| # taz.de -- Die Wahrheit: Mein Leben als Tag der Arbeit | |
| > Aus der Selbstausbeutung in der Subkultur lässt sich nur schwer Kapital | |
| > schlagen. | |
| Ein guter Karrierist ist an mir leider nicht verloren gegangen. Während | |
| mein letzter Verleger mit dem Preis der Leipziger Buchmesse „bedacht“ | |
| wurde, wie man so merkwürdig sagt, und zwar mit einem Buch, das eine | |
| ehemalige Freundin von mir verlegt hat, träume ich, dass ich unbedingt Geld | |
| verdienen muss, weil mir bald die Arbeitslosigkeit droht, und das, obwohl | |
| ich gar nicht festangestellt bin. | |
| Geld verdienen geht am besten über Arbeit. Das ist eine Binse, die nur für | |
| die Reichen nicht gilt; es ist überhaupt immer schön zu sehen, wie | |
| politische Unsicherheit sich in null Komma nix in Luft auflöst, sobald das | |
| Thema Arbeit auf den Tisch kommt: Die einen wollen weniger bis gar nicht | |
| mehr arbeiten, die anderen finden das nicht so gut und wollen, dass die | |
| einen eher mehr arbeiten. Sie selbst brauchen das ja nicht so, die nennen | |
| ihre Nichtarbeit dann gern „Tragen von Verantwortung“. | |
| Das sind auch die, die leichthin sagen, „dass es der falsche Weg sei, | |
| Arbeiten und Leben als Widerspruch zu sehen“, wie ein fescher Leitartikel | |
| im österreichischen Kurier anhebt. „Die Arbeit sei ein wesentlicher Teil | |
| unseres Lebens, sie gebe uns Inhalt, Struktur, Sozialkontakte“ – das Thema | |
| Sex lässt er aus, Stucki hat er nicht gelesen – „Sinn und | |
| Erfolgserlebnisse.“ Auf den Punkt gebracht: „Lass dir das Leben nicht vom | |
| Job versauen – dieser Ansatz ist durchaus nachvollziehbar, aber keine | |
| Zukunftsperspektive“. | |
| Damit hat der Leitartikel wohl leider recht. Aber könnte man daran nicht | |
| mal, äh, tja: arbeiten? Sodass mehr Leben am Ende herauskommt und weniger | |
| Arbeit? So man Arbeit old school als das versteht, was man machen muss, um | |
| Geld zu verdienen, wie das eben für die meisten von uns so ist. | |
| ## Es kann nur den einen geben | |
| Denn: Nicht alle können Erfolg haben. Es kann nur einen (oder eine) geben! | |
| Mein Verleger kann mit einer | |
| 1a-Provinz-Arbeiterklassen-Migrationsgeschichte aufwarten, die einmal durch | |
| den Literaturkanal geschickt immer noch schön positiv daherkommt und nicht | |
| so defätistisch wie „Eure Heimat kotzt uns an“ oder so – Letzteres ist | |
| einfach ziemlich 2019. Meine Provinz-Arbeiterklassengeschichte ist dagegen | |
| läppsch, und hausieren gehe ich damit auch nicht. Oder zu selten. | |
| Gewundert habe ich mich über die Karrieren der anderen bereits, als ich | |
| noch Prüfungsträume hatte, also träumte, ich würde das Abi nicht schaffen, | |
| obwohl ich das lange habe. Ich habe auch lange darauf gewartet, dass mir | |
| ehemalige Kommilitoninnen auf ihrem Weg nach unten entgegenkommen, aber | |
| selbst das passiert irgendwie nicht. | |
| Vielleicht habe ich zu lange an den Quatsch namens Subkultur geglaubt, an | |
| Selbstausbeutung, um soziales Kapital anzuhäufen, aber soziales Kapital | |
| häufen die anderen viel besser an. Um es mit einem Schluffi-Vorbild aus der | |
| Generation X zu sagen: „I was dressed for success, but success it never | |
| comes.“ | |
| 2 May 2023 | |
| ## AUTOREN | |
| René Hamann | |
| ## TAGS | |
| Kolumne Die Wahrheit | |
| Literatur | |
| Tag der Arbeit / 1. Mai | |
| Kapitalismus | |
| Kolumne Die Wahrheit | |
| Kolumne Die Wahrheit | |
| Kolumne Die Wahrheit | |
| Schlager | |
| Kolumne Die Wahrheit | |
| Kolumne Die Wahrheit | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Die Wahrheit: Mein Leben als Ede | |
| Wenn Deutschlehrer Thomas Manns Namensgebung lieben und die Namen von | |
| Lateinlehrern sich auf Kotze reimen, kann etwas nicht stimmen. | |
| Die Wahrheit: Mein Leben als Deutsche Bahn | |
| Noch ne Kolumne über das lahme Zukunftsunternehmen? Aber ja, es ist halt | |
| ein leichtes Opfer. | |
| Die Wahrheit: Tausend Dank für Ihre Wahl | |
| Danke! Danke, dass Sie für diesen Online-Text und für diese Zeitung doch | |
| sicherlich gezahlt haben – und jetzt gleich diesen Artikel lesen! Danke! | |
| Die Wahrheit: Mein Leben als Boogie | |
| In der analogen Ära des deutschen Schlagers wurden US-Hits gern | |
| eingedeutscht. Mitunter erhielten die Songs dabei eine andere Bedeutung. | |
| Die Wahrheit: Mein Leben als T-Shirt | |
| Karl Marx als Kinderbuchautor. Fast so woke wie sein Kollege Roald Dahl. | |
| Jedenfalls mit jeder Menge diskriminierender Schimpfwörter. | |
| Die Wahrheit: Mein Leben unter Heizpilzen | |
| Eine nächtliche Fahrt durch Wien. Eine schöne Stadt, die aber in den | |
| achtziger Jahren steckengeblieben ist. |