| # taz.de -- Songs über Berlin: Da, wo immer noch ein Koffer steht | |
| > Berlin ist mit seinen Exzessen Thema vieler Lieder. John Watts von der | |
| > Band Fischer-Z brachte eines davon, einen New-Wave-Klassiker, ins | |
| > Quasimodo. | |
| Bild: Entertainer mit Berlin-Expertise: John Watts von Fischer-Z | |
| Zahlen lügen nicht. Sie sagen schon was über Bedeutung und was einem | |
| eigentlich am Herzen liegt, wenn man jetzt zum Beispiel beim Sortieren von | |
| Liedern seine Häufchen macht. Etwa Lieder über die Liebe (sehr viele). Und | |
| die über den Hass (viele). Oder Lieder über Städte (letztlich auch oft | |
| Liebe und Hass). Laut einem [1][Liedtexte-Portal] gibt es 500 Lieder für, | |
| gegen und über München, in immerhin schon etwas über 1.200 ist Hamburg | |
| Thema. Dann muss man noch etliche Tausender drauf legen, um mit den Liedern | |
| nach Berlin zu kommen. Über 6.000, die irgendwie die Stadt würdigen, sollen | |
| es sein. | |
| Das aber muss doch was bedeuten. Soooo viel größer als Hamburg ist Berlin | |
| ja nun nicht. | |
| So singt man sich entlang an diesem | |
| Ich-hab-noch-einen-Koffer-in-Home-an-der-Spree-ich-steh-auf … natürlich: | |
| Berlin! Manchmal muss der Name der Stadt noch nicht einmal erwähnt sein, um | |
| es weltweit zum Berlin-Hit zu machen. Wie „Heroes“ von David Bowie, dem | |
| vielleicht [2][prominentesten Berlinpraktikanten] („Die Mauer im Rücken war | |
| kalt“). | |
| In nicht wenigen Liedern geht es um die Verheißung von Exzessen, die diese | |
| Stadt doch besonders bieten soll. Das gibt es aus einer heimischen und aus | |
| einer sozusagen touristischen Perspektive, da seien jetzt fast einigermaßen | |
| wahllos aus dem großen Haufen von den Gebrüdern Blattschuss die | |
| „Kreuzberger Nächte“ einerseits ([3][„Kreuzberger Nächte sind lang/ Erst | |
| fang sie ganz langsam an/ Aber dann, aber dann“]) und andererseits „Berlin�… | |
| von Fischer-Z herausgegriffen. | |
| ## Ein Solokonzert am Abend des Tags der Befreiung | |
| Letztere sind wiederum der aktuelle Grund, wieso man diesen | |
| Berlin-Liederhaufen überhaupt gemacht hat. Weil die in Form ihres | |
| Masterminds John Watts im Berliner Quasimodo spielten. Ein Solokonzert, am | |
| Abend des Tags der Befreiung. Vorher konnte man so noch im Fernsehen | |
| schauen, wie zum Gedenken die Kränze niedergelegt wurden. Dass da jetzt der | |
| [4][Kai Wegner von der CDU] die Stadt repräsentiert als Regierender | |
| Bürgermeister, daran muss man sich noch erst gewöhnen. | |
| Dass John Watts „Berlin“ in Berlin spielen würde, das durfte man mit | |
| einiger Sicherheit erwarten. Schließlich war der Abend als „Red Skies Over | |
| Paradise“-Celebration-Tour angekündigt. Das erfolgreichste Album der | |
| britischen Band. Ein New-Wave-Klassiker, „Berlin“, war eine Hit-Single | |
| daraus. Erschienen ist das Album 1981. In dem Jahr war Hans-Jochen Vogel | |
| (SPD) Regierender in Berlin und dann Richard von Weizsäcker (CDU). | |
| Das Quasimodo ist bestens gefüllt, das Alter der meisten im Publikum konnte | |
| man sich einfach ausrechnen, wenn man davon ausging, dass sie das „Red | |
| Skies“-Album auf den Partys ihrer Jugend gehört hatten. Tatsächlich finden | |
| sich da viele Hooklines zum Mitsingen. Immer wieder sind zumindest | |
| Fragmente von Refrains im Publikum zu hören. Zwischendrin singt Watts | |
| aktuellere Lieder, die genauso freundlich beklatscht werden. | |
| ## Seltsam ungelenke Version | |
| Es ist ein launiger Abend, für den auch mal ein Mann nur mit Gitarre | |
| reicht. Ein zugewandter Entertainer. Nicht maulfaul, nicht geschwätzig. | |
| Einer, der seine Lieder teilen will, und dann singt er von diesen „sore red | |
| eyes“, den entzündeten Augen und den dunklen Clubs, wo sich die rumtreiben, | |
| die schlafen, wenn es draußen hell ist, in „Berlin“, wo man immer auch von | |
| der Vergangenheit weiß, dem „theatre of memories“. | |
| Es ist eine seltsam ungelenke Version, in der John Watts versucht, das | |
| Leise und den Rock irgendwie ineinander zu verschrauben. Es klappt nicht so | |
| recht, was wiederum sehr anrührend ist. Das Publikum ist sowieso dabei. | |
| Nicht alle, aber viele singen mit, vor allem das bestätigende „Berlin, | |
| Berlin“. Immer wieder, trotzig und beschwörend: „Berlin, Berlin“. | |
| Und wenn man genau hingehört hat, hörte man auch all die anderen, die da | |
| irgendwann auf die Bühne gekommen sein müssen (sie mussten sich drängeln, | |
| im Quasimodo ist da nicht viel Platz), die Dietrich und Hildegard Knef, | |
| Annette Humpe, die Jungs von Seeed und all die anderen. Sie singen: Berlin! | |
| Berlin! | |
| 10 May 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.holidu.de/magazine/die-meistbesungenen-staedte-der-welt | |
| [2] /Gedenktafel-fuer-Bowie/!5326518 | |
| [3] https://www.youtube.com/watch?v=MZ5ecmF-BOk | |
| [4] /Schwarz-rote-Koalition-in-Berlin/!5927566 | |
| ## AUTOREN | |
| Thomas Mauch | |
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