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# taz.de -- Discrepant Records: Von überall und nirgends
> Soundentdecker sollten sich diesen Labelnamen merken. Bei Discrepant
> Records erscheint Musik von Cumbia über Clubmusik bis hin zu Field
> Recordings.
Bild: Auch der Kairoer Künstler 3phaz veröffentlicht bei Discrepant Records
Wäre der Begriff Weltmusik nicht so verbrannt, man könnte Discrepant
Records als Weltmusik-Institution im besten Sinne bezeichnen. Denn das
Label, das der portugiesische Musiker und Produzent Gonçalo F Cardoso
betreibt, widmet seine Veröffentlichungen häufig bestimmten geografischen
Regionen, viele Alben basieren auf Reisen und Roadtrips.
Derzeit gibt es etwa eine Reihe von Alben zum Thema Ozeane: Die Bands
[1][Banha da Cobra und Lagoss] haben ein Konzeptalbum über den Atlantik
gemacht, Werke zum Indischen Ozean (von Pierre Bastien und Mike Cooper) und
zum Pazifik (Vica Pacheco und Pak Yan Lau) sollen folgen.
„Wir verwenden oft Klänge, die uns vertraut sind und die wir einem
bestimmten geografischen Raum zuordnen können, und gestalten sie dann neu,
sodass die Musik von überall und nirgends kommen könnte“, sagt
Labelbetreiber Cardoso im Videochat.
Dieser Gedanke lässt sich etwa auf dem neuen Album des portugiesischen
Soundkünstlers O Morto (alias Mestre André) gut nachvollziehen: Es basiert
auf einer Erkundung Marokkos, regional typische Instrumente wie die Qaraqib
und Gimbri erklingen, dazu kommen aber Ambientflächen, Drones und
elektronische Sounds, bei denen einem eher westliche (oder auch
fernöstliche) Regionen in den Sinn kommen.
## Discrepant ist Programm
Der gebürtige Portugiese Gonçalo F Cardoso hat sein Label Discrepant 2011
in London gegründet, seit einer Weile lebt er aber nicht mehr dort, sondern
auf Teneriffa. Bei dem Projekt Lagoss wirkt er selbst mit. Sein
Lieblingsinstrument sei „der Computer“, sagt er und lacht.
Der Name Discrepant ist für ihn Programm: „Ich habe vor dem Label bereits
einen Musikblog namens Discrepant betrieben. Den Namen hatte ich gewählt,
weil das, was ich tat, keiner geraden Erzählung und keinem geraden Weg
folgte. Es passte nicht in ein Genre oder eine Szene, es gab eine Menge
Diskrepanzen in dem, was ich tat. Das trifft noch heute auf mein Label zu.“
Cardoso will sich auch stilistisch nicht begrenzen und immer wieder neue
Diskrepanzen kreieren: „Ich bin erst zufrieden, wenn ich aus jedem
einzelnen Genre Alben veröffentlicht habe, inklusive HipHop, Pop und Rock.“
Es ist schon jetzt eine breite Klangpalette, die Cardosos Label mit seinen
fast 150 Veröffentlichungen abdeckt. Inzwischen gibt es mit Sucata Tapes,
Souk Records, Pacific City Discs, Keroxen und Farsa Discos gleich 5
Sublabels, auf die Cardoso die Veröffentlichungen so verteilen kann, dass
sie ins jeweilige Labelprogramm passen. Ein [2][Highlight aus jüngerer Zeit
ist etwa das Album „Ends Meet“ des Kairoer Produzenten 3phaz].
## Intelligent Dance Music
Bei ihm kommt der Mahraganat-Sound – ein Amalgam aus ägyptischem Shaabi und
elektronischen Sounds – mit Club-Stilen wie Footwork oder Harddrum
zusammen. Die 7 Tracks sind saftig, wuchtig, dicht produziert, von dieser
Art Intelligent Dance Music würde man gern mehr hören. Auch das im April
erschienene Album [3][des libanesischen Musikers Marc Codsi („Songs from
the aftermath“)] ist toll, es überzeugt mit oft meditativ-ambientigen
Synthesizer-Sounds und flirrenden Klängen.
Doch eigentlich lassen sich auch die Unterlabels kaum kategorisieren, auf
Souk Records ist etwa der HipHopper Muqata’a aus Ramallah genauso vertreten
wie die kolumbianische Band Romperayo mit einem weirden
Cumbia-meets-Zappa-Verschnitt. Bei dem Soloprojekt Only Now (alias Kush
Arora) kommen gar Black-Metal-Elemente mit elektronischer Musik zusammen.
Auch das neue Album der spanischen Freak-Folk-Punks Za! („ZA! & la
TransMegaCobla“) erschien als Co-Veröffentlichung auf einem von Cardosos
Labels.
In Zeiten der Echtzeitübertragung von Sounds via Internet sieht Cardoso
sich in der Rolle des Kurators. „Es ist gut, dass Musik heute auf sehr
schnelle und demokratische Weise geteilt und verbreitet werden kann.
Gleichzeitig gibt es extrem viel davon. Die Quantität sagt aber bekanntlich
nichts über die Qualität. Ich will mich mit meinen Veröffentlichungen von
den Unmengen an Platten und Musik abheben, die jeden Monat, jede Woche,
jeden Tag erscheinen.“
Wenn man sich ein wenig mit Discrepant Records beschäftigt, wird klar: Das
gelingt ihm bislang außerordentlich gut.
Der Text ist in der taz-Verlagsbeilage „Global Pop“ erschienen
19 May 2023
## LINKS
[1] https://lagoss.bandcamp.com/track/mojo-rojo
[2] https://3phaz.bandcamp.com/album/ends-meet?label=262874766&tab=music
[3] https://marccodsi.bandcamp.com/album/songs-from-the-aftermath-2?label=26287…
## AUTOREN
Jens Uthoff
## TAGS
Experimentelle Musik
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