# taz.de -- Gerhard Schröders Altkanzlerbüro: Neurotisches Verhältnis zu Sta… | |
> Schröder klebt an seinen Privilegien, die ihm auch Anerkennung | |
> verschaffen. Ist doch keine Schande, Rentner zu sein. | |
Bild: Wer braucht denn schon ein Büro als Rentner? Loslassen und Hobbies pfleg… | |
Die Häme in den sozialen Netzwerken war erwartbar groß: In Moskau bekommt | |
Gerhard Schröder bestimmt ein neues Büro, so der Tenor. Auch die taz machte | |
auf mit Putins absurd langem Tisch. Dabei ging es vor dem [1][Berliner | |
Verwaltungsgericht] nicht um Schröders Lobbyismus für Putin, sondern um die | |
Frage: Ist der Staat dafür zuständig, den Verlustschmerz von | |
AltkanzlerInnen zeitlich unbegrenzt zu kompensieren durch üppig | |
ausgestattete Büros? Die Antwort: Nein, es gibt kein Gewohnheitsrecht. | |
Auch Angela Merkel dürfte jetzt klar sein: Ihr großes Altkanzlerinnenbüro | |
(mit neun MitarbeiterInnen) wird nicht von Dauer sein. Es ist bitter, dass | |
es erst einen Krieg brauchte – der Haushaltsausschuss des Bundestags strich | |
Schröder [2][nach dem Überfall auf die Ukraine] das Büro, aber Schröders | |
Russlandconnection durfte nicht die offizielle Begründung sein –, um die | |
fragwürdigen Altkanzlerprivilegien zu streichen. Man muss Schröder dankbar | |
sein, weil sich endlich ein Gericht mit dieser merkwürdigen Praxis befassen | |
musste. | |
Der verbissene Kampf um ein Büro wirft ein Schlaglicht auf | |
gesellschaftliche Realitäten. Dieses Land hat ein neurotisches Verhältnis | |
zu Status und ein Problem mit einem ziemlich häufigen Vorgang namens | |
Statusverlust. Vorstandsvorsitzende werden Aufsichtsratsvorsitzende, damit | |
sie sich weiter wichtig fühlen dürfen. Gescheiterte Parteichefs werden | |
Vorsitzende ihrer parteinahen Stiftung. | |
Wer mal zufällig auf einem Empfang sogenannter höherer Kreise war, bekommt | |
ungefragt Visitenkarten zugesteckt mit ziemlich viel „a. D.“: Meistens sind | |
es ältere Herren, die sich als „Flottillenadmiral a. D.“ oder „Büroleit… | |
a. D. der Bundesministerin XY“ vorstellen. Es ist offenbar eine Schande, | |
nicht mehr der zu sein, der man einst war, also muss der Titel der | |
Vergangenheit betont werden. | |
## Das Leben ist eine Achterbahn, keine Treppe | |
Andere Kreise gehen mit Statusverlust lockerer um: Ehemalige Heizungsbauer | |
verteilen eher nicht Visitenkarten, sondern sagen freudig: Ich bin jetzt | |
Rentner. Das Leben ist eine Achterbahn und keine Treppe, die stets nach | |
oben geht, es besteht aus Phasen, und es ist immer besser, die eigene | |
Identität nicht an Bedeutung und Status festzumachen. | |
Ehemals wichtige Leute sollten sich frei machen von der Geißel Status und | |
das tun, was auch in ihnen steckt: etwa ein Käsespezialitätengeschäft | |
aufmachen oder sich als Vorleser im Schulhort nützlich machen. Oder wie | |
[3][Jimmy Carter] eine NGO gründen. Ein Vorbild ist auch [4][Ann-Sofie | |
Hermansson], die Ex-Bürgermeisterin der schwedischen Stadt Göteborg. | |
Nachdem sie ihr Amt verlor, fing sie bei der städtischen Müllabfuhr an. Für | |
sie stand das Positive im Vordergrund: Sie verärgere in ihrem neuen Job | |
nicht mehr die Leute, sagte sie. | |
5 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Gerhard-Schroeders-Klage-abgewiesen/!5928751 | |
[2] /Schroeder-muss-Bundestagsbuero-aufgeben/!5855739 | |
[3] https://www.cartercenter.org/ | |
[4] https://www.blick.ch/ausland/um-ihre-miete-zu-zahlen-goeteborgs-ex-buergerm… | |
## AUTOREN | |
Gunnar Hinck | |
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