hoffnungen an Deutschland.
Die Serie geht auch der Frage nach, was man aus den verschiedenen Etappen
der Einwanderungsgeschichte lernen kann. Und wie Deutschland in Zukunft mit
Stolz behaupten kann, ein Einwanderungsland zu sein. Antworten sucht die
Erzählerin Houmsi bei Expert*innen wie der Psychologin Marina Weisband
und dem Politikwissenschaftler Ozan Zakariya Keskinkılıç.
Das alles ist in ein modernes Format gepackt und mit aufgeregter Musik
unterlegt. Der Hashtag im Titel verrät bereits, dass die Serie sich an
online-affine Zuschauer*innen richtet. Wer deshalb eine kurzlebige
Feel-Good-Serie erwartet, irrt sich. Denn es geht um Rassismuserfahrungen,
Wut und Enttäuschung. Und darum, dass so viele Stimmen in der deutschen
Mehrheitsgesellschaft nicht gehört werden.
Aber es gibt sie, [3][die lauten (post)migrantischen Stimmen], die
selbstbewusst ihren Platz in der Gesellschaft suchen. Und die eine Serie
auch #unterAlmans nennen, obwohl sie wissen, dass das zu Aufregern führen
kann. „Aber am Ende kommt es nicht darauf an, dass Einzelne es schaffen,
sondern dass viele die Kraft in sich selbst sehen und dann gemeinsam
gestalten“, sagt Aminata Touré im Interview für #unterAlmans.
Dass die Geschichten zu vielschichtig sind, um sie in einer fünfteiligen
Serie mit rund 25 Minuten pro Folge auszuerzählen, ist auch an der
Diskussion im Acud bemerkbar: „Wir sind noch nicht fertig, wir fangen
gerade erst an“, sagt Salwa Houmsi dazu. Sich diese Serie als Anfang
anzuschauen, kann vor allem für Deutsche ohne Migrationsgeschichte
hilfreich sein. Sie macht schließlich deutlich: Letztendlich geht es hier
nicht um eine Frage der Migrationspolitik, sondern darum, wie wir als
Gesellschaft zusammenleben wollen.
Am Ende des Vorstellungsabends klappt dieses Zusammenleben ganz gut: Ata
Canani singt seinen neuen Song: „Vom Bosporus bis zum Rhein, scheint die
Sonne überall“. Und alle stimmen mit ein.
5 Dec 2022
## LINKS
[1] /Erstes-Album-von-Ozan-Ata-Canani/!5770143
[2] /Studie-ueber-Talkshow-Gaeste/!5711685
[3] /Klassiker-des-Strassenrap/!5854824
## AUTOREN
Ann-Kathrin Leclere
## TAGS
Migration
Einwanderungsland
Deutsche Geschichte
Deutscher Hip Hop
Türkisch
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