# taz.de -- Arbeitskampf bei Bildungsträger: Die Kettenbefristung abwerfen | |
> Beim Anne Frank Zentrum kämpfen Festangestellte und freie | |
> Mitarbeiter*innen für bessere Arbeitsbedingungen. Damit sind sie ein | |
> Vorbild. | |
Bild: Für den Arbeitskampf gewappnet: Mitarbeiter:innen des Anne Frank Zentrums | |
BERLIN taz | An die jüdische Tradition der Spandauer Vorstadt und des | |
Scheunenviertels erinnert heute nur noch wenig. Zu den Ausnahmen zählt das | |
Haus Schwarzenberg, in dem sich einst die Blindenwerkstatt von Otto Weidt | |
befand, der dort während des Holocaust jüdische Mitarbeiter versteckte; | |
seit 20 Jahren befindet sich hier im Hinterhof das Anne Frank Zentrum. | |
Dessen Herzstück ist die Ausstellung über das jüdische Mädchen, deren | |
Tagebuch aus ihrem Versteck vor den Nazis in den Niederlanden weltberühmt | |
wurde. Darüber hinaus versteht sich das Zentrum als Lernort über den | |
Nationalsozialismus, bietet Fortbildungen an und entwickelt Lehrmaterialien | |
zu Antisemitismus und Rassismus. Etwa 30.000 Besucher zählte die | |
Ausstellung 2022, über 500 Gruppen nahmen am pädagogischen Angeboten teil. | |
Mehr als 40 Festangestellte und ebenso viele freie Mitarbeiter stemmen die | |
Arbeit des Zentrums – ab Donnerstag kämpfen sie gemeinsam für bessere | |
Arbeitsbedingungen. Dann beginnen die Verhandlungen mit dem Trägerverein | |
über einen neuen Tarifvertrag. Die Branche der Bildungsträger und NGOs, | |
häufig projektfinanziert mit vielen befristeten und freien | |
Mitarbeiter:innen, blickt darauf mit Spannung. Denn seit sie 2019 – | |
auch mit Hilfe eines Warnstreiks – einen ersten Tarifvertrag erstritten | |
haben, hat das Zentrum Vorbildfunktion. | |
Der zuständige Verdi-Sekretär André Pollmann spricht von einem „Leuchtturm | |
in der Branche“. Ausschlaggebend sei die damals erreichte Anbindung an den | |
Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes des Landes Berlin samt der richtigen | |
Eingruppierung der verschiedenen Tätigkeiten in die Entgeltgruppen sowie | |
eine, wie Pollmann sagt, „legendäre Entfristungsregel“. Statt dauernder | |
Kettenbefristungen steht den Mitarbeiter:innen des Zentrums nach vier | |
Jahren eine Festanstellung zu. Ebenso besteht ein | |
Weiterbeschäftigungsanspruch, wenn die ausgeübte Tätigkeit weiter besteht. | |
## Arbeitsbelastung sehr hoch | |
Nun geht es um weitere Verbesserungen, auch weil die Arbeitsbelastung und | |
der Druck „sehr hoch“ seien, wie Mitarbeiter Robert Zenker sagt. Seit 2020 | |
betreut er das Projekt „Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus“, | |
das auf vier Jahre angelegt ist. Dennoch erhielt er bis zu diesem Jahr nur | |
Ein-Jahres-Verträge – verbunden mit „großer Unsicherheit“, wie er sagt.… | |
fordern nun: „Kettenverträge beenden und Entfristung schon nach drei | |
Jahren“. | |
Doch das ist längst nicht alles: Gefordert wird die Bezahlung nach dem | |
Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes in voller Höhe für alle | |
Entgeltgruppen je nach Betriebszugehörtigkeit, es gehe um „Lohnsteigerungen | |
von teils einigen hundert Euro“, sagt Pollmann. Hinzu kommen der Aufbau | |
einer betrieblichen Altersvorsorge sowie ein fairer Ausgleich für | |
Überstunden, Feiertags- und Wochenendarbeit. | |
Das Besondere darüber hinaus ist der gemeinsame Kampf mit und für die | |
freiberuflichen Mitarbeiter:innen. Deren Honorare etwa für | |
Ausstellungsführungen sollen von 23 Euro pro Stunde auf 38 Euro steigen. | |
Die Forderungen wurden im Februar übergeben, bis zum Verhandlungsstart hat | |
sich der Arbeitgeber Bedenkzeit erbeten. Bislang hätten sie „kein positives | |
Zeichen bekommen“, sagt Pollmann. Doch die Beschäftigten seien bereit, „in | |
die Bütt zu gehen“; ein gewerkschaftlicher Organisierungssgrad von 80 | |
Prozent unter den Angestellten sei dafür eine gute Basis. | |
Zenker ist die „Signalwirkung“ bewusst. Mitarbeiter:innen etwa der | |
Amadeu Antonio Stiftung haben nun ebenfalls einen Betriebsrat gegründet und | |
kämpfen für einen Tarifvertrag und Entfristungsregelungen. Auf der | |
Facebookseite der Tarifinitiative Anne Frank Zentrum sammeln sich | |
Solidaritätsbekundungen von Beschäftigten anderer Betriebe. Zum Start des | |
Arbeitskampfs laden die Mitarbeiter:innen am Donnerstagnachmittag zu | |
einer Protestaktion in den Hof der Rosenthaler Straße 39 ein. | |
26 Apr 2023 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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