# taz.de -- Die Wahrheit: Mein Leben als T-Shirt | |
> Karl Marx als Kinderbuchautor. Fast so woke wie sein Kollege Roald Dahl. | |
> Jedenfalls mit jeder Menge diskriminierender Schimpfwörter. | |
Bild: Wenn es zu spät ist, „sorry“ zu sagen, dann wartet Domina Madonna | |
Neulich fragte ich mich, wer eigentlich Roald Dahl war. Richtig, ein | |
Kinderbuchautor, der es geschafft hat, in der Nachwelt gleich zweimal neu | |
zu erscheinen. In einer Klarversion und einer Originalversion, die nicht | |
mit unmodischen Wörtern spart. An dieser Stelle soll allerdings keine der | |
handelsüblichen Woke-Kritiken oder eine Kritik der Woke-Kritik erscheinen. | |
Womit wir bei einem anderen Autor aus Britannien wären: Karl Marx. | |
Auch Karl Marx hat bekanntlich Kinderbücher geschrieben, sein allererstes | |
war auch gleich sein Bestes: der Longseller „Die heilige Familie“ (1845). | |
Wie es sich für so ein schönes altes Kinderbuch gehört, ist es voll mit | |
diskriminierenden Schimpfwörtern, und trägt einen, nein, sogar gleich zwei | |
Untertitel: „Kritik der kritischen Kritik“ lautet der eine – das ist | |
Woke-Kritik avant la lettre – und „Gegen Bruno Bauer & Consorten“ der | |
andere. | |
Tatsächlich hatet der olle Kalle ziemlich ab gegen die Konsorten, unter | |
denen man sich so urwüchsige Haudegenmenschen wie die Liliputaner in | |
„Gullivers Reisen“ von Jonathan Swift vorstellt, aber allen voran gegen | |
Bruno Bauer. Dieses arme Opfer eines Ein-Mann-Shitstorms! Aber wer war der | |
eigentlich, dieser Bruno Bauer? Was wurde aus ihm, was macht er heute so? | |
Und wer waren die Konsorten wirklich? | |
Erstaunlicherweise sind die Konsorten gar kein Volk, sondern die | |
„Mitglieder eines Konsortiums“, wie irgendein Online-Lexikon weiß. Die | |
stehende, aber abfällige Wendung „X und Konsorten“, die ich zum Beispiel | |
von meinem Vater kenne, müsste also auf Marx zurückzuführen sein. „Bauer | |
und Konsorten“: Flaschen, Lügner, Flachzangen. Im Konsortium. | |
Gelesen habe ich „Die heilige Familie“ nicht, die Handlung schien mir zu | |
konfus. Außerdem hat der Mitautor von Marx, Friedrich Engels, das Buch zwar | |
„prächtig geschrieben und zum kranklachen“ gefunden, in seiner Gänze aber | |
auch „zu groß“ und insgesamt „dem größeren Publikum unverständlich“… | |
Liliputaner hingegen … Nein! | |
In meiner Freizeit lese ich auch lieber T-Shirts statt Kinderbücher. Leider | |
sind bedruckte T-Shirts etwas aus der Mode geraten. Immerhin trug neulich | |
eine eher durchschnittlich aussehende Frau, man verzeih, ein solches, auf | |
dem „Traumfrau“ gedruckt stand. Tja, vielleicht muss man nur deutlich genug | |
darauf hinweisen. In unserer Ellbogengesellschaft wird man einfach zu | |
schnell übersehen. | |
Während ich durch Kreuzberg lief, stellte ich mir vor, wie die Traumfrau | |
bei einem Tinder-Date einem Mann begegnet, der „Das Leben ist keine Frau“ | |
auf dem T-Shirt spazieren trägt. Da hat die Liebe keine Chance. | |
Ein anderer Mann trug ein T-Shirt, auf dem „Sorry, Schwarz war leider aus“ | |
stand. Die Schrift war blau, das Leiberl in schönstem Schweinchenrosa. | |
Lustig fand ich auch den Namen eines Spätis, also eines Berliner Kiosks, | |
den ich neulich entdeckte. Der nannte sich ganz up to date „Spätify“. Man | |
erreicht ihn in der Realwelt auf der Wiener Straße. | |
22 Mar 2023 | |
## AUTOREN | |
René Hamann | |
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