# taz.de -- Pornografie und Künstliche Intelligenz: Digitale Sexpuppen | |
> Generative KI erreicht die Erotikbranche. Mithilfe von Bildgeneratoren | |
> werden Pornobilder erstellt – auch mit den Köpfen von Prominenten. | |
Bild: Ist das Bild echt oder nur ein Deepfake der Künstlichen Intelligenz? | |
Blaue Augen, schwarze Haare, charmantes Lächeln, dazu ein verführerischer | |
Blick – Claudia ist eine Frau, von der viele Männer träumen. [1][Im | |
Internetforum Reddit] bot sie intime Fotos von sich an – gegen Bezahlung. | |
Doch Claudia existiert in Wirklichkeit gar nicht. Sie ist ein Fake, ein | |
fiktives Computerwesen. Hinter dem Account „u/Cl4ud14“ stecken in Wahrheit | |
zwei Informatikstudenten, die mithilfe einer [2][Bild-KI] eine Frau | |
gebastelt haben. 100 Dollar sollen sie nach Recherchen des Magazins Rolling | |
Stone mit dem Fake-Model verdient haben. | |
[3][Generative KI] hat die Erotikbranche erreicht. Mithilfe von | |
Bildgeneratoren kann heute jeder seine Traumfrau designen. Augenfarbe, | |
Haarfarbe, Hautfarbe – das lässt sich alles konfigurieren, wie ein Neuwagen | |
im Autohaus. Doch bevor die Moralpolizei nun Betrug ruft, weil ein paar | |
Männer für ihr Geld keine „echte“ Ware bekommen, sollte man sich ein paar | |
grundlegende Gedanken über Wahrheit und Pornografie machen. | |
Schon seit einiger Zeit kursieren im Netz Deep-Fake-Pornos. So wurde | |
beispielsweise der Kopf der Schauspielerin Emma Watson auf den Körper einer | |
Erotikdarstellerin montiert. Auch Michelle Obama wurde bereits Opfer | |
solcher Bildmontagen. Die Nachfrage nach Deep-Fake-Pornos ist massiv | |
angewachsen. Die Polizei nutzt bereits seit einigen Jahren KI-generierte | |
Kinderpornografie, um sich im Darknet Zugang zu einschlägigen Foren von | |
Pädokriminellen zu verschaffen. Klar, moralisch ist diese Praxis völlig | |
anders zu bewerten, aber es macht deutlich, dass auch | |
Strafverfolgungsbehörden falsche Bilder in Umlauf bringen. | |
## Die Imagination kehrt zurück | |
Der Begriff der Fake-Pornografie ist ein Pleonasmus, weil schon Pornografie | |
an sich fake ist: Schauspieler simulieren einen Liebesakt, der einzig dazu | |
dient, dass sich der Betrachter selbst befriedigt. Insofern müsste man | |
fragen, ob die Männer, die auf Reddit Nacktfotos erwerben, über den Inhalt | |
getäuscht wurden. Hatten sie erwartet, dass sich eine echte Frau für sie | |
auszieht? | |
Die Käuferin einer Modezeitschrift lässt sich von der Photoshop-Technik | |
hinters Licht führen, mit der die Gesichtszüge eines Covergirls gestrafft | |
werden, und der Mann, der in der Telefonsex-Hotline anruft, macht sich ja | |
auch Illusionen über die Attraktivität der Dame, die vielleicht ganz anders | |
aussieht als in der Imagination ihres Kunden. Die Täuschung ist | |
eingepreist, und sie stört im Grunde niemanden. | |
Technologien haben die Vor- und Darstellung von Sexualität verändert, und | |
sie haben die Art und Weise verändert, wie Menschen Sex haben. Als die | |
Fotografie um 1830 erfunden wurde, dauerte es nicht lange, bis die ersten | |
Hardcore-Porno-Fotos unter der Ladentheke verkauft wurden. Das Internet hat | |
die Pornografie [4][aus der Schmuddelecke von Erotikfachgeschäften | |
befreit] und in die Wohnstuben transportiert. Wo alte Geschäftsmodelle wie | |
