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# taz.de -- Kultursymposium Weimar: Wo Elfen noch helfen
> Das Goethe-Institut rückte drei Tage lang Politik, Kultur und
> Wissenschaft in den Fokus. Intellektuelle debattierten über die Krise des
> Vertrauens.
Bild: Wer ist Mensch, wer Maschine? Besucher:innen beim interaktiven Verhörspi…
„Eine Frage des Vertrauens“, so war das diesjährige Kultursymposium in
Weimar übertitelt. Es wird [1][regelmäßig alle zwei Jahre in Weimar] vom
Goethe-Institut veranstaltet. Je enger man den Begriff des Vertrauens
umkreist, desto fragwürdiger wird jedoch seine Berechtigung auf dem
politischen Parkett.
Politisches Vertrauen verdient, wer sich glaubwürdig für eine bessere
Zukunft der Mehrheit einsetzt. Doch wer bestimmt, wer zur Mehrheit gehört?
Ändert sich deren Zusammensetzung, wenn etwa eine Partei regiert, die mit
dem Slogan „Deutschland. Aber normal.“ zur Wahl antritt?
Wer zumeist nicht zur Mehrheit zu gehören scheint, sind Geflüchtete. Das
Vertrauen der aus Syrien geflohenen Aktivistin und ehemaligen
Nationalschwimmerin Sarah Mardini in die Justiz dürfte wohl erschüttert
sein. Die in Berlin lebende Mardini war nach ihrer Flucht nach Lesbos
zurückgekehrt, um anderen Geflüchteten zu helfen. Sie wurde dort jedoch
2018 von griechischen Behörden festgenommen, der Spionage und des
Menschenschmuggels beschuldigt. Die Anklage bestehe weiterhin.
Vertrauen, so erzählt Mardini auf einem Panel zur Zukunft des Aktivismus,
habe sie, auch als sie zusammen mit einigen Mitflüchtenden ihr sinkendes
Schlauchboot mehrere Stunden lang über das Mittelmeer zog, stets nur in
ihre eigene Wut gehabt.
## Gescheiterte Russlandpolitik
Für Vertrauen bräuchte es keinen eigenen Begriff, träte nicht regelmäßig
auch sein Gegenpart auf den Plan: der Vertrauensverlust. Der kam während
des dreitägigen Symposiums immer wieder hinsichtlich der gescheiterten
Russlandpolitik zur Sprache. Der Generalsekretär des Goethe-Instituts,
Johannes Ebert, sprach sich für ein Aufrechterhalten harter Sanktionen
gegen Moskau aus.
Aus dem Publikum gab die Journalistin Dina Aboughazala zu bedenken, dass
Sanktionen nicht immer die Mächtigen träfen. Im Falle Syriens würden sie
das Leben der Bevölkerung extrem einschränken, während Diktator Baschar
al-Assad weiterhin fest im Sattel sitze. Aboughazala warnte auch vor zu
verhärteten Fronten im Ukrainekrieg. Irgendwann werde man wieder
miteinander reden müssen.
Zudem sei es wichtig, zwischen Regierung und Bewohner:innen eines
Landes zu unterscheiden. Aboughazala stammt aus dem autoritär regierten
Ägypten. Für einen Abbruch aller Beziehungen plädierte auch Ebert nicht.
Das Goethe-Institut sei in Moskau weiter präsent. Man habe aber die
Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen eingestellt.
Von enttäuschtem Vertrauen handelt auch der in Weimar gezeigte Film „Der
zweite Anschlag“. Darin erzählen Angehörige und Opfer rechtsextremer
Attentate in Deutschland von den Nachwirkungen der Gewalttaten, etwa nach
dem NSU-Mord an Süleyman Taşköprü 2001, als zunächst dessen Vater als Tät…
verdächtigt wurde. Regisseurin Mala Reinhardt legte den Fokus auf die
Betroffenen. Politiker:innen tauchen nur auf, wenn man sie wie den
damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck auf einer Gedenkfeier zu den
rassistischen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen sieht; einer Feier,
zu der, wie man später erfährt, die angegriffene vietnamesische Community
gar nicht eingeladen worden war.
## Afrikas alte Herren
Von fehlendem Vertrauen in Afrika kann indes Kevin Mwachiro berichten. Der
Autor und offen homosexuell lebende Kenianer beschreibt, wie in Afrika oft
ein Graben zwischen Regierungsvorstehern und der Bevölkerung besteht. Mehr
als 60 Prozent der Afrikaner:innen seien unter 25 Jahre alt, sagt er.
Trotzdem klammern sich in vielen afrikanischen Ländern ältere Herren an die
Macht.
Mwachiro zählt auf: In Kamerun ist der 90-jährige Paul Biya seit fast 40
Jahren im Amt, Uganda wird seit 1986 von dem 78-jährigen Yoweri Museveni
regiert. Und auch in Nigeria ist kürzlich mit Muhammadu Buhari ein
80-Jähriger wiedergewählt worden. Wie solle man über die Zukunft Afrikas
reden, wenn man die Jugend nicht einbinde?
Auf dem Prüfstand steht bei dem Symposium in Weimar auch das Vertrauen in
Technologie, vor allem in KI. Dabei gilt es weniger der Technik zu
misstrauen als den Menschen dahinter, die die jeweilige Technologie
programmieren.
Oder wie es [2][die britische Philosophin Onora O’N]eill in einem
Interview mit dem Schweizer Fernsehsender SRF ausdrückte: „Man kann einer
künstlichen Intelligenz vertrauen, wie man einem Herd vertraut. Die
Erfahrung zeigt, wie er funktioniert.“
## KI und Fake News
KI, Social Media, Fake News: Die Tücken der Technik zeigten sich auch in
der Performance von Magda Szpecht. Als eine „Cyber Elf“ kämpft die
polnische Regisseurin und Journalistin online gegen russische Propaganda.
Warum vertrauenswürdige Medien (bei aller gesunden Skepsis) nötig sind,
zeigt sich an einem russischen Video.Es stellt manipulativ dar, dass die
Ukraine von Nazis bevölkert sei. Zu sehen sind Fotos unklarer Herkunft, die
ukrainische Rechtsextreme zeigen sollen, mit Hakenkreuzen.
Selbst wenn einige der Bilder „echt“ sein sollten, wäre damit noch keine
vertrauenswürdige mediale Einordnung gegeben. Und als Behauptung, hier
einen Querschnitt der ukrainischen Bevölkerung zu sehen, dient es vor allem
Agitation und Verleumdung. Die Arbeit der „Cyber Elves“, die Fotos mit
Satellitenbildern und Geodaten auf ihre Echtheit prüfen, ist als
Normalbürger:in kaum zu leisten.
Russland stecke enorme Ressourcen in Hacking und betreibe ganze
„Trollfabriken“, sagt Szpecht. Dem stünden häufig nur einige
Aktivist:innen gegenüber, die sich unentgeltlich engagierten. Wolle man
Fake News und Cyberpropaganda ernsthaft eindämmen, bräuchte es bessere
staatliche Strukturen in der EU. Wie diese konkret aussehen sollten, weiß
Szpecht allerdings auch nicht so genau.
Für die aktuelle polnische Regierung, sagt sie, würde sie jedenfalls nicht
arbeiten.
12 May 2023
## LINKS
[1] /Kultursymposium-ueber-Digitalisierung/!5602268
[2] /Kant-Tagung-in-Berlin/!5311635
## AUTOREN
Julia Hubernagel
## TAGS
Goethe-Institut
Vertrauen
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Demokratie
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