Erotikzeitschriften starben, entstanden neue im Netz, zum Beispiel | |
Webcamgirls. | |
## Pornografie hat erotische Vorstellungskraft zerstört | |
Die meisten Jugendlichen haben heute schon mal Videos von Sexpraktiken wie | |
Bukkake oder Gang Bang gesehen, bevor sie ihre eigenen sexuellen | |
Erfahrungen gemacht haben. Man kann sagen: Pornografie hat die erotische | |
Vorstellungskraft zerstört. Durch Bildgeneratoren als Fortsetzung der | |
Fotografie kehrt die Imagination ironischerweise zurück. Jeder kann heute | |
wie ein Pornofilmemacher seine sexuelle Fantasie ausleben und | |
Regieanweisungen an fiktive Darstellerinnen und Darsteller geben. MAZ ab | |
zum Fake-Porno! | |
Werden KI-Models Erotikdarstellerinnen bald ersetzen? Wenn ja – wäre das so | |
schlimm? Einerseits liegt darin die Utopie, das ausbeuterische Geschäft des | |
Pornobusiness auszutrocknen. Andererseits besteht die Gefahr, dass | |
Sexarbeiterinnen ihre – durchaus wertgeschätzten – Jobs verlieren könnten. | |
Entscheidend dafür wird sein, ob Konsumenten bereit sind, für KI-generierte | |
Pornoinhalte zu bezahlen. Die sterilen, häufig ausdrucksleeren Fotos, die | |
Bild-KIs bislang erzeugen, haben maximal den Reiz von Sexpuppen. Noch. | |
9 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Ideologie-und-kuenstliche-Intelligenz/!5907912 | |
[2] /Kuenstliche-Intelligenz-in-der-Medizin/!5928490 | |
[3] /ChatGPT-und-Fachkraeftemangel/!5930895 | |
[4] /Erotikmesse-Venus-in-Berlin/!5890828 | |
## AUTOREN | |
Adrian Lobe | |
## TAGS | |
Deepfake | |
Pornografie | |
Sex | |
Fake | |
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz | |
Sex | |
Pornografie | |
Deepfake | |
Medien | |
Politikbetrieb | |
GNS | |
Sex | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ruth Westheimer gestorben: Sie demokratisierte den Sex | |
Ruth Westheimer machte das Reden über Sex salonfähig. Nun ist die | |
Sexualtherapeutin im Alter von 96 Jahren in New York gestorben. Ein | |
Nachruf. | |
Kulturwissenschaftlerin über Pornografie: „Wissen ist der beste Jugendschutz… | |
Wenn wir über Pornografie reden, tun wir das allzu oft allzu alarmistisch, | |
sagt Madita Oeming. Sie plädiert für Ehrlichkeit und Entstigmatisierung. | |
Über Silikon-Sexpuppen in Friedrichshain: Der interaktive Sex der Zukunft | |
Im „Cybrothel“ werden aus Bordellbetreibern jetzt KI-induzierte und | |
-inspirierte Sexclub-Gestalter. Unser Kolumnist macht sich da so seine | |
Gedanken. | |
Auswirkungen Künstlicher Intelligenz: Die Ängste, die wir riefen | |
Hunderte Expert*innen sehen in Künstlicher Intelligenz das „Risiko der | |
Auslöschung“ für die Menschheit. Warum dieses Statement gefährlich ist. | |
ChatGPT und Fachkräftemangel: KI hat Bock auf Arbeit | |
Eine neue Studie des Bundestages befasst sich mit Vorteilen des | |
Sprachgenerators. Mit ihnen will man auf den Fachkräftemangel reagieren. | |
Künstliche Intelligenz in der Medizin: Hatschi? KI! | |
Künstliche Intelligenz hält zunehmend Einzug in die Medizin. Das ist kein | |
Problem. Richtig eingesetzt kann sie Patient:innen wie Ärzt:innen | |
helfen. | |
Forscherin über Sexroboter: „Robotik hat viel mehr Potenzial“ | |
Sexroboter sind ein Beispiel, wie technische Entwicklungen einem männlichen | |
Kanon folgen. Das muss nicht so bleiben, sagt Forscherin Tanja Kubes. |